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Katechesen
2003/2004
8. Jahresreihe - 8. Katechese, 2004-05-09
"Wer von diesem Brote
isst . . ." Kommunion und Heilige |
O heiliges Gastmahl, in dem
Christus unsere Speise ist, Gedächtnis seines Leidens, Fülle der Gnade,
Unterpfand der künftigen Herrlichkeit (Antiphon zum Magnificat der 2. Vesper
von Fronleichnam; KKK 1402).
In der heutigen Katechese kommen wir zum dritten und letzten
Teil der Heiligen Messe, zur Kommunion. Wer in die Praxis des Gottesdienstes
ein wenig eingeübt ist, kennt die Worte, die vor der Kommunion gesprochen
werden: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber
sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Das ist ein Wort, das aus
dem Evangelium genommen ist: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass du in mein
Haus eintrittst“, unter mein Dach eingehst. – Für heutige junge Menschen ist
das Wort eingehen etwas fremd geworden. „Dass du eingehst unter mein Dach“,
ist die alte Bibelübersetzung. Der römische Hauptmann kommt wegen seines
Knechtes zu Jesus und sagt, er möge ihn heilen. Aber da er ein Heide ist, ein
Römer, und weiß, dass ein gläubiger Jude nicht in das Haus eines Ungläubigen
kommen darf, sagt er dieses so berührende Wort: „Herr, ich bin nicht würdig,
dass du in mein Haus kommst, aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Knecht
gesund“ (Mt 8,8). Seit vielen Jahrhunderten wird dieses Wort als Gebet vor der
Kommunion gesprochen. Wir identifizieren uns mit diesem römischen Hauptmann
und bekennen, dass wir unwürdig sind, dass der Herr zu uns, in unser Haus, in
unser Leben kommt.
Es geht heute um die Kommunion, nicht in einem Lehrvortrag,
sondern in einer Katechese. Zur Katechese gehört auch Lehre, aber wörtlich
sagt das Wort Katechese, dass es ein „Echo von oben“ sein soll, sozusagen ein
Echo auf die Lehre, ein Staunen über das, was wir hören und tun, über das
Große, was in der Kommunion geschieht, also nicht einfach nur Lehre, sondern
Besinnung, vielleicht sogar Erschütterung über das Große, das in der Kommunion
geschieht, auch wenn wir so oft nicht oder zu wenig daran denken.
Ich möchte in drei Schritten vorgehen nach der Ordnung der
Liturgie, beginnen mit der Vorbereitung auf die Kommunion, dann den Empfang,
schließlich sozusagen den Nachklang, was aus ihr wird, wenn wir sie empfangen,
wenn wir sie recht empfangen. Ich möchte auch nicht den schwierigen,
strittigen Fragen ausweichen, die mit dem Kommunionempfang verbunden sind: Wer
darf unter welchen Bedingungen und Umständen die Kommunion empfangen und wer
nicht? Ich denke, hier gibt es vor allem drei schwierige Punkte, die wir nicht
vermeiden dürfen, wenn wir von der Kommunion sprechen. Die erste Frage wird
vielleicht zuwenig oft ausdrücklich gestellt: Wie ist meine persönliche
Verfassung? „O Herr, ich bin nicht würdig“ – was heißt das, das wir jedes Mal
vor dem Empfang der Kommunion sagen? Ist das eine Formel, eine Floskel? Was
bedeutet das für das Hinzutreten oder vielleicht auch Nichthinzutreten zur
Kommunion? Das zweite, häufig zu hörende, schwierige Thema, immer wieder wie
eine Wunde aufbrechend, ist die Frage des Sakramentenempfangs für
Wiederverheiratete Geschiedene, eine Gruppe von Menschen, die in unserer Zeit
sehr zahlreich ist und deren Situation in der Kirche und speziell beim
Sakramentenempfang äußerst schwierig und schmerzlich ist. Schließlich die
dritte, ebenfalls sehr umstrittene Frage: Wie steht es mit der eucharistischen
Gemeinschaft über die Grenzen der Konfessionen hinweg, die so genannte
Interkommunion zwischen Katholiken und Protestanten oder auch mit den anderen
christlichen Kirchen und Konfessionen? Also durchaus schwierige und
kontroverse Fragen.
I.
Beginnen wir mit der Vorbereitung. Auf alle wichtigen Momente im Leben
bereiten wir uns vor. Es kann auch geschehen, dass wir unvermittelt,
unvorbereitet in eine ganz wichtige und lebensverändernde, entscheidende
Situation hineingeworfen werden. Aber normalerweise, wenn wir auf etwas Großes
zugehen, bereiten wir uns darauf vor. Diese Vorbereitung geschieht in zwei
Phasen, die unmittelbare Vorbereitung, die manchmal hektisch sein kann, vor
allem dann, wenn sie nicht durch eine langfristige Vorbereitung begleitet
wurde. Ein ganz einfaches Beispiel: Wir erwarten einen hohen Gast. Was tut
man? Die unmittelbare Vorbereitung ist klar. Das Haus wird geputzt, alles
vorbereitet, man versucht, Ordnung zu machen, wo der Blick des hohen Gastes
hinfallen könnte, und versteckt die Unordnung dort, wo er wahrscheinlich nicht
hinschauen wird. Man zieht sich besser an, man sammelt sich, man bereitet sich
vor: Was werde ich sagen? Was werden wir zu reden versuchen? Innere und äußere
Vorbereitung. Aber in solchen Momenten zeigt sich natürlich auch, ob es eine
langfristige Vorbereitung gibt. Das hat mit dem Lebensstil, mit
Grundeinstellungen, mit Erziehung, mit der eigenen Arbeit an sich selber durch
Jahre, Jahrzehnte vielleicht zu tun. Das ist auch Vorbereitung für einen
wichtigen, großen Moment im Leben, die dann tragend wird, wenn dieser Moment
kommt.
Es gibt eine zielgerichtete und eine allgemeine Vorbereitung.
Erziehung ist eine allgemeine Lebensvorbereitung. Die Arbeit an sich selbst
ist Vorbereitung im weiteren Sinn. Dann gibt es die zielgerichtete
Vorbereitung auf ein Ereignis, so wie jetzt auf den großen Mitteleuropäischen
Katholikentag bzw. die Wallfahrt der Völker, die diesen Katholikentag, der ja
schon ein ganzes Jahr lang dauert, abschließen wird. Intensive Bündelung aller
Kräfte auf ein großes Ereignis hin, das es unter allen Facetten vorzubereiten
gilt, damit es dann auch gelingen kann – Vorbereitung auf ein Ziel hin.
Wie steht es mit der Vorbereitung auf die Kommunion? Ich
denke, in der Art und Weise, wie wir uns auf die Kommunion vorbereiten, kommt
auch sehr stark zum Ausdruck, wie wir die Kommunion verstehen, was sie für uns
bedeutet. Wenn wir darüber nachdenken, wen wir in der Kommunion empfangen, wer
da kommt, dann wäre der Wunsch nach Vorbereitung entsprechend groß. Aber die
Erfahrung zeigt, dass die Routine, die Gewohnheit diese Vorbereitung
abschleift, dass wir sie leicht vernachlässigen. Es gibt freilich auch durch
eine langjährige Praxis – ein immer wiederholtes Tun und das immer wiederholte
Bemühen, es bewusst zu tun – so etwas wie eine Grundverfassung, eine
Grundstimmung, möchte ich fast sagen, auf dieses Ereignis hin, so etwas wie
eine Hintergrundmusik, die uns ständig begleitet. Ich weiß, am nächsten
Sonntag, vielleicht sogar am nächsten Tag werde ich wieder zur Kommunion
gehen. Das schwingt bewusst oder unbewusst in meinem Alltag mit. Der ganze Tag
ist dann ein Hinleben auf diesen Moment oder ein Nachklingen von diesem
Moment. Das gibt es, Gott sei Dank, auch. Das ist dann nicht einfach Routine,
sondern so etwas wie eine Grundgestimmtheit, wie wenn das Instrument unseres
Lebens auf diesen großen Moment hin gut gestimmt wäre.
Es gibt Hilfen zur Vorbereitung, bewusster auf diesen großen Moment der
Kommunion zuzugehen. Sie können uns helfen, ich weiß nicht, wie weit das
Nüchternheitsgebot vor dem Kommunionempfang heute noch in dem Bewusstsein der
Christen, Katholiken lebendig ist. Die Älteren unter uns erinnern sich sehr
gut, dass man früher ab Mitternacht nüchtern sein musste. Auch das
versehentlich gegessene Zuckerl wurde dann zum Problem für den
Kommunionempfang am Sonntagvormittag. Von Pius XII. (†1958) und dann mit der
Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils wurde hier durchaus in guter
Absicht eine Erleichterung geschaffen, zuerst waren es drei Stunden, dann hat
man sie schließlich – so steht es jetzt im Kirchenrecht, im Codex Iuris
Canonici 1983 (can. 919 §1) – auf eine Stunde zurückgenommen. Natürlich kann
man sagen, es gibt keinen wirklich zwingenden Grund für so ein
Nüchternheitsgebot. Das Entscheidende ist nicht, ob ich jetzt gegessen habe
oder nicht. Christus hat uns frei gemacht, wir hängen nicht von
Speisevorschriften ab. Aber es ist eine Hilfe, ein „Erinnerer“, wie manche auf
ihrem Handy eine Erinnerungsfunktion eingespeichert haben. Wenn es Zeit ist,
dann piepst das Handy. Das Nüchternheitsgebot ist ein Erinnerer daran, dass
wir nicht unbesonnen, unvorbereitet zur Kommunion gehen. Ich denke, eine
Stunde ist hier psychologisch fast zu wenig. Das ist gerade die Zeit, die man
braucht, um zum Gottesdienst zu gehen und dann eben eine Stunde vor der
Kommunion nichts gegessen und höchstens Wasser getrunken zu haben, das ist
erlaubt. Im Kirchenrecht heißt es, man soll „sich aller Speisen und Getränke
mit alleiniger Ausnahme von Wasser und Arzneien zu enthalten.“ Ich denke doch,
dass wir hier eine ganz einfache Stütze vernachlässigt haben. Wir brauchen
leibliche Zeichen. Wir sind Menschen aus Leib und Seele. Wenn die Seele wach
sein soll, braucht sie leibliche Zeichen dafür.
Ich erlaube mir eine gar nicht dogmatisch sondern praktisch
gemeinte Bemerkung. Auch die Fleischabstinenz am Freitag ist nicht unbedingt
notwendig. Das stimmt. Es ist früher manche Heuchelei damit getrieben worden,
wenn man am Freitag teuren Fisch statt nicht so teurem Fleisch gegessen hat.
Aber die Tatsache, dass alle Katholiken daran erinnert wurden, dass sie kein
Fleisch essen sollen, das hat zumindest dazu geholfen, sich zu erinnern: Heute
ist Freitag und an diesem Tag gedenken wir des Todes Jesu und damit unserer
Erlösung. Natürlich hat uns Christus frei gemacht von solchen Regeln. Sie sind
nicht heilsnotwendig, aber sie sind eine Hilfe.
Vorbereitung auf die Kommunion – was tun wir, wenn wir am
Sonntag zum Gottesdienst kommen, um uns vorzubereiten? Dieses Geschehen ist
eigentlich unfassbare: Wir glauben daran, dass das wirklich Christus ist, der
in der Kommunion zu mir kommt? Unmittelbare Vorbereitung. Die ganze Messe ist
eine große Vorbereitung auf die Kommunion. Das beginnt mit dem
Schuldbekenntnis, mit dem Hören auf das, was Jesus uns als Lebensweisung sagt.
Das geht weiter mit dem Gedächtnis der Heilstaten Gottes, was Gott in der
Geschichte für sein Volk getan hat, bis hin zur Sendung Jesu, seinem Tod und
seiner Auferstehung, die dann im Geschehen der Messe gegenwärtig werden:
„Nehmt und esst, das ist mein Leib!“ So werden wir im großen Geheimnis des
Glaubens, der Wandlung auf dieses Nehmen und Essen vorbereitet.
Die ganze Messe ist eine Vorbereitung auf die Kommunion. Da
heißt es zum Beispiel im dritten Hochgebet, das man am häufigsten am Sonntag
hört und mitbetet: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes, und
erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden
in Christus.“ Wir bitten, dass der Heilige Geist uns hilft, die Kommunion
richtig zu empfangen, dass etwas Fruchtbares daraus wird. Im zweiten Hochgebet
heißt es schlicht: „Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und lass uns
eins werden durch den Heiligen Geist.“ Besonders eindrucksvoll aber auch sehr
urtümlich, fast möchte ich sagen archaisch ist die Sprache im ersten
Hochgebet, im so genannten römischen Kanon. Dort heißt es im dritten Gebet
nach der Wandlung: „Wir bitten dich, allmächtiger Gott, dein heiliger Engel
trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine göttliche
Herrlichkeit. Und wenn wir durch unsere Teilnahme am Altar“ – deinem
himmlischen Altar – „den heiligen Leib und das Blut deines Sohnes empfangen,
erfülle uns mit aller Gnade und allem Segen des Himmels.“ Die ganze Messe ist
Vorbereitung auf die Kommunion: „Nehmt und esst!“ „Nehmt und trinkt!“
Warum beginnt der Teil der unmittelbarsten Vorbereitung auf
die Kommunion mit dem Vaterunser? Die Antwort ist klar und eindeutig. Die
ganze Tradition hat das immer so gesehen: Die Brotbitte im Vaterunser ist auch
die Bitte um die Kommunion. „Unser tägliches Brot gib uns heute“ ist auch die
Bitte um den Leib des Herrn. Aber es wird immer auch daran erinnert:
Vorbereitung auf die Kommunion ist auch die Bitte um Vergebung: „Vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Hier wird bewusst:
Die Bereitschaft zu vergeben, ist die Voraussetzung für einen guten Empfang
der Kommunion.“ – Vorbereitung auf die Kommunion.
Ich habe ein Wort des hl. Augustinus mitgebracht, der in
seiner mitreißenden Sprache – man müsste es fast lateinisch zitieren –
wunderbar sagt, warum wir das Vaterunser beten, bevor wir den Leib des Herrn
empfangen: „Warum wird es gesprochen, bevor man Leib und Blut Christi
empfängt? Aus folgendem Grund: Wenn, wie es menschliche Gebrechlichkeit mit
sich bringt, etwa unser Denken Ungehöriges auffasst, wenn unsere Zunge etwas
Unrechtes herausredet, wenn unser Auge sich auf Unziemliches richtet, wenn
unser Ohr etwas Unnötiges wohlgefällig angehört hat … dann wird es getilgt
durch das Gebet des Herrn an der Stelle: Vergib uns unsere Schuld, damit wir
beruhigt hinzutreten und wir nicht das, was wir empfangen, uns zum Gericht
essen und trinken“ (Sermo Denis 6; J.A. Jungmann, Missarum Sollemnia II,351).
Ein anderes Mal sagt Augustinus ganz im Sinne der Vorbereitung: Das Vaterunser
ist wie das Waschen des Gesichtes, bevor man zum Altar hinzutritt, damit man
mit frischem, gewaschenem Gesicht zu Christus kommt (vgl. Sermo 17,5,5 [PL
38,127]; ebd.).
Der Vorbereitung dienen auch die weiteren Gebete. Sie sind den meisten von
Ihnen vertraut: „Erlöse uns, Herr, … von allem Bösen ... damit wir voll
Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“ Das meint
natürlich sein künftiges Kommen in Herrlichkeit. Das meint sein Kommen in
unserer Todesstunde, das meint aber auch sein Kommen jetzt, in der
Eucharistie.
Im nächsten Gebet heißt es: „Schau nicht auf unsere Sünden,
sondern auf den Glauben deiner Kirche.“ Auch hier: Vorbereitung, Zubereitung,
Zurüstung für die Kommunion. Und schließlich der Friedensgruß: „Gebt einander
ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung“, sagt der Diakon in der Liturgie.
Die Instruktion aus Rom, die jetzt einigen Wirbel verursacht hat, hat gemeint,
man solle den Friedensgruß so geben, dass nicht ein hemmungsloses Chaos in der
Kirche ausbricht. Ich denke, da ist schon etwas Richtiges daran, den
Friedensgruß den Nachbarn zu geben, aber nicht „aufgescheucht“ durcheinander
zu laufen (Instr. Redemptionis Sacramentum Nr. 72).
Ganz unmittelbar die Vorbereitung: das Agnus Dei während des
Brechens des Brotes und des Mischens von Brot und Wein, Leib und Blut Christi.
Wer ein wenig in die große Musiktradition hineingehört hat weiß, wie wunderbar
gerade die Wiener Klassiker oft das Agnus Dei komponiert haben. Man spürt die
Innigkeit der Vorbereitung und Zurüstung auf den Empfang des Leibes Christi.
Schließlich das Tor zum Geheimnis: „Seht das Lamm Gottes, das
hinweg nimmt die Sünde der Welt!“ Auf diesen Zuruf des Priesters folgt das
Wort des römischen Hauptmanns: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst
unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund.“ Es
ist interessant, wenn man bei den Liturgikern ein wenig nachliest, wie die
Tradition des christlichen Ostens, die oft viel ausführlicher in ihren
liturgischen Texten ist, dieses Wort ausgeschmückt hat. Ich lese ein Gebet
vor, dass in der Ostkirche zur Vorbereitung auf die Kommunion gebetet wird:
„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter das unreine Dach meiner
Seele; aber wie du es dir in der Höhle gefallen ließest, in einer Krippe für
vernunftlose Tiere zu liegen, und wie du im Hause Simons des Aussätzigen die
Sünderin aufnahmst, die dir nahte und die gleich mir befleckt war, so komm
auch in die Krippe meiner so unvernünftigen Seele und betritt meinen
beschmutzten Leib, diesen Leib des Todes und voll Aussatz. Und wie du den
unreinen Mund der Sünderin, die deine makellosen Füße küsste nicht verschmäht
hast, so verschmähe auch, mein Herr und Gott, mich armen Sünder nicht, sondern
in deiner Güte und Menschenfreundlichkeit mache mich würdig, teilzuhaben an
deinem hochheiligen Leib und Blut“ (Jungmann II, 443, FN 46). Sehr anschaulich
und bewegend ist dieses Gebet des christlichen Ostens zur Vorbereitung auf die
Kommunion. Heute noch beten in der Ostkirche alle gemeinsam – das können alle
Leute auswendig, wenn sie in die russische oder griechische Kirche gehen – vor
der Kommunion das wunderschöne Gebet: „An deinem mystischen Mahl lass mich
heute teilhaben, Sohn Gottes. Nicht werde ich das Geheimnis deinen Feinden
verraten, noch dir einen Kuss geben wie Judas, sondern wie der Schächer rufe
ich dir zu: Gedenke meiner, Herr, in deinem Reiche!“ (KKK 1386).
II.
Kommen wir zur Kommunion selber. Nur der Glaube kann uns sagen, was in der
heiligen Kommunion geschieht. Mit unserer Vernunft können wir es nicht fassen.
Aber wir können mit dem Herzen einstimmen. Ich beginne mit einer kleinen
Episode aus dem Leben einer großen Heiligen, Dominikanerin, der hl. Katharina
von Siena (†1380). Ihr Beichtvater, der spätere Ordensgeneral, der sel.
Raimund von Capua (†1399), der ihr Leben sehr genau beschrieben und sie sehr
genau gekannt hat, erzählt folgende Geschichte: Einmal, als Katharina sich zur
Kommunion vorbereitete und der Priester mit der erhobenen Hostie sagte: „Seht
das Lamm Gottes …“ und sie darauf antwortete, wie es üblich ist: „O Herr, ich
bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort,
so wird meine Seele gesund.“ Da hört sie plötzlich eine innere Stimme, und
Jesus sagt ihr: „Aber ich bin würdig, dass du in mich eingehst.“ – Du bist
unwürdig, dass ich in dich eingehe, aber ich bin würdig, dass du in mich
eingehst. – Und Raimund von Capua fügt hinzu: „Kaum hatte sie die Kommunion
empfangen, schien es ihr, als träte ihre Seele in den Herrn ein und der Herr
in sie, wie der Fisch ins Wasser eintaucht und das Wasser ihn ganz umgibt. Und
sie fühlte sich völlig in Gott absorbiert“ (Legenda major Buch II, c. IV, Nr.
192).
Wenn die Kommunion so eine innige, tiefe, das ganze Leben
erfassende Vereinigung mit Christus ist, wie es im Leben der Heiligen sichtbar
wird, wie können wir, ich würde fast sagen normale Sterbliche, die Kommunion
richtig leben? Wenn man die Geschichte der Kirche ein wenig durchsieht auf die
Frage: Wie hat die Kirche, wie haben die Gläubigen in verschiedenen Zeiten die
Kommunion gelebt?, dann sieht man ein eigenartiges Hin und Her zwischen zwei
Polen. Manchmal überwiegt der eine Pol, manchmal der andere. Der eine Pol ist
die einfache, ich möchte fast sagen kindliche Freude darüber, dass der Herr
Jesus Christus uns in der Brot- und Weingestalt so schlicht gegenwärtig ist.
Aus dieser Schlichtheit heraus entsteht die Neigung, der Wunsch, häufig zu
kommunizieren: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ So hat wahrscheinlich
auch in der frühen Kirche die häufige Kommunion überwogen. Oft sagen die
Kirchenväter ermutigende Worte zur täglichen Kommunion. Wir brauchen sie so
dringend, wie das tägliche Brot. Freilich besteht dann die Gefahr, dass das
Tägliche zum Alltäglichen wird, dass die Ehrfurcht schwindet, die Tiefe
verflacht, dass es Routine wird. Daher gibt es durch alle Jahrhunderte immer
wieder eine Gegenbewegung: Bedenke, was du da empfängst, wen du da empfängst!
Bist du überhaupt bereit dazu? Schon der Apostel Paulus musste seine geliebte
und schwierige Gemeinde von Korinth, diese frisch bekehrten Heiden, auch
ermahnen, die Kommunion, den Leib des Herrn nicht mit dem normalen Mahl zu
verwechseln. So sagt er ihnen sehr ernst, redet ihnen ins Gewissen in 1 Kor
11,26-34: „Sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet
ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (26). Wir kennen dieses Wort, wir sagen
es immer nach der Wandlung: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine
Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Dann sagt Paulus
weiter: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn
trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich
selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken.
Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn
ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt“ (27-29). Paulus
sieht das ganz konkret in seiner geliebten Korinther Gemeinde. Er sagt Ihnen:
„Deswegen sind unter euch viele schwach und krank, und nicht wenige sind schon
entschlafen“ (30), weil ihr den Leib des Herrn nicht unterscheidet von
normaler Speise. Er sagt weiter: „Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann
würden wir nicht gerichtet“ (31). – Prüft euch also, geht selbst mit euch ins
Gericht, dann entgeht ihr dem Gericht! – „Doch wenn wir jetzt vom Herrn
gerichtet werden, dann ist es eine Zurechtweisung, damit wir nicht zusammen
mit der Welt verdammt werden. Wenn ihr also zum Mahl zusammenkommt, meine
Brüder, wartet aufeinander!“ (32-33). Zuvor hat er darüber geklagt, dass die
einen zu viel zu essen haben und sogar schon betrunken sind, während die
anderen hungern. „Wer Hunger hat, soll zu Hause essen; sonst wird euch die
Zusammenkunft zum Gericht. Weitere Anordnungen werde ich treffen, wenn ich
komme“ (34). Leider wissen wir nicht, was er dann gesagt hat, als er wieder in
Korinth war. Er erinnert an den Ernst des Herrenmahles: Verwechselt es nicht
mit normaler Speise! Vielleicht steht die Instruktion aus Rom, die jetzt
manche besorgt hat – sie ist auch im Ton etwas harsch, aber Paulus ist auch
nicht sehr sanft im Ton – in dieser langen Geschichte: Einerseits sollen wir
häufig die Kommunion empfangen, ja es ist sinnvoll: „Nehmet und esset!“ – bei
jeder Eucharistie, wenn irgendwie möglich. Aber anderseits sollen wir so
leben, dass wir täglich den Leib des Herrn empfangen können. Die Frage der
Häufigkeit ist also die Frage nach der Verfassung unseres Lebens: Sind wir
vorbereitet? Sind wir zugerüstet? Passt unser Leben und unsere Kommunion
zusammen? Passt der Empfang des Leibes Christi zu meinem Leben?
Nun wendet man natürlich gleich ein: Aber die Kommunion ist
doch Heilmittel, Arznei. Jesus hat gesagt: „Nicht die Gesunden brauchen den
Arzt, sondern die Kranken“ (Mt 9,12par). Brauchen nicht gerade wir Sünder den
Leib des Herrn? Das stimmt natürlich. Aber wir brauchen ihn zur Heilung. Das
heißt, zuerst müssen wir unsere Sünden erkennen und bekennen, um dann in
rechter Weise zum Herrn hinzutreten zu können. Wenn wir unsere Wunden dem Arzt
nicht zeigen, kann er sie auch nicht heilen.
Wir erleben heute eine schöne aber auch schwierige Phase des
Kommunionempfangs. Ich erinnere mich an meine Zeit als junger Priester im
Weinviertel. Da haben die älteren Leute nie kommuniziert, ohne vorher zu
beichten. Das war feste Tradition. Dementsprechend war die Kommunion auch
selten. Das war sicher noch ein Rest einer Praxis, die schon der hl. Papst
Pius X. (†1914) zu Beginn des 20. Jahrhunderts verändert hat. Er wollte die
Tür der Kommunion möglichst weit, möglichst früh öffnen. Das II. Vatikanische
Konzil hat das noch einmal verstärkt und vertieft. Aber heute erleben wir die
Gefahr der Banalisierung. Es wird so zur Routine, so selbstverständlich zur
Kommunion zu gehen, dass die Frage berechtigt ist: Unterscheiden wir den Leib
des Herrn? Sind wir genügend vorbereitet? Ich gestehe, dass ich selber als
Zelebrant vieler Gottesdienste, wenn fast alle zur Kommunion in der Kirche
aufstehen, mir immer wieder die Frage stelle: Sind wir vorbereitet? Einerseits
freue ich mich, dass so viele kommen, anderseits sorge ich mich, ist das nicht
automatisch geworden? Wie lebendig ist der Glaube an den wahren Leib Christi,
den wir empfangen? Manche meinen, die Handkommunion sei schuld. Sie habe die
Ehrfurcht zu sehr verletzt. Ich glaube, die Handkommunion kann sehr
ehrfürchtig sein. Beim Spenden der Kommunion erlebt man sehr genau, ob die
Kommunion in der Hand ehrfürchtig empfangen wird. Übrigens glaube ich, es
geschehen mehr Sünden durch die Zunge als durch die Hand. Die Zunge ist ein
Instrument, das sehr viel Böses anrichtet. Wenn der Herr sich nicht scheut,
auf meine sündige Zunge zu kommen, dann wird er sich sicher auch nicht
scheuen, auf meine Hand zu kommen. Es ist eine Frage der Haltung, der
Ehrfurcht. Es beeindruckt mich immer wieder, wie die Orthodoxen Christen die
Kommunion empfangen. Sie wird immer unter beiderlei Gestalt, durch Eintauchen
des Leibes Christi in das Blut Christi, gemeinsam Leib und Blut Christi in den
Mund empfangen. Diese ehrfürchtige Haltung – mit Handkommunion oder
Mundkommunion – ist Ausdruck des Glaubens. Liegt es nicht auch daran, dass wir
uns zu wenig bewusst sind, was es heißt, am Sonntag den Leib des Herrn
empfangen zu haben? Ich erinnere mich an meine russischen Freunde, mit denen
ich oft in der Schweiz, wo sie leben, zusammen war. Wenn diese Familie oder
ein Kind der Familie zur Kommunion ging, war das ein Ereignis. Man hat sich
vorbereitet, besonders schön angezogen, selbstverständlich ging man zur
Beichte, nach der orthodoxen Art die Beichte zu empfangen. Es war ein großer
Festtag. Nachher wurde zu Hause besonders gefeiert, weil ein Kind oder die
ganze Familie Christus empfangen hatte.
Was sollen wir tun? Ich denke, Christus selber hat uns
wichtige Hinweise gegeben. Ich nenne nur zwei: „Wenn du deine Opfergabe zum
Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat,
so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit
deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe“ (Mt 5,23-24). Soll ich
wirklich zur Kommunion gehen, wenn ich unversöhnt im Herzen bin, wenn ein
akuter Streit, vielleicht sogar Hass da ist? Haben wir diesen Reflex des
Evangeliums, in einem solchen Zustand vor der Kommunion zurückzuschrecken?
Ein zweiter Hinweis findet sich im Gleichnis vom königlichen
Hochzeitsmahl. Es erinnert natürlich auch an die Kommunion, an das
Hochzeitsmahl des Lammes. Da ist die Rede von einem Mann, der kein
hochzeitliches Gewand trägt. Der König fragt ihn: „Mein Freund, wie konntest
du ohne hochzeitliches Gewand erscheinen?“ Darauf wusste der Mann nichts zu
sagen. Was dann kommt, ist nicht sehr tolerant oder so, wie wir es eigentlich
heute erwarten. Es heißt: Darauf ließ ihm der König „Hände und Füße binden“
und ihn hinauswerfen „in die äußerste Finsternis“ (Mt 22,11-13). Das ist eine
Warnung, die Jesus sagt: Wie bist du vorbereitet?
Nun kann das dazu führen, dass wir sagen: Ich bin nie
vorbereitet. Tatsächlich wird es immer gelten: „Herr ich bin nicht würdig.“
Aber besteht die Vorbereitung nicht darin, dass ich mich erinnere, wer zu mir
kommt, dass ich deshalb umkehre zu ihm, dass ich um seine Hilfe bitte, dass
ich mich freue über seine Barmherzigkeit? Das ist Vorbereitung, damit er in
meine armselige Hütte kommen kann.
III.
Wenn es in der Kommunion wirklich um die Barmherzigkeit Jesu geht – er macht
mich würdig, ich bin nicht würdig – warum gibt es dann Grenzen? Warum gibt es
Kommunionausschlüsse? Ist das nicht eindeutig gegen das, was Jesus selber
gemacht hat? Wir werden etwas mehr Zeit dafür brauchen und ich möchte das
deshalb in der nächsten Katechese ausführlich und ausdrücklich thematisieren,
etwa die Frage, wie wir mit dieser so schmerzlichen Situation von
Wiederverheirateten Geschiedenen umgehen. Wie gehen wir mit der schmerzlichen
Grenze der christlichen Konfessionen um? Heute möchte ich zum Abschluss noch
eines in Erinnerung rufen. Die Liebe Christi ist ohne Grenzen. Kein Mensch ist
von dieser Liebe ausgeschlossen. Er grenzt niemanden aus. Aber es gibt Grenzen
für die Kommunion. Eine unumgängliche Grenze ist: Das Abendmahl, die
Eucharistie ist für Getaufte. Manchmal erlebe ich hier im Dom oder anderswo,
dass Touristen zur Kommunionbank nach vorne kommen, offensichtlich nicht genau
wissend, was da geschieht. Dann frage ich ganz einfach: Sind sie getauft? Wenn
es nein ist, dann gebe ich die Hand oder mache eine kleine Segensgeste und
wünsche dieser Person Gottes Segen. Es ist nicht eine Lieblosigkeit, wenn ich
ihr nicht die Kommunion gebe. Die Kommunion ist für Getaufte. Sie ist das Mahl
derer, die durch die Taufe Jünger Jesu geworden sind. Das heißt natürlich
nicht, dass Jesus nur für die Getauften gelebt hat und gestorben ist, nur für
sie da war und ist. Jesus hat den Aposteln den Auftrag gegeben: „Geht in alle
Welt, macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Tauft sie im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). So entsteht die Familie Jesu.
Die Liebe kennt keine Grenzen. Vergangene Woche war ein
Bischof aus Burkina Faso (Afrika), der zusammen mit der Christoffel-Mission
für die Blinden Großartiges leistet, bei mir. Selbstverständlich fragt er
nicht nach dem Taufschein, wenn Blinde, Sehbehinderte zu ihnen kommen. Jeder
ist willkommen. Jedem will geholfen werden, denn die Liebe kennt keine
Grenzen. Aber das Mahl des Herrn ist das Mahl für die Getauften. Was das
heißt, warum es diese Grenze gibt, darüber können Sie bei der letzten
Katechese dieses Arbeitsjahres hören.
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