Religiöses, Kochrezepte, Infos & Fun   www.kirchenweb.at

Benutzerdefinierte Suche

Uneins im Herrenmahl...- Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
.

 

Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 2003/2004
8
. Jahresreihe - 9. Katechese, 2004-06-06

Uneins im Herrenmahl? – Grenzen der Kommuniongemenschaft

O sacrum convivium in quo Christus sumitur, recolitur memoria passionis eius, mens impletur gratia et futurae gloriae nobis pignus datur.

O heiliges Gastmahl, in dem Christus empfangen wird. Gedacht wird seiner Passion. Das Herz / der Geist wird erfüllt mit Gnade und von der künftigen Herrlichkeit wird uns ein Angeld gegeben. Amen.

Die letzte Katechese dieses Arbeitsjahres berührt eine schmerzliche Frage, die schon am Schluss der vorigen Katechese angeklungen ist, die Frage der Grenzen der Kommuniongemeinschaft. Das betrifft sowohl die Gemeinschaft der Christen untereinander, die ökumenische Frage, Einheit oder Uneinigkeit im Herrenmahl, das betrifft aber auch die Situation in-nerhalb der Katholischen Kirche, etwa die so oft gestellte und so oft auch schmerzlich erlebte Frage der Sakramentenzu-lassung oder Nichtzulassung von Wiederverheirateten Geschiedenen – Grenzen der Kommuniongemeinschaft. Wenn Jesus selber für alle Menschen gekommen ist, sein Leben für alle Menschen geschenkt hat, warum ist dann die konkrete Umsetzung dieses Geschenks in der Eucharistie nicht für alle Menschen offen? Warum gibt es Grenzen der Kommunion-gemeinschaft, wenn doch die Liebe Christi grenzenlos ist? Ist die Barmherzigkeit Jesu nicht für alle Menschen da? Ist nicht auch das Brot des Lebens für alle Menschen da? Wenn er für alle gestorben und auferstanden ist, warum bekom-men dann nicht alle Anteil an der Frucht seines Todes, der Eucharistie? Ich habe am Schluss der letzten Katechese dar-an erinnert: Die Liebe Gottes, die er uns durch Christus und in Christus schenkt, ist zweifellos ohne Grenzen. Aber ich kann der Liebe Gottes Grenzen setzen, indem ich zum Beispiel die Liebe Gottes nicht annehme. Die Liebe Christi ist ohne Grenzen. Aber die Kommunion hat ihre Grenzen.

I.
Ich habe am Schluss der letzten Katechese gesagt: Die Eucharistie ist das Mahl der Getauften. Den Nichtgetauften gilt die Liebe Christi natürlich ebenfalls, denn die Liebe Christi ist grenzenlos und gilt allen Menschen. Aber die eucharistische Gemeinschaft mit Christus ist den Getauften vorbehalten. So gibt es Grenzen der eucharistischen Gemeinschaft. Nichtchristen können nur durch das Tor der Taufe zur Kommuniongemeinschaft mit Christus und der Kirche kommen. Das war vom ersten Tag der Kirche, von Pfingsten an klar. Das Herrenmahl, die Eucharistie ist den Getauften vorbehalten. Das heißt aber auch: Eucharistische Gemeinschaft setzt Glaubensgemeinschaft voraus. Die Eucharistie ist Ausdruck und Höhepunkt der Glaubensgemeinschaft. Die Eucharistie ist die Tischgemeinschaft der Familie Jesu. Diese Familie wird begründet durch den Glauben und die Taufe. Die eucharistische Gemeinschaft ist gewissermaßen das Herzstück, das Innerste dieser Lebensgemeinschaft der Familie Jesu. Sie ist Ziel und Höhepunkt dieses Lebens der Gemeinschaft Jesu. Deshalb ist seit ältester Zeit für den Eucharistieempfang zuerst die Taufvorbereitung und dann die Taufe selbst vorausgesetzt. In der Alten Kirche ist die Taufvorbereitung ein mehr oder weniger langer Weg, mindestens die Zeit der Fastenzeit. Das ist heute noch so für die, die sich als Erwachsene taufen lassen. Erst am Ende dieses Weges kann man in die innersten Geheimnisse des christlichen Glaubens und Lebens sozusagen eingeweiht werden. Dazu gehört sozusagen als innerster Kern, als das Allerheiligste dieser Initiation die Teilnahme an der Eucharistie. In der Osternacht, nach der Taufe wurden die Neugetauften zum ersten Mal in die Kirche hineingeführt und durften an der Eucharistie teilnehmen.

Dann stellen sich aber viele Fragen. Eine davon möchte ich herausgreifen. Wenn die Eucharistie die Mahlgemeinschaft der Getauften ist, warum steht sie dann nicht allen Getauften gleich offen? Es wird nirgendwo so schmerzlich deutlich, was die Kirchenspaltung, die Spaltung der Christenheit für eine Wunde bedeutet, als gerade in dieser Frage. Wir sind verbunden durch die Taufe aber getrennt am Tisch des Herrn. Ehe ich auf die ökumenische Frage der Eucharistie-, der Abendmahlsgemeinschaft zwischen den christlichen Kirchen und Gemeinschaften eingehe, möchte ich die vielleicht noch schwierigere Frage ansprechen, wieso es innerhalb der Katholischen Kirche selbst Grenzen der Kommuniongemeinschaft gibt.

II.
Ich mache zwei Vorbemerkungen. Erstens ist es ganz wichtig sich daran zu erinnern: Grenzen sind nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Unser Körper hat Grenzen. Wenn er grenzenlos wäre, wäre er kein Körper. Alles, was eine Gestalt hat, hat auch Grenzen. Der Grenzzaun meines Gartens trennt ihn vom Nachbargarten, aber er verbindet auch. Eine Grenze ist immer auch eine Verbindungslinie. Deshalb sollten wir etwas vorsichtig sein mit dem Wort „ausgrenzen“, das pauschal, manchmal auch allzu schnell und zu wenig durchdacht als Schlagwort verwendet wird. Grundsätzlich sind Grenzen nicht von vorn herein etwas Schlechtes. Wir haben unsere Landesgrenzen. Sie bezeichnen, was unsere Heimat ist. Die Grenzen unseres Heimatortes oder der Heimatstadt, die Grenzen der Familie, das Drinnen und das Draußen, sind nicht an sich etwas Schlechtes. Nur wenn man diese Grenzen bewusst annimmt, können sie auch Verbindungslinien sein.

Eine zweite Bemerkung. Grenzen können von innen oder von außen gezogen werden. Ich kann mich abgrenzen oder andere können sich mir gegenüber abgrenzen. Beides ist notwendig. Ich muss Grenzen ziehen, damit ich nicht ausufere in dem, was ich tue, in dem, was ich an Beziehungen lebe. Umgekehrt müssen auch andere solche Grenzen ziehen, damit das Zusammenleben gelingen kann. Auf die Frage der Kommunion angewendet muss man sagen, es gibt Grenzen gegenüber der Eucharistiegemeinschaft, die ich selber ziehe, oder Grenzen, die mir gesetzt werden. Ich kann mich selber der Kommuniongemeinschaft öffnen oder auch verschließen. Ich kann mich aus der Kommuniongemeinschaft ausschließen, wenn ich zum Beispiel die Kirchengemeinschaft verlasse, bin ich von mir aus nicht mehr innerhalb der Grenzen der Glaubens- und Kommuniongemeinschaft. Es kann auch sein, dass die Gemeinschaft mir gegenüber Grenzen zieht, wenn sie findet, dass mein Verhalten mit den Regeln der Gemeinschaft nicht übereinstimmt. Das ist etwas, was es in allen Formen des Zusammenlebens gibt, nicht speziell in der Kirche.
Wie sieht das nun mit den Grenzziehungen in der Eucharistie- und Kommuniongemeinschaft aus? Wir haben beim Apostel Paulus zum Beispiel einen Fall, wo er selber ganz deutlich und scharf eine Grenze zieht. Das ist der Fall des Inzest, der in Korinth vorgekommen ist, wo Paulus scharf und entschieden einen Schnitt vornimmt und diesen Bruder exkommuniziert, ihn aus der Gemeinschaft ausschließt, nicht um ihn zu verderben, sondern, wie er ausdrücklich sagt, um ihn zu retten, dass er zur Besinnung kommt und dass er von seinem für ihn und für die Gemeinschaft schädlichen Verhalten ablässt. Paulus hat einen aus der Gemeinde von Korinth exkommuniziert, ihn aus der Gemeinschaft und damit auch aus der Abendmahlgemeinschaft ausgeschlossen (1 Kor 5,1-13).

Aber es gibt auch die andere Weise, mit einer möglichen Grenze umzugehen. Auch die spricht der Apostel Paulus an, wenn er im ersten Korintherbrief ernsthaft daran erinnert: „Wer unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, der macht sich schuldig am Leib des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen. Erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt“ (1 Kor 11,27-29). Paulus fordert hier sozusagen zu einer Selbstprüfung und vielleicht auch Selbstgrenzziehung auf: Prüfe dich selbst, ob du den Leib des Herrn unterscheidest! Paulus macht ein kleines griechisches Wortspiel, zwischen dem Wort „Gericht“, krima, und „unterscheiden“, diakrinon: Wenn du den Leib des Herrn nicht unterscheidest von gewöhnlichem Brot, dann kannst du dir das Gericht sozusagen anessen. Dann wird dir diese heilige Speise zum Gericht. Schau also, wo du selber die Grenze ziehen musst oder wo du eine Grenze, die in deinem Leben da ist, überwinden musst, dass du zum Leib und Blut des Herrn, zum Brot und Kelch des Herrn hinzutreten kannst, ohne dass es dir zum Schaden, zum Gericht wird! Deshalb sagt auch eine uralte Tradition der Kirche, dass wer sich schwerer Schuld bewusst ist, schwere Sünde auf dem Gewissen hat, in die Kommuniongemeinschaft nur durch das Tor des Bußsakraments eintreten kann (vgl. KKK 1385). Es bedarf einer Überwindung einer Grenze, um wieder in die Kommuniongemeinschaft eintreten zu können. Christus hat die Vollmacht zur Sündenvergebung gegeben, damit die Gemeinschaft wiederhergestellt werden kann, damit durch die Vergebung der Sünden Menschen, die sich durch ihr eigenes Fehlverhalten gewissermaßen „ins out“ begeben, aus der Familie Jesu ausgeschlossen haben, wieder in die Kirche integriert werden können.

Es kann natürlich auch die Situation geben – ich habe sie schon angesprochen – dass jemand persönlich nicht einsieht, dass sein Verhalten gewissermaßen grenzgängig ist, Grenzen überschritten hat. Dann ist es Aufgabe der Hirten, eine Grenze zu ziehen, so wie Paulus es in Korinth getan hat, damit durch eine solche Grenzziehung Umkehr geschieht. Ich habe letztes Jahr in einer Katechese erzählt, was bei P. Pio vorgekommen ist, dass er sich plötzlich während der Heiligen Messe umdrehte, einen unter den Gläubigen heraussuchte, auf ihn zeigte und sagte: „Via, via!“ – „Raus, raus!“ Das war nicht sehr angenehm, eine Grenzziehung. P. Pio hat offensichtlich im Inneren gespürt: Hier muss eine Grenze gezogen werden, damit dieser Mensch gerettet wird. Ein befreundeter Priester hat mir erzählt, dass dieser Mann drei Tage lang sozusagen um den heißen Brei herumkreiste, bis er schließlich zu P. Pio in den Beichtstuhl ging. Diese schar-fe Grenzziehung des P. Pio wurde für ihn zur Rettung.

Es gibt ein berühmtes Beispiel von einer solchen Grenzziehung, einer Exkommunikation aus der frühen Kirchengeschichte. Kaiser Theodosius der Große (†395), der zur Christianisierung des Römischen Reiches so viel getan hat, ließ eine Revolte im Blut ersticken und im Stadion von Thessaloniki 7.000 Menschen niedermetzeln. Die Geschichte berichtet vielleicht ein bisschen legendär aber sehr eindrucksvoll: Als er sich anschickte in Mailand, wo er residierte, in die Kirche zu kommen, verwehrte ihm, dem Kaiser, der hl. Ambrosius (†397), der Bischof von Mailand den Zutritt zur Kirche und verlangte von ihm, dass er öffentlich für das Verbrechen, dessen er sich schuldig gemacht hatte, Buße tue. Die Überlieferung berichtet dann sehr eindrucksvoll, wie der Kaiser Buße getan habe und schließlich nach einer ausgiebigen Bußzeit barfuss in die Kirche gekommen sei und sich auf den Boden geworfen habe zum Zeichen der Buße. Dann versöhnte ihn Ambrosius wieder und hob die Exkommunikation auf – Grenzziehung, wie sie von einem berühmten, bedeutenden, heiligen Hirten vorgenommen wurde (vgl. H. Rahner, Kirche und Staat im frühen Christentum, Einsiedeln 1943).

III.
Wahrscheinlich ist jetzt in einigen Herzen ein Argument: Der Kaiser hat Buße getan und wurde wieder zugelassen. Er hatte immerhin das Massaker an 7.000 Menschen zu verantworten. Aber Wiederverheiratete Geschiedene werden ein Leben lang nicht mehr zugelassen, es sei denn, die erste Ehe wird für ungültig erklärt, wird annulliert, wie man im Kirchenrecht sagt, aber wo ist das möglich? Wann ist das ehrlicher Weise möglich? Wie viele haben in ihrer ersten sakramental, kirchlich geschlossenen Ehe Schiffbruch erlitten, sind dann eine neue Beziehung eingegangen, eine zweite Ehe. Vielleicht bemühen sie sich redlich, in dieser zweiten Ehe besser als in der ersten ein christliches Leben zu führen, aber sie bleiben ein Leben lang von der Kommunion, vom Sakramentenempfang ausgegrenzt. Ist da die Kirche nicht zu hart, zu stur? Warum dieses Beharren auf der Unauflöslichkeit der Ehe? Jeder der in der Seelsorge tätig ist weiß, wie schmerzlich solche Situationen sein können und sind. Es fehlt nicht an Kritik, immer wieder: Warum? Warum ist die Kirche hier so hart? Es fehlt auch nicht an Vorschlägen. Man sollte zum Beispiel eine Bußzeit einführen und dann in irgendeiner Form die neue Beziehung eben auch kirchlich anerkennen. Man sagt dann: Die Ostkirche hat doch so eine Praxis, warum wird das in der Katholischen Kirche nicht auch gemacht?

Noch einmal verschärft das Argument, das man oft hören kann: Ein Mörder könne zur Beichte gehen und wieder die Sakramente empfangen, die Wiederverheirateten Geschiedenen nicht. Ganz so einfach ist das nicht. Der Priester kann einen Mörder nicht absolvieren, ihm nicht die Lossprechung geben, wenn er nicht bereit ist, die Konsequenzen auf sich zu nehmen, wenn er nicht bereit ist, sich dem Gericht zu stellen und für seine Tat, für sein Verbrechen die Buße zu tun, die ihm das Gericht auferlegt. Wenn er nicht bereit ist, die Strafe für seine Tat auf sich zu nehmen, dann gibt es auch keine Lossprechung. Insofern ist der Vergleich etwas hinkend, auch wenn er oft gebraucht wird.

Es ist zweifellos ein schweres Kreuz, wenn Menschen, die in ihrer Ehe gescheitert sind und wieder eine Ehe eingehen, den Zugang zu den Sakramenten der Buße und der Eucharistie verschlossen finden. Aber ein schweres Kreuz, das wissen wir aus der christlichen Lebenserfahrung, kann auch ein großer Segen werden. Von einem solchen Segen möchte ich erzählen. Ich hoffe, diese Familie wird es mir nicht verargen, ich nenne sie nicht namentlich. Mich hat zutiefst beeindruckt, wie sie mit dieser Situation umgegangen ist. Beide stammen aus bäuerlichen Verhältnissen, sie hat geheiratet, nach wenigen Monaten hat der Mann sie sitzen gelassen, damals im Dorf eine große Schande. Einer hat den Mut, sie nicht sitzen zu lassen, hat sie geheiratet, im Wissen, dass beide hinkünftig nicht mehr zu den Sakramenten werden gehen können. Damals war alles noch sehr strikt, sehr genau. Sie haben geheiratet, nicht kirchlich sondern zivil. Es wurde eine sehr gute Ehe, acht Kinder, ein gläubiges Familienleben, vorbildliche Erziehung der Kinder, die ganze Familie jeden Sonntag in der Kirche, die Eltern gehen nie zur Kommunion. Gelegentlich kommt in der Gemeinde die Frage auf: Warum geht ihr nicht zur Kommunion? Nicht alle wissen den Grund. In der neueren Zeit, wo man mit diesen Situationen doch etwas offener umgeht, kam immer wieder die Frage: „Warum geht ihr nicht einfach zur Kommunion? Das tun doch so viele andere. Ihr lebt so gut zusammen, ihr seid ein so vorbildliches Ehepaar. Gott hat euch doch sicher längst verziehen.“ Unvergesslich ist die Antwort der Frau, die ich selber gehört habe: „Macht euch keine Sorgen um mich. Sorgt euch vielmehr um die, die zu den Sakramenten gehen könnten und es nicht tun.“ Und ein zweites Wort, dass mich tief beeindruckt hat, als sie mir erzählt hat: „Am Sonntag sagen die Kinder zu ihr und zu ihm: Mama, Papa, heute gehe ich für dich zur Kommunion.“

Was mich beeindruckt: Ein ganz starkes Zeugnis für die Heiligkeit der Ehe. Indem sie zu dem zweifellos tiefen Schmerz ja gesagt haben, haben sie ein großes Zeugnis für die Unauflöslichkeit der Ehe gegeben, vielleicht heldenhaft, zweifellos von großer Strahlkraft und sicher auch sehr gesegnet. Ein zweites beeindruckt mich an diesem Zeugnis: In der Wahrhaftigkeit liegt eine große Kraft und Gnade. Es ist nun einmal so, dass die Ehe heilig und unauflöslich ist. Johannes der Täufer, den Jesus als „den größten unter den von der Frau Geborenen“ bezeichnet hat (Mt 11,11), hat sein Leben verloren, weil er zu Herodes gesagt hat: „Du hast nicht das Recht, die Frau deines Bruders zu nehmen“ (Mt 14,4). Er hat sein Leben hingegeben für die Heiligkeit der Ehe. Freilich hat Jesus ein Wort von unendlichem Trost gesagt, als man eine Frau zu ihm führt, die beim Ehebruch ertappt wurde, also nach dem Gesetz zu steinigen gewesen wäre. – Er, der Ehebrecher, wäre übrigens auch zu steinigen gewesen. Im alttestamentlichen Gesetz wird ganz klar gesagt: Beide wären zu steinigen (Lev 20,10; Dtn 22,22). Wo war er? Das sagt uns die Stelle nicht. – Jesus aber sagt: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ (Joh 8,7). Er hat nicht gesagt, dass der Ehebruch keine Strafe verdient. Er hat nicht gesagt, dass der Ehebruch „wurst“ ist. Er hat nur das Verurteilen abgelehnt. Aber dass der Ehebruch Sünde ist, daran hat er keinen Zweifel gelassen. Am Schluss sagte er zu der Frau: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige fortan nicht mehr“ (Joh 8,11). „Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet“ (Mk 10,11-12). Nicht die Kirche ist unbarmherzig. Jesus hat uns vor diese unerbittlich klare, einfache Wahrheit gestellt. Es ist so.

Was aber, wenn es geschehen ist, wenn die Ehe gebrochen wurde, wenn ein anderer oder eine andere geheiratet wurde und der Ehebruch dadurch bestehen bleibt? Gibt es denn gar keinen Ausweg, immer nur das Schuldgefühl, die Schuld, nie eine Vergebung, ein wirklicher Neuanfang? Für mich war die Begegnung mit dieser Familie, diesem Ehepaar mit acht Kindern, eine entscheidende Lehre. Ich bin überzeugt, diese Familie, dieses Ehepaar lebt eine tiefe, starke, echte Beziehung zu Christus. Es ist keine sakramentale, aber es ist eine reale. Sie können nicht zu den Sakramenten, sie gehen nicht zu den Sakramenten aber sie gehen zu Christus. Christus kann ihnen nahe sein, weil er, der Souverän, nicht an die Sakramente gebunden ist. Wir Menschen sind an die Sakramente gebunden. Christus ist frei. Er kann das, was wir im Sakrament bekommen, auch ohne das Sakrament schenken. Mit Christus im Herzen verbunden zu sein, in der Reue über die eigenen Fehler und Sünden und im Vertrauen, dass er uns nicht verurteilt, ist wichtiger als vielleicht äußerlich die Kommunion zu empfangen, ohne mit dem Herzen wirklich dabei zu sein. Es ändert nichts daran, dass die Sehnsucht nach der Kommunion, nach dem Empfang des Sakramentes gerade bei diesen Ehepaaren sehr tief und sicher auch schmerzlich da ist.

Haben wir vielleicht die geistliche Kommunion zu sehr vergessen? Die hl. Teresa von Ávila (†1582) sagt: „Wenn ihr nicht kommuniziert und an der Messe nicht teilnehmt, kommuniziert geistlich. Diese Übung bringt viele Vorteile… So wird in euch viel von der Liebe unseres Herrn eingeprägt“ (Weg der Vollkommenheit c. 35).

Eines zeigt das Beispiel dieser Familie: Christliches Leben ist auch möglich unter diesen schwierigen und sicher auch schmerzlichen Bedingungen. Im Katechismus heißt es: „Den Christen, die in dieser Situation leben und oft den Glauben bewahren und ihre Kinder christlich erziehen möchten, sollen die Priester und die ganze Gemeinde aufmerksame Zuwendung schenken, damit sie sich nicht als von der Kirche getrennt betrachten, an deren Leben sie sich als Getaufte beteiligen können und sollen“ (KKK 1651).

Noch etwas habe ich von dieser vorbildlichen Familie gelernt. Wir meinen heute oft, dass Probleme gleich gelöst werden müssen, Spannungen nicht ertragen werden können. Alles muss irgendwie lösbar sein und zwar schnell und voll-ständig. Aber die Erfahrung zeigt: Im ja Sagen zu der Situation, wie sie nun einmal tatsächlich ist, kann Starkes und Großes wachsen. Schnelle Lösungen sind oft keine Lösungen. Das geduldige Durchtragen einer Situation wie dieser der Wiederverheirateten Geschiedenen in Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit kann viel an persönlichem, an Glaubenswachstum, an Glaubensreife bewirken, mehr als vielleicht unmittelbar zufrieden stellende, schnelle Lösungen. Der Pfarrer, der an seine Kirche ein Transparent geschrieben hat: „In meiner Kirche kann jeder zur Kommunion gehen“, der handelt nicht als guter Hirt. Nicht das ist die Barmherzigkeit. Die Barmherzigkeit ist, die Situation so ehrlich und wahrhaftig anzuschauen, wie sie ist und darin die Gnade Gottes zu suchen. Aber der Pfarrer, der einfach die Wiederverheirateten Geschiedenen beiseite schiebt und sagt: „Mit denen will ich nichts zu tun haben“, der handelt auch nicht als Hirte. Ich glaube, der gute Hirte geht gerade mit denen, die einen schwierigen Weg gehen, ob es der schwierige Weg der Treue zur Ehe ist oder der schwierige Weg einer gescheiterten Ehe. Er geht mit den Betroffenen mit, nicht mit schnellen Lösungen sondern im Aus-harren und im Vertrauen, dass der Herr auch in diesen schwierigen Situationen nahe ist. Im Sinne des Evangeliums ist entscheidend, mit den Betroffenen in Wahrheit und Liebe den Weg zu gehen. Das kann Jahre lang gehen, bis vielleicht sich eines Tages auch ein sakramentaler Weg eröffnet, was inzwischen bei der vorhin genannten Familie tatsächlich geschehen ist.

„Mama, heute gehe ich für dich zur Kommunion.“ – Was für ein wunderbarer, tiefer Gedanke, ein Gespür für die Communio, für die Gemeinschaft der Kirche. Wie oft wäre so etwas für uns, wenn wir zu den Sakramenten gehen können, ein wirklicher Auftrag. Heute gehe ich für diesen, für jene zur Kommunion, die nicht können oder nicht wollen, die fern stehen, noch nicht den Weg gefunden haben. Das ist Gemeinschaft der Kirche, diese lebendige Gemeinschaft, die weiß, wir sind in Christus ein Leib, wir sind alle Glieder dieses einen Leibes. Wer aus bestimmten Gründen nicht sakramental zur Kommunion gehen kann, ist deswegen nicht aus dieser lebendigen Gemeinschaft des Leibes Christi ausgeschlossen. Wichtig ist nur, ob diesen Betroffenen auch gezeigt und spürbar gemacht wird, dass sie zur lebendigen Gemeinschaft des Leibes Christi gehören.

Noch ein allerletztes zu diesem Thema: Dass wir unter uns manche haben, die sich redlich bemühen, ein christliches Leben zu führen, ohne zu den Sakramenten gehen zu können, das erinnert uns auch daran, dass es eben nicht selbst-verständlich ist, zu den Sakramenten gehen zu können. Wir haben keinen Anspruch darauf. Es ist nicht etwas, das uns einfach selbstverständlich zusteht. Ich habe kein Anrecht auf die Gnade. Es ist immer ein Geschenk, wenn wir zu den Sakramenten gehen dürfen.

IV.
Damit bin ich bei der Ökumene, für die uns noch ein paar wichtige Minuten bleiben. Wir haben kein Anrecht auf die Gnade. Das war ein Grundgedanke der Reformation, Martin Luther (†1546), Johannes Calvin (†1564). Unsere evangelischen Geschwister sagen gerne: Nicht wir laden zum Abendmahl ein, sondern Jesus lädt zum Abendmahl ein. Er ist der Gastgeber. Deshalb sagen unsere evangelischen Brüder und Schwestern oft: Wir können gar nicht jemanden ausschließen, weil Jesus selber der Einladende ist. Und sie fragen uns: Warum nehmt ihr Katholiken – vor allem Bischöfe, sozusagen das Lehramt – diese seine Einladung nicht an? Warum macht ihr solche Schwierigkeiten, uns gemeinsam zum Abendmahl zu versammeln und gemeinsam am Tisch des Herrn zu sein? Darüber müsste viel gesagt werden. Ich möchte zu-erst ganz knapp zusammenfassen, was die Lehre der Kirche ist, und Ihnen dann eine ganz einfache Handregel empfehlen.

Zuerst müssen wir unterscheiden zwischen den Kirchen, die in unserem Verständnis die voll gültigen Sakramente haben, und den Kirchen und Gemeinschaften, von denen wir der Ansicht sind, dass sie nicht die gleiche Fülle wie die Katholische Kirche haben. Von den Ostkirchen glauben wir, dass ihre Sakramente gültig sind. Sie haben nicht nur die gültige Taufe sondern auch die gültige Eucharistie, die Diakonen-, Priester-, Bischofsweihe wie in der Katholischen Kirche. Zwischen ihnen und uns ist grundsätzlich eine Kommuniongemeinschaft möglich. Es fehlt sozusagen nur das Äußere der Kirchengemeinschaft, aber im Wesentlichen ist sie möglich. Deshalb sagen wir auch, wenn ich in einem orthodoxen Land bin, etwa in den Weiten Russlands, und weit und breit kein katholischer Gottesdienst möglich ist, kann ich, wenn ich von den Orthodoxen zugelassen werde, auch dort die Sakramente empfangen, von uns aus gesehen. Die Orthodoxen sehen es anders, die meisten lehnen es ab, dass wir bei ihnen die Sakramente empfangen. Anders ist es bei den Kirchen und Gemeinschaften der Reformation. Weil bei ihnen vor allem das Weihesakrament nicht da ist, glauben wir auch, dass sie nicht die Fülle der Eucharistie im Sinne der Orthodoxen oder der Katholischen Kirche haben. Das heißt aber nicht, dass das evangelische Abendmahl einfach nichts ist. Ich zitiere, was das Konzil dazu sagt: Die evangelischen Christen „bekennen ... bei der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn im Heiligen Abendmahl, dass hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde, und sie erwarten seine glorreiche Wiederkunft“ (Unitatis Redintegratio 22; KKK 1400). Für sie ist also das Abendmahl durchaus Gemeinschaft mit Christus aber nicht in dem Sinne, wie wir es für die Eucharistie annehmen.

Nun gibt es zahlreiche Situationen, wo evangelische und katholische Christen miteinander leben, zum Teil in konfessionsverbindenden Ehepaaren. Wie soll man da mit der Frage der Interkommunion umgehen? Ich habe dazu eine ganz einfache Regel, die nicht von mir stammt, ich habe sie von jemand anderem gehört, aber sie hat mich sehr überzeugt und ich darf sie ganz kurz vorstellen. Sie ist sehr einfach. Was wir zwischen unseren Konfessionen tun soll wahrhaftig sein, soll in Liebe geschehen aber auch in Wahrheit. Ich habe deshalb unseren evangelischen Brüdern und Schwestern das einmal so vorgelegt: Wer auch als nichtkatholischer Christ bei der Kommunion das Amen zum Leib Christi sagen will, der muss genauso das Amen zum Hochgebet sprechen können. Das Hochgebet macht sozusagen die Eucharistie, da geschieht die Wandlung und kommt sozusagen der Leib Christi zustande. Wer amen sagen kann zum Hochgebet, der kann auch amen sagen zur Kommunion. Das ist zumindest als persönliche Regel der Orientierung eine Hilfe. Ich nehme einmal das dritte Hochgebet, das uns allen wohlbekannt ist. Ich habe das immer wieder evangelischen Brüdern und Schwestern vorgelegt und gesagt: Kannst du dazu amen sagen? Dann kann sich auch die Frage sinnvoll stellen, ob du zur Kommunion amen sagen kannst. Dort heißt es: „Schau gütig auf die Gabe deiner Kirche. Denn sie stellt dir das Lamm vor Augen, das geopfert wurde.“ – Wir betrachten die Messe als ein Opfer, das Opfer Christi, „… dieses heilige und lebendige Opfer …“ heißt es. Kannst du dazu amen sagen? – „Er mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir wohl gefällt, damit wir das verheißene Erbe erlangen mit deinen Auserwählten, mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und Märtyrern, mit den Tagesheiligen und mit allen Heiligen, auf deren Fürsprache wir vertrauen.“ – Kannst du, als evangelischer Christ, hier dein Amen sprechen? – „Barmherziger Gott, wir bitten dich: Dieses Opfer unserer Versöhnung bringe der ganzen Welt Frieden und Heil. Beschütze deine Kirche auf ihrem Weg …, deinen Diener, unseren Papst Johannes Paul, unseren Bischof und die Gemeinschaft der Bischöfe, unsere Priester und Diakone“ – Kannst du dazu amen sagen? Und das Gebet für die Verstorbenen, kannst du dich der Fürbitte für sie anschließen? Wer dieses Amen sagen kann teilt im Wesentlichen den Glauben, aus dem heraus wir dann auch die Kommunion empfangen. Dann wäre das Amen zum Leib Christi auch von einem evangelischen Christen ein ehrliches, ein wahrhaftiges.

Dann bleibt immer noch die Frage, was das für die Kirchengemeinschaft bedeutet. Wer das bekennt, wer dazu amen sagt, wie steht er dann zur Kirchengemeinschaft mit der Katholischen Kirche? Ich habe aufgrund dessen eine Bitte an unsere evangelischen Christen formuliert, auch mit der Kirchenleitung besprochen. Wenn wir ehrlich und wahrhaftig miteinander umgehen wollen, auch in diesen schwierigen Fragen, dann müssen wir unsere Gläubigen gegenseitig ermutigen, das zu tun, was die eigene Kirche lehrt und praktiziert, und nicht die Christen der anderen Gemeinschaft auffordern, ihre Kirchengemeinschaft zu brechen. Das heißt für uns Katholiken, ich sage das immer wieder: Die Orthodoxen erlauben uns nicht, bei ihnen zur Kommunion zu gehen. Dann tut es auch nicht, obwohl es von uns aus gesehen grundsätzlich möglich wäre! Meine Bitte an die evangelischen Christen: Fordert uns nicht auf, unsere Kirchenregeln zu brechen, auch wenn ihr nicht versteht, warum unsere Kirchenregeln so sind! Ich denke in dieser Haltung der gegenseitigen Ehrfurcht, des gegenseitigen Respekts, in der Ankerkennung dieser Grenzen können wir einander sehr, sehr nahe sein, denn diese Grenzen verbinden uns. Gemeinsam ist uns Christus, und was ist wichtiger und größer als die Gemeinsamkeit in Christus.

 

 



 

 

.
Startseite - www.kirchenweb.at/schoenborn/
.