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Katechesen
2002/2003
7. Jahresreihe - 8. Katechese,
"Öffnet
die Türen für Christus"
Johannes Paul II. und die Mission |
"Öffnet
die Türen für Christus" - Johannes Paul II. und die Mission
Lasset uns beten! Herr Jesus Christus, du hast deine Apostel
gesandt, das Evangelium allen Völkern zu bringen. So kam es zu uns, und mit
ihm kam der Auftrag, dass auch wir weitergeben, was wir empfangen haben. Wir
bitten dich um deinen Heiligen Geist, damit wir was wir im Glauben empfangen
haben auch im Glauben weitergeben. Amen.
I.
Am 22. Oktober 2003 wird es 25 Jahre her sein, dass Papst Johannes Paul II.
sein Amt als Bischof von Rom, als Nachfolger des Apostels Petrus begonnen hat.
Der 22. Oktober 1978 war in diesem Jahr der „Weltmissionssonntag“ – Zufall
oder himmlische Regie? Der Papst hat darin die himmlische Regie gesehen. Er
hat gleich zu Beginn seines Pontifikats, an diesem 22. Oktober 1978, folgendes
gesagt: „Gerade heute feiert die gesamte Kirche den Weltmissionssonntag. Sie
betet, betrachtet, handelt, damit Christi Worte des Lebens alle Menschen
erreichen und sie von ihnen aufgenommen werden als Botschaft der Hoffnung, des
Heils, der totalen Befreiung“ (Wort und Weisung, 1978, 77). Rein von außen
gesehen hat der Papst dieses Programm unglaublich erfüllt, wenn wir in die
Tiefe blicken noch mehr. Rein äußerlich gesehen: Zur Zeit befindet sich der
Papst mit seinen bald 83 Jahren auf seiner 99. Auslandsreise in Spanien, zum
Pfingstfest will er seine 100. Auslandsreise nach Kroatien unternehmen. Dann
folgt am 22. Juni die 101. Auslandsreise nach Banja Luka in Bosnien, wo er
übrigens eine ganz wunderbare Gestalt, einen wahren christlichen Europäer
selig sprechen wird. Dr. Ivan Merz, hieß der junge Mann, 1928 32jährig
gestorben, eine jüdische ungarische Mutter, ein tschechischer Vater, in Banja
Luka geboren, in Wien studiert und dann in Paris, an der Sorbonne sein
Doktorat gemacht, hat er in Kroatien, vor allem in Zagreb, die Katholische
Jugend aufgebaut, starb mit 32 Jahren, durchaus vergleichbar der so
faszinierenden Gestalt des sel. P. Giorgio Frasati oder des sel. Frédéric
Ozanam. Das wird am 22. Juni sein. – Ich denke, das sei nebenbei gesagt aber
gar nicht nebensächlich, wir sollten uns diese Gestalt des Ivan Merz näher
ansehen, der in Wien, hier an unserer Universität studiert hat und der so eine
überaus leuchtende Gestalt, ein wirklicher Europäer und ein wirklicher,
vorbildlicher junger Christ war. – Im übrigen will der Heilige Vater dann im
Sommer, im August in die Mongolei reisen. Im September will er in die
Slowakei, ganz in unsere Nachbarschaft, kommen. Er ist unermüdlich.
Übrigens hat der Papst immer wieder begründet, warum er das
macht. Manche meine, das sei einfach Reiselust. Wenn man ihn heute bei seinen
Reisen sieht, ist es sicher nicht mehr einfach Reiselust. Es macht ihm aber
Freude in einem tieferen Sinn. Es ist eine ganz offensichtliche tiefe
geistliche Freude für ihn, bei allen Strapazen, die es bedeutet, das auf sich
zu nehmen. Ich lese Ihnen ein Text aus dem Jahr 1981 vor, aus seinem dritten
Papstjahr, wo er schon einige Reisen hinter sich hatte, viel weniger als
heute, wo er sehr genau definiert, was für ihn Mission ist und warum diese
Reisen in seinem Missionskonzept so eine wichtige Rolle spielen. Er sagte
damals, am Weltmissionssonntag 1981: „Es ist die Aufgabe des Papstes, alle
seine Brüder und Schwestern in Christus an diese missionarische Verpflichtung
zu erinnern. Als oberster Hirte einer insgesamt missionarischen Kirche muss er
selbst der erste Missionar sein, muss sich bemühen, das Beispiel Christi, des
‚ersten und größten Künders des Evangeliums’ (Evangelii nuntiandi 7)
nachzuahmen und sich der Führung des Heiligen Geistes, der ‚Hauptantriebskraft
der Evangelisation’ (ebd. 75) zu unterstellen.“ Klares Programm: Der Papst
muss in einer missionarischen Kirche der erste Missionar, der erste Künder des
Evangeliums sein unter der Leitung Christi und des Heiligen Geistes. Dann sagt
er: „Von Beginn meines Pontifikats an habe ich über die Worte des II.
Vatikanischen Konzils nachgedacht, das dem Nachfolger Petri ‚das hohe Amt, den
christlichen Namen auszubreiten, in besonderer Weise übertragen ist’ (Lumen
gentium 23; vgl. Evangelii nuntiandi 67). Dem Beispiel meines Vorgängers Paul
VI. folgend, habe ich mich auf Reisen begeben, um zahlreiche Länder zu
besuchen, darunter einige, in denen Christus kaum bekannt oder die
missionarische Verkündigung des Evangeliums noch nicht vollendet ist.“ –
Denken Sie an seine Reise nach Aserbaidschan 2002 oder seine Reise nach
Khartum im Sudan, mitten in islamisches Gebiet, oder nach Marokko, auf
Einladung des Königs, wo er vor 80.000 jungen Moslem gesprochen hat. – Er sagt
weiter: „Meine Reisen nach Lateinamerika, Afrika und Asien hatten ‚eine
eminent religiöse und missionarische Zielsetzung’. … Ich wollte selbst das
Evangelium verkünden und in gewisser Weise zum reisenden Katecheten werden.
Und ich wollte alle ermutigen, die im Dienst des Evangeliums stehen, ob sie
nun aus den betreffenden Ländern selbst kommen oder aus anderen, um sich in
den Dienst einer Ortskirche zu stellen. […] Der Kontakt mit den Massen von
Menschen, die Christus noch nicht kennen, hat mich noch mehr als zuvor von der
Dringlichkeit der Verkündigung des Evangeliums überzeugt. Die Welt braucht
Christus so sehr!“ (Botschaft zum Weltmissionssonntag 1981; Wort und Weisung,
1981, 567f.).
So möchte ich in dieser letzten Katechese vor der Stadtmission
mit der Betrachtung Johannes Pauls II. als Missionar abschließen, nachdem wir
Maria, die Apostel, Paulus und die kleine hl. Theresia als Missionare
betrachtet haben, alle in der Nachfolge des einen und ersten Missionars, den
der Vater gesandt hat, Jesus Christus. Ich möchte auch versuchen, ein wenig
das Geheimnis zu ergründen, warum die Wirksamkeit des Papstes, seine
Initiativen, seine Sicht der Evangelisierung offensichtlich eine solche
Strahlkraft haben und das bis heute unvermindert, unbeschadet des Alters, der
Gebrechlichkeit. Er ist zweifellos ein unvergleichlich missionarischer Papst.
Ich möchte die Katechese in zwei Teile einteilen. Im ersten Teil möchte ich
sieben Motive nennen, die den „ersten Verkünder des Evangeliums“, den
Missionar der Missionare bewegen, seine Pilgerreisen, Missionsreisen,
Evangelisierungsbemühungen zu unternehmen. Dann möchte ich in einem zweiten
Teil ein wenig hineinschauen in die große Missionsenzyklika, die er am 7.
Dezember 1990 veröffentlicht hat, Redemptoris missio – die Sendung des
Erlösers.
II.
Beginnen wir mit den Motiven. Was bewegt den Papst, diese unglaublichen,
unermüdlichen Initiativen der Mission, der Evangelisierung zu setzen? (Ich
gebrauche jetzt die Worte Mission und Evangelisierung ein bisschen
durcheinander, man müsste sie genauer unterscheiden, aber es fließt doch
beides ineinander über.)
1. Der Papst will die Ortskirchen stärken. Schon 1980 hat er
gesagt: „Diese Reisen sind Besuche bei den einzelnen Ortskirchen und dienen
dazu, den Platz aufzuzeigen, den diese im Gesamtraum der Kirche innehaben, und
die besondere Rolle zu unterstreichen, die diese Ortskirchen beim Aufbau der
Weltkirche, der Universalität der Kirche besitzen … jede Reise [ist] eine
echte Pilgerfahrt zum lebendigen Heiligtum des Volkes Gottes.“ Was heißt das
für uns, für die Stadtmission? Was heißt es, dass der Papst dreimal schon
Pilgerfahrten nach Österreich unternommen hat? Ich sehe die Stadtmission in
dieser Perspektive: Stärkung, Ermutigung der Ortskirche. Aber gleichzeitig,
wie der Papst sagt, macht es uns bewusster, dass wir auch in der Weltkirche
eine Rolle haben, dass man nie nur für seine Ortsgemeinde Christ ist, immer in
Verbindung mit der Weltkirche. Das wird sich sehr eindrucksvoll beim Kongress
zeigen, der am 23. Mai 2003 beginnt. Sogar aus Australien hat sich eine ganze
Delegation gemeldet, natürlich aus den drei europäischen Hauptstädten, die mit
in das Projekt eingebunden sind, Paris, Lissabon, Brüssel, die nach uns die
Stadtmission in ihren Städten machen wollen, aber auch aus unseren
Nachbarländern, aus Slowenien, Kroatien, Slowakei, Ungarn, überall haben sich
Teilnehmer gemeldet. Ortskirche – Weltkirche, das ist von Anfang an ein
Anliegen des Papstes. Seit 25 Jahren erleben wir das, wie er immer eine
Ortskirche durch seinen Besuch, durch seinen Dienst als Missionar, als
Verkündiger stärkt und sie gleichzeitig stärker einbindet in die große
Gemeinschaft der Weltkirche.
2. Er sagt, die Reisen geben ihm die Gelegenheit, eine Art
„Wanderkatechese“ zu unternehmen, „zur Verkündigung der Frohbotschaft in der
allseitigen Fortsetzung des Evangeliums und des apostolischen Lehramtes“ in
der heutigen globalisierten Welt – Wanderkatechet. Wenn man überlegt, wie
viele Katechesen er auf einer solchen Reise hält, dann gibt das ein
unglaubliches Werk der Verkündigung durch die vergangenen 25 Jahre. So sagt er
einmal: „Es sind Reisen der Liebe, des Friedens, der universalen
Brüderlichkeit … Es ist die apostolische Methode: Es ist die Methode des
Petrus und noch mehr die des Paulus“ (L’ Osservatore Romano dt. Ausgabe 1998,
Nr. 32-33, 10). Was heißt das für uns, Wanderkatechese? Ein wenig ist der
Gedanke der vier aufeinander folgenden Stadtmissionen ähnlich:
Wanderkatechese durch ein Europa, das das Evangelium neu
entdecken soll, seine alten Wurzeln neu finden soll, durch ein Europa, das
entgegen allen Aussagen, dass es heutzutage gar nicht mehr gehe, erstaunlich
offen ist für die neue Evangelisierung. Aber diese Wanderkatechesen des
Papstes sind nicht abgehoben. Sie haben sehr konkrete Verwurzelungen, sie sind
sozusagen „down to earth“, sie sind ganz am Boden.
Ich möchte vor allem drei Dimensionen nennen, die bei den
Papstreisen immer sehr stark zum Tragen kommen und die sein Verständnis von
Evangelisierung und Mission prägen. Seine Katechese, seine Evangelisierung ist
sehr politisch, sie ist stark orientiert an den Schwachen und Armen und sie
richtet sich besonders an die Jugend. Schauen wir diese drei Elemente ein
wenig an und auch, was sie für die Stadtmission bedeuten.
3. Papst Johannes Paul II. ist eminent politisch, aber nicht
im Sinne der Parteipolitik, die durchaus auch berechtigt ist. Es ist sicher
keine Rückkehr zu politischen Katholizismus, die ihm vorschwebt. Wohl aber ist
dieser Papst, den man als Bischof in Krakau von kommunistischer Seite für eher
harmlos gehalten hat, unpolitisch, philosophisch, ein bisschen mystisch,
gerade darin eminent politisch. Er hat gezeigt, dass das Evangelium eine
ungeheure Kraft der Hoffnung darstellt und dass diese Kraft der Hoffnung das
Antlitz eines Landes, ja eines ganzen Kontinentes verändern kann. Seine
politische Kraft ist sein Vertrauen in das christliche Menschenbild. Seine
politische Kraft ist letztlich seine tiefe, unerschütterliche Überzeugung,
dass Christus der Herr der Geschichte ist. Johannes Paul II. hat ein
unvergleichliches politisches Erdbeben ausgelöst, nicht durch Waffen, auch
nicht durch wirtschaftliche Macht, sondern einfach durch die Kraft der
Hoffnung, die er repräsentiert, die er lebt und die er vermittelt. Als er zum
ersten Mal in seine polnische Heimat fuhr im Juni 1979, diese neun Tage haben
die Weltgeschichte verändert. Die Kommunisten haben das sehr klar gespürt.
Breschnew hat vom polnischen Partei- und Regierungschef verlangt, dass man dem
Papst die Reise nach Polen nicht erlaubt. Es war nicht möglich, die
Kommunisten konnten sich nicht dagegen stellen. Einfach seine Präsenz, die
Ausstrahlung seines Glaubens, das Zeugnis seiner Hoffnung hat den Ostblock
zutiefst erschüttert. Diese Reise, die Tatsache, dass er er ist, dieser Mensch
mit dieser Glaubens- und Hoffnungskraft als Nachfolger Petri, als Vicarius
Christi, als Bischof von Rom, hat das Ende des Kommunismus eingeläutet, denn
die Menschen haben die Angst verloren. Er hat ihnen die Geschichte und die
Wurzeln ihrer Geschichte zurückgegeben. Sie haben ihre Würde wieder gefunden.
Das war eminent politisch, ohne Politik zu machen. Die Antwort darauf war der
13. Mai 1981, das Attentat und der Kriegszustand in Polen im Dezember des
selben Jahres 1981.
Was ist die politische Wirkung des Papstes, seine politische
Mission? Vor allem die Freiheit, die Wahrheit zu sagen, dieses tiefe,
unerschütterliche Vertrauen, dass die Wahrheit frei macht, ohne Hinsichten und
Rücksichten. Damit verbunden die Gewissheit, dass wir dem Gewissen folgen
müssen, die Freiheit, dem Gewissen zu folgen, die Freiheit, die Würde des
Menschen über alle anderen Erwägungen zu stellen. Diese Kraft des Glaubens,
diesen Mut zur Wahrheit, zum Hören auf das Gewissen, diese Unerschrockenheit
gegenüber den Anfeindungen um der Würde des Menschen willen hat dem Papst
durch 25 Jahre die Kraft gegeben, weltweit Widerstand zu leisten gegen das,
was er eine „Kultur des Todes“ nennt. So wurde der Papst weltweit zum Sprecher
der Menschenwürde und der Menschenrechte, eine unvergleichliche moralische
Autorität, sicher auch durch dieses Amt, das er inne hat, aber darüber hinaus
durch seine Unbestechlichkeit, seine Glaubwürdigkeit.
Wir wollen beim Missionskongress dieser Frage ein wenig weiter
nachgehen in vielen Arbeitskreisen und auch Grundsatzvorträgen, hier im
Stephansdom am Dienstag, 27. Mai, mit Erwägungen über die Frage „Evangelium
und Politik“, über die Kraft des Evangeliums im heutigen Europa, in der
heutigen Öffentlichkeit. Ich konnte Bundeskanzler Schüssel gewinnen, dass er
zu dieser Frage sprechen wird und Frau Prof. Gerl-Falkowitz, die bekannte
Philosophin aus Dresden. Eine Fülle von Arbeitskreisen werden sich damit
befassen.
4. Johannes Paul II. ist aber auch Missionar in der ganz
besonderen Weise, dass er Stimme der Armen, der Wehrlosen, der Unterdrückten
und Rechtlosen ist, Stimme der Schwachen. Ob das die Not der Landarbeiter in
Brasilien ist, die Untaten der Mafia in Sizilien, die Rechte der Solidarnosc
in Polen, ob es der stumme Schrei der Ungeborenen ist, immer war und ist er
Sprachrohr, Stimme der Sprachlosen. Überall auf der Welt drängen sich die
Armen um ihn, unvergleichlich. Sie spüren bei ihm, dass er aus der Kraft
seines Glaubens und seiner Liebe heraus mit leidet mit dem Leid der Armen, die
Not im Herzen mit trägt, dass er selber solidarisch ist mit ihnen. Das ist
besonders stark und ausdrücklich geworden in den letzten Jahren durch seine
Krankheit. Wie viele behinderte, kranke und alte Menschen in der ganzen Welt
sehen in ihm den großen Bruder, der für sie einsteht und für sie Vorbild ist.
Wir wollen bei der Stadtmission diesem Thema einen ganz besonderen Akzent
geben, der 26. Mai, Montag in der Missionswoche, soll dem Nächsten, besonders
den Armen und Notleidenden gewidmet sein. P. Georg Sporschil SJ wird
Hauptredner sein und Andrea Riccardi, der Gründer von S. Egidio, der großen
Gemeinschaft, die inzwischen weit über Rom hinaus bekannt ist.
5. Schließlich ist der Papst in ganz besonderer Weise Missionar für die
Jugend. Dass er schon in Polen als junger Priester und auch als sehr junger
Bischof mit der Jugend gut konnte, ist vielleicht nicht so verwunderlich, aber
dass er als 83jähriger immer noch diese unvergleichliche Anziehungskraft für
weltweit viele junge Menschen hat, das ist schon ein Geheimnis. Ich glaube,
das zeigt vor allem zweierlei, einerseits dass der Ruf Jesu an junge Menschen
genauso aktuell geblieben ist, wie er damals am Jordan war, als die ersten
zwei sich umgedreht haben von Johannes dem Täufer und Jesus nachgegangen sind,
die Faszination Jesu ist unvermindert groß auch heute. Anderseits stimmt es
einfach nicht, dass die Jugend unserer säkularisierten, verweltlichten vor
allem westlichen Welt vom Evangelium unerreichbar sei. Die Weltjugendtage
haben hier vielen Skeptikern zumindest große Fragen gestellt. Was geschieht
da? Es begann, wenn ich mich recht erinnere, 1980 im Parque de Princes in
Paris, dem größten Fußballstadion von Paris, erster Papstbesuch in Frankreich,
ein Stadion voll mit jungen Menschen, und es entstand etwas, was seither immer
wieder und immer wieder geschehen ist, ein unglaublicher Kontakt zwischen dem
Papst und diesen Tausenden, damals 80.000, jungen Menschen – die Überraschung:
Was ist da los? Etwas, was man in der Generation der kritischen 68er nicht für
möglich gehalten hat, dass junge Menschen heute so vom Evangelium, von einem
Zeugen des Evangeliums angesprochen werden können.
Die Weltjugendtage seither gehen von Überraschung zu
Überraschung: Tschenstochau hätte man noch als „Heimspiel“ für den Papst
bezeichnen können, da ist er zu Hause und in Polen jubeln ihm alle zu. Aber
dann Denver, Colorado, eine völlig westliche, säkularisierte Großstadt, im
Rückblick auf diesen Besuch in Denver 1993 sagte der Papst selber: „Es war
nicht das erste Mal, dass die Jugendlichen mit solchem Nachdruck ihren Wunsch
aussprachen, das Evangelium in das neue Jahrtausend hineinzutragen. Christus
ist der Weg, die Wahrheit und das Leben […]. Wie kann man da noch behaupten,
sie liebten Schlagworte wie: ‚Christus ja – Kirche nein’? Viele von ihnen
folgen vielmehr einem Weg gegen den Strom, was die antichristliche Propaganda
angeht. Das hat natürlich einige Kommunikationsmedien erstaunt und auch
verwirrt, die sich darauf vorbereitet hatten, einen großen Protest zu erleben.
Es war sogar eine Überraschung für den amerikanischen Episkopat, der
festgestellt hat, dass er bei seinem missionarischen Auftrag nicht alleine
steht, sondern vor allem auf das Mitmachen der Jugendlichen, der Baumeister
der Zukunft, zählen kann.“ (G. Weigel, Zeuge der Hoffnung 721-722). So sagte
der Papst 1993 im Rückblick auf die Erfahrung von Denver. 1997 war das
Weltjugendtreffen in Paris. Kardinal Lustiger, der Erzbischof von Paris, der
auch bei uns sein wird in der Woche des Kongresses, hat damals nach dem
Weltjugendtreffen in Paris den Interviewern im Fernsehen gesagt: Sie gehören
einer Generation an, „die 1968 ihren Glauben verloren habe und seither
sozusagen ständig mit ihren Eltern streite. Die jungen Menschen von heute,
fuhr Lustiger fort, seien ‚ohne Sinn’ aufgewachsen. Jetzt hätten sie Christus
entdeckt und wollten erforschen, was das wirklich bedeute.“ Er mahnte die
Interviewer, sie sollten nicht mit ihren Maßstäben messen. Die Jugendlichen
„seien der Auffassung, dass Christ sein und ein tätiger, intelligenter,
mitfühlender, engagierter Mensch zu sein, sich nicht gegenseitig
ausschließen.“ Christ sein und engagiert, intelligent, mitfühlend, solidarisch
sein schließt sich nicht gegenseitig aus. „In der Hauptstadt [in Paris] einer
besonders skeptischen und antiklerikalen Aufklärung wurde eine neue kulturelle
Aufklärung verkündet, die fähig war, die Grundlagen der freien Gesellschaft
wiederherzustellen“ (ebd. 840-841). So kam es schließlich zum
Weltjugendtreffen in Rom, im Heiligen Jahr 2000.
Was ist das Geheimnis dieses Erfolges? Das Charisma des
Papstes ist zweifellos groß. Aber entscheidend ist die Wurzel dieses
Charismas. Es kommt aus seiner bedingungslosen Liebe und Hingabe zu Christus.
Aus der lebt der Papst und sie ist der Hauptinhalt seiner Wanderkatechesen.
Ich darf Ihnen etwas zitieren aus dem, was der Papst in Rom damals den
Jugendlichen gesagt hat: „Christus allein kann die tiefsten Sehnsüchte des
menschlichen Herzens stillen. […] Ja, liebe Freunde, Christus hat uns gern,
und er liebt uns immer! Er liebt uns auch dann, wenn wir ihn enttäuschen, wenn
wir nicht dem entsprechen, was er von uns erwartet. Er umarmt uns immer in
seiner Barmherzigkeit. Müssen wir diesem Gott nicht dankbar sein, dass er uns
erlöst hat? […] Liebe Jugendliche! Ist es schwer, im Jahr 2000 zu glauben?“ So
fragt er und beantwortet es selber: „In der Tat: Es ist schwer. Das darf man
nicht verschweigen. Aber Christus, der die ganze conditio humana –
einschließlich Angst und Zweifel verwandelt hat, wartet auf euch. […] Es ist
Jesus, den ihr sucht, wenn ihr vom Glück träumt. Er ist es, der auf euch
wartet, wenn euch nichts anderes zufrieden stellt. Er ist die Schönheit, die
euch anzieht, er ist es, der euch provoziert mit jenem Durst nach Erfüllung,
der euch keine Anpassung an den Kompromiss erlaubt. Er ist es, der euch dazu
drängt, die Masken eines falschen Lebens abzulegen. Er ist es, der in euren
Herzen die echten Entscheidungen liest – die Entscheidungen, die andere zu
ersticken versuchen. Jesus ist es, der in euch etwas entfacht: die Sehnsucht,
aus eurem Leben etwas Großes zu machen.“ Am Schluss sagte er: „Wenn ihr seid,
was ihr sein sollt, dann werdet ihr Feuer auf der ganzen Erde entzünden“ (ebd.
929-930). Ich glaube, das ist das tiefste Motiv, warum der Papst Missionar
ist. Am Mittwoch in der Woche des Missionskongresses hat Kardinal Lustiger
zugesagt, am Vormittag auf Fragen junger Menschen einzugehen, auch aus der
Erfahrung, die er mit dem Weltjugendtag in Paris gemacht hat.
6. Kehren wir zurück zu dem entscheidenden Motiv: Weil Jesus
der vom Vater Gesandte ist, deshalb, sagt der Papst, muss er Missionar sein.
In einer Leprakolonie in Brasilien hat der Heilige Vater einmal diese Worte
gesagt: „Ich komme zu euch als Missionar, der durch den Vater und durch Jesus
beauftragt ist, fortzufahren, das Reich Gottes zu verkünden, das in dieser
Welt beginnt, aber sich erst in der Ewigkeit verwirklicht“ (L’ Osservatore
Romano, dt. Ausgabe 1980, Nr. 30, 11). Letztlich ist es die Sendung des
Vaters, der Auftrag Gottes, den der Sohn Gottes verwirklicht hat, der uns zur
Mission verpflichtet.
7. Das hat wiederum zur Folge, dass das wirklich allen
Menschen gilt. Bereits im Jahr 1978, in seiner ersten Enzyklika Redemptor
hominis hat der Heilige Vater gesagt: „Jeder Mensch ohne jede Ausnahme ist von
Christus erlöst worden. Christus ist mit jedem Menschen, ohne Ausnahme, in
irgendeiner Weise verbunden, auch wenn sich der Mensch dessen nicht bewusst
ist: ‚Christus, der für alle gestorben und auferstanden ist, schenkt dem
Menschen’ – jedem einzelnen und allen zusammen – fortwährend Licht und Kraft
durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung entsprechen kann“ (Nr.
14). Das ist im Grunde das Missionsprogramm des Papstes, warum er so viel
reist. Er will wirklich alle Menschen erreichen, weil das der Wille Christi
ist.
III.
So komme ich zum Schluss, zur Enzyklika des Heiligen Vaters über die Mission
Redemptoris missio. Wir haben ein ganzes Jahr über die Mission nachgedacht,
aber ich denke, es ist auch an der Zeit, dass wir uns vom Herrn selber in die
Pflicht nehmen lassen. Der Heilige Vater schreibt in der Enzyklika das
wichtige Wort, dass die Mission nur möglich ist, wenn es Missionare gibt. Es
gibt kein Zeugnis ohne Zeugen, es gibt keine Mission ohne Missionare. Warum
der Papst diese Enzyklika geschrieben hat sehr einfache Gründe. Seit dem
Konzil ist etwas Eigenartiges in der Kirche passiert. Der Elan der Mission ist
vielfach erlahmt, vor allem mit zwei Begründungen. Erstens hat man gesagt,
Mission ist Kolonialismus, deshalb müssen wir vor allem von den anderen
Religionen lernen. Das ist richtig, aber zu wenig. Zweitens war ein Argument,
es ist eine Abwertung der anderen Religionen, wenn man als Missionar zu ihnen
kommt. Dieses Argument hat der Papst sehr eindrucksvoll widerlegt, indem er
gesagt hat: Wo Christus hinkommt, wird niemandem etwas weggenommen (Redemptoris
missio 3). Es ist eine Bereicherung und nicht ein Mangel, wenn Christus in ein
Land kommt. Gleichzeitig erleben wir, während bei den Katholiken der
Missionsgeist stark zurückgegangen ist, dass weltweit die evangelikalen
Gruppierungen, die so genannten Freikirchen, missionarisch ungeheuer aktiv
sind, leider auch die Sekten, und ebenso der Islam. Es ist deshalb eine ganz
vitale Frage, die der Papst der Kirche stellt, ob sie bereit ist, ihre
missionarische Grundberufung zu leben.
Ich möchte nur einen Schlüsselsatz herausgreifen, der mir für
die Stadtmission besonders wichtig scheint. Der Papst sagt in der Enzyklika:
„Durch die Mission wird die Kirche tatsächlich erneuert, Glaube und
christliche Identität werden bestärkt und erhalten neuen Schwung und neue
Motivation.“ Dann in einer Kurzformel: „Der Glaube wird stark durch
Weitergabe“ (ebd. 2).
Aber diese Motivation ist sozusagen mehr eine innere. Die
tiefere Motivation ist eine andere, ich habe sie schon genannt: Weil Jesus
Christus der einzige Erlöser ist, weil er der Erlöser der Menschen ist,
deshalb muss sein Name allen Menschen bekannt gemacht werden, deshalb kann man
sich nicht damit zufrieden geben, dass der Name Jesu ein Name unter vielen
anderen ist. Er ist der Erlöser. „Die grundlegende Aufgabe der Kirche ist es“,
sagt der Papst, „den Blick der Menschen auf das Geheimnis Christi zu richten“
(ebd. 4; Redemptor hominis 10) Deshalb heißt es so schön am Schluss der
Enzyklika, wir haben das dort fast abgeschrieben: „Öffnet die Tore für
Christus!“ Wo Christus hinkommt, wird den Menschen nichts weggenommen (Redemptoris
missio 3, 39). Und der Papst betont ganz nachdrücklich: Das Angebot des
Glaubens ist ein Angebot an die Freiheit. Es wird niemandem aufgedrängt, es
wird niemand gezwungen im vollen Respekt der Gewissens- und Religionsfreiheit
muss der Name Christi angeboten werden. Aber der Papst fügt hinzu: „Er muss
angeboten werden, weil alle Menschen das Recht haben, über das Geheimnis
Christi zu erfahren“ (ebd. 7). Sie haben ein Anrecht darauf. Deshalb haben wir
eine Pflicht, ihnen dieses Anrecht nicht vorzuenthalten.
Ganz am Schluss der Enzyklika sagt der Heilige Vater: „Das
Wesensmerkmal jedes echten missionarischen Lebens ist die innere Freude, die
aus dem Glauben kommt. In einer von so vielen Problemen verängstigten und
bedrängten Welt, die zum Pessimismus neigt, muss der Verkünder der
Frohbotschaft ein Mensch sein, der in Christus die wahre Hoffnung gefunden
hat“ (ebd. 91). Ich wünsche Ihnen allen, dass wir in dieser Zeit der
Stadtmission die Erfahrung machen, dass wir Grund zur Hoffnung haben, und dass
wir freudig davon Zeugnis geben.
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