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Katechesen
2000/2001
5. Jahresreihe - 2. Katechese, 15.10.00
Gott - allmächtig und
ohnmächtig ? |
Gott - allmächtig und
ohnmächtig ?
Gelobt sei Jesus Christus!
Im heutigen Mittagsgebet der Kirche haben wir den 23. Psalm gebetet. Ich darf ihn noch einmal gemeinsam mit Ihnen beten und davon den Ausgang nehmen.
"Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher. Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit".
Dieser Psalm ist ein Gebet voller Vertrauen. Was kann mir geschehen? Der Herr ist mein Hirt! Was soll mich schrecken in den finsteren Schluchten meines Lebens, meines Weges? Du bist ja bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht! Ich brauche meine mächtigen Feinde nicht zu fürchten, die mich von innen oder von außen bedrohen. Du salbst mir das Haupt mit Öl, das heißt, du gibst mir Kraft, du selbst bist mächtig, allmächtig. Nichts ist dir unmöglich (Jer 32,17; Lk 1,37). Und da du allgütig bist, ist deine Allmacht uns gütig: "Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen" (Ps 23,1).
I.
Das Thema der heutigen Katechese ist die Frage der Allmacht Gottes. Was heißt es, wenn wir im Glaubensbekenntnis bekennen: "Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen." Wenn ich diesen Psalm an den Anfang gestellt habe, dann ist das schon eine Deutung dieses Satzes aus dem Glaubensbekenntnis. Dieser Psalm voll Vertrauen, der bekennt, dass Gott mein Hirte ist, dass ich nichts zu fürchten habe, er bekennt dasselbe wie der erste Satz unseres Glaubensbekenntnisses, nämlich dass ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den allmächtigen Vater. Deshalb soll die heutige Katechese ein Schritt auf unserem Glaubensweg sein, uns einen Schritt weiterbringen, soll uns im Glauben stärken, und das heißt zuerst im Vertrauen, dass der Herr mein Hirt ist, dass ich nichts zu fürchten brauche, wenn er und wo immer er mein Hirte ist, dass alles in seiner Hand ist und dass seine Hand eine liebende Hand ist, die für mich sorgt. Es soll also diese Katechese uns einen Schritt weiterhelfen im Glauben. Glauben, das heißt ja auch gegen allen äußeren Anschein im Glauben festhalten, entschieden festhalten, in unserem Verstand und mit unserem Willen und mit unserem ganzen Herzen bejahen, dass Gott der allmächtige Vater ist, auch wenn vieles äußerlich ganz anders auszusehen scheint, wenn dieser Glaube sich also bewähren muss, wenn er auch zu kämpfen hat. An den allmächtigen Gott zu glauben, ist also ein Akt des Vertrauens. Das Wort vom allmächtigen Gott ist entgegen manchem, was vielleicht heute mit dem Wort Allmacht verbunden wird, zuerst ein großer Ruf des Vertrauens und der Hoffnung. Gott ist der allmächtige Vater, das ist ein Akt der Hoffnung. Wenn wir das bekennen, dann ist das nicht eine Information, die wir einander mitteilen, sondern zuerst ein Ausdruck unserer Hoffnung und unseres Glaubens. So beten die Psalmen voll vertrauender Hoffnung. Auch in der Bedrängnis, auch in der Not, in der Gefahr ist das betende Bekenntnis zur Allmacht Gottes eine Quelle der Hoffnung. So heißt es etwa im Psalm 135: "Ja, ich weiß: Groß ist der Herr, unser Herr ist größer als alle Götter. Alles, was dem Herrn gefällt, vollbringt er, im Himmel, auf der Erde, in den Meeren, in allen Tiefen" (Ps 135,5-6). Dieses ja, er vollbringt alles, was er will, er kann alles, was er will, ist ein Gebet der Hoffnung. Versuchen wir uns ein wenig dieser Hoffnung, diesem Vertrauen zu nähern.
Heute feiert die Kirche das Fest der großen hl. Theresia. - Es wird wegen des Sonntags nicht eigens begangen, aber natürlich denken wir heute besonders an sie. - Von ihr stammt ein Gedicht. Es ist wohl bekannt, oft zitiert, ein Gedicht, eine Art Zuspruch des Vertrauens, das die Allmacht Gottes in besonders schöner Weise zum Ausdruck bringt. Es beginnt auf Spanisch mit den Worten: "Nada te turbe ..." - "Nichts soll dich verwirren, nichts dich erschrecken. / Alles geht vorbei. Gott ändert sich nicht / Geduld erlangt alles. / Wer Gott hat, dem fehlt nichts. / - Dios solo basta. - Gott allein genügt" (KKK 227). Dieses Gedicht sagt in anderer Weise das, was der Psalm 23 zum Ausdruck bringt: Hoffnung und Vertrauen aus dem Glauben. Freilich auch mit einem großen Anspruch verbunden. "Alles geht vorüber, Gott ändert sich nicht. Geduld erlangt alles. Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt."
II.
Was wir so im Glauben bekennen mit dem Wort: "Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, das sollen wir auch besser zu verstehen versuchen, denn der Glaube will ja verstehen, um auch besser lieben zu können. Versuchen wir also, das Wort von der Allmacht Gottes ein wenig besser zu verstehen.
Da ist zuerst ein Missverständnis auszuräumen, eine Schwierigkeit, die heute sehr stark unser Verständnis prägt. Das Wort Macht klingt sehr negativ, erst recht das Wort Allmacht, so dass manche versucht sind, in der Liturgie das Wort eher zu verdrängen und nicht Gott den Allmächtigen im Gebet anzusprechen, weil das so übermächtig, so beherrschend klingt und nicht unmittelbar Güte und Liebe auszudrücken scheint. Beim Wort Macht schwingt vielfach heute mit der Gedanke der Willkür, einer willkürlich ausgeübten Macht, wie sie besonders extrem im Herrscherwahn der Diktatoren zum Ausdruck kommt, aber wie sie auch so etwas verschwommen zum Ausdruck kommt, wo immer von Macht auch in der Kirche die Rede ist. Soll man also überhaupt von der Allmacht Gottes sprechen?
Nun gilt es zuerst einmal daran zu erinnern, dass das Wort Macht ja nicht etwas Negatives sagt. Ich habe im Lexikon nachgeschaut, was steht dort über das Wort Macht: Macht sei "die Gesamtheit der Kräfte und Mittel, die jemandem oder einer Sache gegenüber andern zur Verfügung steht." Das ist grundsätzlich etwas Positives. Macht heißt ja zuerst einmal, wirken können. Wenn ich des Gehens mächtig bin, dann ist das etwas Positives. Wenn ein Kind zu gehen beginnt, wenn es des Gehens mächtig wird, dann ist das ein großartiges Erlebnis, wie allmählich dieses Wirken können sich zeigt und sich kräftigt. Macht, das heißt zum Beispiel und zuerst einmal die körperliche Kraft, die körperliche Möglichkeit, zu wirken. Wie wichtig das ist, wissen wir aus allen alltäglichen Arbeiten, wie segensreich das ist, wenn wir wirken können, und wie schwer es ist, wenn man im Wirken behindert ist, wenn der Körper nicht mehr die Macht hat, die Kraft hat, zu wirken, tätig zu sein. Das können geistige Kräfte sein, auch sie sind eine Macht, etwas machen, wirken, tun zu können, etwas zu bewirken. Dazu gehören Entscheidungsbefugnisse. Unser ganzes Leben ist geprägt von solchen Entscheidungsbefugnissen und Entscheidungen, denen wir Folge zu leisten haben und die ja, weiß Gott, nicht immer nur negativ sind. Ein schönes Beispiel dafür gibt Jesus uns im Evangelium, wenn er den römischen Hauptmann bewundert, der ihn bittet, seinen Knecht gesund zu machen, und der Jesus sagt: "Auch ich habe Männer unter meinem Befehl, Soldaten. Und wenn ich zu dem einen sage: Komm!, dann kommt er, und wenn ich zum andern sage: Geh!, dann geht er" (Mt 8,9; Lk 7,8) - Befehlsgewalt. Und damit sagt er zu Jesus sein Vertrauen, seinen Glauben, dass auch Jesus ein solches Wort sprechen kann, ein mächtiges Wort: "Sage nur ein Wort, dann wird mein Knecht gesund" (Mt 8,8; Lk 7,7). Ein sehr schönes Beispiel dafür, wie aus der menschlichen Erfahrung von Macht es uns möglich wird auch zu verstehen, was Gottes Macht bedeutet.
Macht ist also an sich eine positive, ja eine lebensnotwendige Wirklichkeit. Es beginnt damit, dass wir Macht haben über uns selber, über unsere Kräfte, über unser Tun, über unsere Gedanken, über unsere Phantasie, über das, was wir tun oder lassen, was mir richtig und wichtig scheint, was ich als Aufgabe angenommen habe oder was mir aufgetragen worden ist, mir anvertraut ist, Macht zu haben über sich selber. Der hl. Jakobus nennt ein sehr sprechendes Beispiel: die Macht über die Zunge (Jak 3,1-12). Wie mächtig ist der, der seine Zunge beherrscht, und wie viel Machtmissbrauch gibt es durch dieses kleine Organ, die Zunge, die so viel Böses anrichten kann.
Dieser Tage gibt es eine intensive Debatte in unserm Land über das gemeinsame Sorgerecht gegenüber den Kindern bei einer Scheidung der Eltern. Ein Beispiel, bei dem man sieht, wie schwierig es ist, die eigene Macht, das eigene Verfügen können und Bestimmenkönnen mit andern abzustimmen. Wie schmerzlich sind Machtkonflikte, Machtkonflikte beginnend in der Familie bis in alle Bereiche der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft. Sie gehören zu unserem Leben, sobald es an der gegenseitigen Rücksichtnahme fehlt und sobald das Miteinander schwächer ist als das Gegeneinander. Und daher ist es so unerlässlich, dass wir Macht kontrollieren, bei uns selber, wie wir mit unserer Macht umgehen, aber auch gegenseitig. Macht muss begrenzt werden, weil wir immer in Gefahr sind, sie zu missbrauchen. Das geschieht durch alle möglichen Einrichtungen der Machtkontrolle. Wie schrecklich ist es für ein Land, wenn das nicht mehr funktioniert. In Ecuador habe ich in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern - zwei unserer Priester wirken dort - erlebt, dass die Bevölkerung die Polizei verjagt hat, weil sie so korrupt war, dass sie mehr Verbrechen begangen als Verbrechen verhindert hat. Wenn Machtkontrolle nicht mehr funktioniert, ist das für die Menschen dramatisch. Machtkontrolle geschieht aber nicht nur durch den äußeren Vorgang der Kontrolle, sondern vor allem und zuerst durch die Verantwortung im eigenen Umgang mit der Macht, indem ich mir bewusst bin, dass alles, was ich an Macht habe, nicht einfach frei und willkürlich zu meiner Verfügung steht, sondern unter der Verantwortung steht. Was mache ich mit meiner Macht? Ob das mein Können in meinem Beruf ist, ob das Verfügungsgewalt über andere Menschen ist: Was mache ich mit meiner Macht?
Jede Macht bedeutet Verantwortung, Verantwortung damit so umzugehen, wie es in der Macht selber liegt, die mir anvertraut ist. Die körperliche Kraft ist nicht dazu da, zu zerstören, auch wenn sie dazu fähig ist, sondern um Gutes zu tun, um zu helfen, um zu arbeiten. Die geistige Kraft ist dazu da, um zu fördern und nicht um Böses auszuhecken und dann zu wirken. Wir sehen daran, dass Macht grundsätzlich etwas Gutes ist, das aber so gebraucht werden muss, wie es im Sinne dieser Macht selber liegt. Jesus hat das ausgedrückt im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30). Es ist dir etwas anvertraut. Was machst du mit der Macht, die dir anvertraut ist? Du kannst etwas damit machen. Was machst du jetzt damit? Es ist etwas Großartiges, wenn Menschen mit dem ihnen anvertrauten Talent, mit der Macht, die ihnen in die Hand gegeben ist, verantwortungsvoll und damit gut umgehen. Welch ein Segen! Aber welcher Fluch ist es, schon im Kleinen, wenn wir Macht missbrauchen.
Noch ein letzter Hinweis zu diesen allgemeinen Überlegungen zur Macht, bevor wir zurückkommen zur Frage, was Allmacht Gottes dann bedeutet. Wir kennen alle die Erfahrung der Ohnmacht, der körperlichen Schwäche, die uns lähmt, die uns zur Last, ja zur Qual werden kann. Wir kennen die Ohnmacht, wie sehr unsere eigene Macht, unser Vermögen begrenzt ist. Wie schmerzlich erleben das Eltern ihren Kindern gegenüber, denen sie Vorbild sein können, aber deren Freiheit sie nicht bestimmen können, die sie achten müssen, auch wenn sie andere Wege geht, als sie es sich gewünscht hätten. Ja wie sehr stellen wir unsere eigene Ohnmacht fest, wenn wir feststellen müssen, dass die Macht unseres Willens nicht reicht gegen die Macht der Gewohnheit. Das braucht gar nicht die dramatische Situation etwa des Alkoholismus sein, wo die Macht der Gewohnheit stärker ist als alle Willensmacht. Man kommt einfach nicht mit dem Willen darüber weg. Das beginnt schon im ganz Kleinen, mit den eingefleischten Gewohnheiten, gegen die wir uns oft als sehr machtlos erleben. So muss jeder Mensch die eigene Begrenztheit erkennen, wohl auch deshalb, damit wir vor dem Wahn geschützt sind, zu glauben, dass wir allmächtig sind, dass wir alles können, dass uns alles möglich ist. Wie schnell geschieht der Sturz aus dem Wahn, alles beherrschen und machen zu können, in die Ohnmacht. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Das gilt nicht nur für die großen Diktatoren, die alle noch gestürzt sind, das gilt auch für unsere eigenen falschen Träume und Vorstellungen, die nicht auf Gott gebaut sind.
III.
Was also heißt "Allmacht Gottes"? Der Engel sagt zu Maria: "Bei Gott ist nichts unmöglich" (Lk 1,37). Kann Gott alles? Ist ihm im Unterschied zu uns alles und jegliches möglich? Im Buch der Weisheit heißt es einmal: Gott kann alles. "Du bist immer imstande, deine große Macht zu entfalten" (Weish 11,21). Alles ist zu deiner Verfügung. Wir haben am Anfang den Psalm gebetet: "Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen" (Ps 23,1). Noch einmal: Das Bekenntnis zur Allmacht Gottes ist zuerst das Bekenntnis des Vertrauens, des Glaubens, dass Gott alles vermag. In diesem gläubigen Vertrauen lade ich Sie ein, jetzt weiter zu fragen: Wie sieht das mit der Macht Gottes aus?
Zuerst erinnere ich daran, wir haben das zum Teil im Katechismus gelernt, dass es viele "Eigenschaften" Gottes gibt. Wir sagen, Gott ist allgegenwärtig, Gott ist allwissend, Gott ist allgütig, allbarmherzig. Aber eigenartigerweise wird im Glaubensbekenntnis nur die Allmacht genannt, keines der anderen Worte, die Gott zugesprochen werden, wird im Glaubensbekenntnis genannt. Warum wird von Gott besonders die Allmacht betont? Zuerst einmal wohl deshalb, weil unmittelbar danach das Bekenntnis zu Gott, dem Vater, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde kommt. Das Bekenntnis unseres Glaubens sagt, dass alles, wirklich alles, was ist, von Gott ist, von seiner Macht gewirkt ist. Nichts ist aus sich selber, nichts hat sich selber gemacht. Wenn auch die Wissenschaft versucht, eine Theorie zu entwickeln, dass die Materie sich selber organisiert, so glauben wir, und wir wissen das im Glauben, dass es trotzdem nicht so sein kann, dass sich die Welt selber gemacht hat. Alles ist aus Gottes Hand. Er hat alles aus dem Nichts geschaffen. Das heißt aber auch, seine Macht, seine Schöpfermacht erstreckt sich auf alles, weil alles ihm das Dasein verdankt. Nichts ist, sozusagen, außer seiner Hand. Im Glauben sind wir dessen ganz gewiss, auch wenn wir es nicht wissenschaftlich beweisen können, sind wir doch überzeugt und so vieles spricht dafür, dass diese Glaubensüberzeugung wichtig und sinnvoll ist. Ich weiß, das ganze Universum, das Leben, meine Seele, mein Geist, alles ist von Gott geschaffen, nichts hat sich selber gemacht. Ich weiß, dass alles, was ich kann, nicht nur was ich habe, nicht nur was ich bin, sondern alles, was ich kann, alles Wirken der Natur, alles Wirken im Kosmos, alles Wirken in den geistigen Geschöpfen, den Menschen, von Gott gegeben ist. Ich habe weder mein Leben noch mein Sein noch mein Denken, mein Wollen, mein Fühlen mir selber gegeben. Es ist mir geschenkt von meinem allmächtigen Schöpfer. Und das weiß ich im Glauben, auch wenn es noch so verborgen ist, noch so verhüllt ist.
Wenn wir den Satz im Glaubensbekenntnis aussprechen, glauben wir es gegen den äußeren Anschein. Denn die Welt, in der wir leben, die Welt um mich, und ich bin ein Teil dieser Welt und sie prägt mich sehr stark, die Zeit, in der wir leben, läuft, als wäre sie ganz aus sich selbst, als würde sie sich selbst genügen, als gäbe es Gott nicht. Die Wissenschaft, die Wirtschaft, sie funktionieren,
zumindest äußerlich gesehen, so, als gäbe es keinen Gott und als bräuchte man keinen Gott. Ja, sie sind so mächtig, so imponierend, so faszinierend, dass man manchmal den Eindruck hat, das sind die Götter unserer Zeit. Mit dem Ende des Kommunismus hat der Markt gesiegt in der ganzen Welt, und manchmal hat man den Eindruck, das ist der große Gott unserer Zeit. Seine Macht ist unbegrenzt, alles hat sich dieser Macht unterzuordnen. Die Sachzwänge, die wirtschaftlichen Zwänge, alles hat sich dem Gesetz des Marktes, dem "Gott Markt" unterzuordnen. Wenn wir den immensen Einfluss der Medienwelt bedenken, von kleinster Kindheit an bis ins hohe Alter, und was die Medienwelt an Vorstellungen, an Lebensverständnis mit sich bringt, so hat man den Eindruck, in dieser Welt erscheint kein allmächtiger Gott. Sie ist so mächtig aus sich selbst, sie hat so eine Gewalt mit ihren Bildern, mit ihren Vorstellungen, die sie transportiert, sie ist sich selber Gott. Manchmal will es uns scheinen, dass das, was im 19. Jahrhundert Nietzsche, der Philosoph, vom Tod Gottes gesagt hat, damals noch ganz dramatisch als ein erschreckendes Ereignis, inzwischen schleichend immer mehr, immer mehr in unsere Welt eingedrungen und zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie lebt, als gäbe es Gott nicht. Jetzt, mit der Entschlüsselung des genetischen Codes, haben schon manche den Menschen zum neuen Gott erklärt, der jetzt alles selber in die Hand nehmen und künftig alles selber bestimmen wird.
Irgendwie ist dieses Wort vom allmächtigen Gott heute besonders Anstoß
erregend. Es scheint so weit weg zu sein von der Wirklichkeit, in der wir leben, von dem praktischen Atheismus unserer Zeit, der ganz anders ist als der kämpferische Atheismus des Kommunismus, der noch offen und klar und direkt die Kirche, die Religion bekämpft hat. Dieser schleichende Atheismus, er ist viel tiefer greifend und viel weniger bemerkt. Manchmal will einem scheinen, dass Gott dem gegenüber ganz ohnmächtig ist. Wo bleibt hier der mächtige, der allmächtige Gott? Alle andern Mächte scheinen mächtiger als der Allmächtige: der Markt, die Medien, die öffentliche Meinung und überhaupt das diesseitige Leben, dieses Leben als "die letzte Gelegenheit", die es auszunützen gilt, weil nachher eh nichts kommt. Was soll da das Bekenntnis zum allmächtigen Gott? Die Frage, die wir uns stellen müssen: Wie weit ist dieser schleichende Atheismus nicht auch in unsere Herzen eingezogen, so dass wir das Wort der hl. Theresia von Avila, "Dios solo basta", "Gott allein genügt", fast wie ein Fremdwort hören?
IV.
Zu all dem kommt noch eine zusätzliche Frage, die uns oft begegnet: "Wenn ihr sagt, er ist allmächtig, warum verhindert er dann in seiner Allmacht nicht das Elend, das viele Elend in der Welt?" Ist also Gott wirklich allmächtig? Warum kann er dann nicht das Böse verhindern? Warum konnte es im 20. Jahrhundert diese unendliche Flut an Bösem und an Leid geben? Versuchen wir, uns jetzt noch einmal dem Wort Allmacht zu nähern. Heißt das, Gott könne alles machen, was nur irgendwie möglich ist, auch völlig Unsinniges, völlig Willkürliches? Könnte er zum Beispiel befehlen, dass das Gute böse ist und das Böse gut, wenn er allmächtig ist, kann er doch alles verfügen? Kann er Böses machen oder Widersinniges? Kann er quadratische Kreise oder eiserne Hölzer machen, also Sinnloses, Widersprüchliches? Was bekennen wir, wenn wir Gott allmächtig nennen? Wir sagen ja, Gott ist der ganz Weise, der ganz Wahrhaftige, der ganz Gerechte. Alles das ist untrennbar von seiner Allmacht. Wenn wir sagen: Er ist allmächtig, und gleichzeitig sagen: Er ist die Liebe, dann kann seine Allmacht nicht etwas anderes sein als seine Liebe. Dann kann Gottes Allmacht nicht irgendeine Willkür bedeuten, wie bei einem Despoten, der einmal dies und einmal etwas anderes will, wie ein Tyrann. Wir dürfen im Glauben festhalten, bekennen, dass alles, was in seiner Allmacht steht auch in seiner Liebe steht; dass alles, was Gott tut, aus seiner Liebe kommt, aus seinem Wesen, das Liebe ist. Auch wenn wir es noch nicht verstehen, auch wenn wir es noch nicht sehen, können wir doch vertrauen: Alles, was du tust, kommt aus deiner allmächtigen Liebe. - Ich werde in den beiden nächsten Katechesen versuchen, auf das einzugehen, vor allem im Blick auf die Frage des Bösen. Was heißt das dann, dass Gottes Vorsehung in allem wirkt?, und vor allem die Frage: Wieso gibt es das Böse? Warum hat Gott es zugelassen?
V.
Heute möchte ich aber zum Abschluss eine Antwort versuchen, gerade jetzt in diesem Jubeljahr, eine Antwort auf die so bedrängende Frage unserer Zeit, die Frage, die uns bedrängt in dieser Zeit, ob Gott denn ganz abwesend geworden ist, ob er sich als der Ohnmächtige zeigt und nicht als der Allmächtige. Gerade in diesem Heiligen Jahr, im Jubiläumsjahr, gedenken wir der Menschwerdung Christi vor 2000 Jahren. Was heißt das eigentlich, zu glauben an die Menschwerdung Gottes? Wir glauben, dass das ja wirklich geschehen ist. Jesus ist wirklich der ewige Sohn Gottes, der wirklich Mensch geworden ist aus Maria. Damit bekennen wir doch, dass Gott so mächtig ist, ja dass das das größte Zeichen seiner Macht ist, dass er sich völlig freiwillig erniedrigt hat, Mensch geworden ist, ein Kind geworden ist, sich erniedrigt hat bis zum Kreuz und auferstanden ist von den Toten. Wir glauben mit dem hl. Paulus, dass Christus, der Gekreuzigte, "Gottes Kraft und Gottes Weisheit" ist (1 Kor 1,24). Paulus sagt: "Das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen" (1 Kor 1,25). Wenn wir nach der Allmacht Gottes fragen, dann müssen wir den Punkt ins Auge fassen, der der größte Beweis seiner Allmacht ist: Gott ist so mächtig, dass er so klein werden kann, wie ein Kind. Gottes Macht zeigt sich mehr als alles andere in der Entäußerung Christi. Das fällt uns natürlich schwer anzunehmen, diese Offenbarung seiner Allmacht. Seine Jünger haben sich bis zuletzt schwer damit getan. Noch vor der Himmelfahrt fragen sie ihn: Wirst du jetzt endlich das Reich erreichten? Wirst du jetzt endlich deine Macht zeigen? (vgl. Apg 1,6). Er hat ihnen nicht diese Macht gezeigt, die sie erwartet haben, sondern die Macht seiner Liebe, die sich im Kreuz und in der Auferstehung gezeigt hat.
So möchte ich am Schluss an drei Gedanken, drei Stichworten zeigen, wie wir unseren Glauben an die Allmacht Gottes in einer Zeit leben können, in der so viele andere Mächte viel mächtiger zu sein scheinen, als der allmächtige Gott.
Jesus sagt einmal seinen Jüngern, wie sie untereinander streiten, wer von ihnen der größte ist - Machtkämpfe, die es damals und bis heute auch in der Kirche gab und gibt - da sagt ihnen Jesus: "Die Mächtigen lassen ihre Untertanen ihre Macht fühlen. Bei euch soll es nicht so sein. Wer bei euch der erste sein will, der mache sich zum Diener aller" (vgl. Mt 20,25-26par). Wenn wir die Allmacht Gottes verstehen wollen, dann müssen wir Jesus nachfolgen, dorthin wo er seine Macht am deutlichsten gezeigt hat, in seinem Dienen. "Ich, der ich der Meister bin, habe euch die Füße gewaschen" (vgl. Joh 13,14). Ihr nennt mich Meister zurecht, "denn ich bin es" (Joh 13,13). Also erkennen wir die geheimnisvolle Wirklichkeit der Allmacht Gottes in dem Maß, wie wir Jesus auf dem Weg nachfolgen, wie er die Allmacht des Vaters gezeigt hat, durch den Dienst der Hingabe bis zur Hingabe des Lebens.
Ein zweites. In einem Tagesgebet in der Liturgie heißt es einmal: "O Gott, du zeigst deine Allmacht am stärksten im Verschonen und im Erbarmen" (26. Sonntag im Jahreskreis; KKK 277). Damit will die Kirche uns sagen: Gottes Allmacht erweist sich dort, wo er das tut, was nur göttliche Freiheit kann. Wir haben unsere Freiheit, unsere Macht missbraucht, haben gegen Gottes Willen, gegeneinander, gegen uns selber gehandelt. Gott kann in seiner souveränen Freiheit das wiedergutmachen. Er kann sich unser erbarmen und uns die Sünden vergeben. Darin zeigt sich seine Allmacht.
Ein dritter und letzter Gedanken. Vorgestern haben wir den Diözesanprozess für die Seligsprechung von P. Petrus Pavlicek eröffnet. P. Petrus hat nach dem Krieg auf eine innere Einsprechung hin geglaubt, dass Maria mit ihrer Fürbitte so mächtig ist, dass sie auch die Freiheit unseres Landes erwirken kann. Deshalb hat er ihrer Fürbitte vertraut und hat Hunderttausende Menschen bewogen, sich Maria anzuvertrauen, ihre Fürbitte anzurufen für unser Land, für alle Sorgen und Anliegen. An Maria sehen wir die Macht des Glaubens. Maria hat in Kana gesagt: "Tut alles, was er euch sagt!" (Joh 2, 5). In diesem Vertrauen hat sie sozusagen die Schleusen der Allmacht Gottes zu öffnen vermocht. Wir dürfen zurecht annehmen, dass es ihre Fürsprache war, die unserm Land letztlich die Freiheit gegeben hat. Am mächtigsten sind die Demütigen. Sie haben sozusagen auf das Herz Gottes den größten Einfluss. Deshalb ist für uns Maria auch ein Bild, eine Ikone, könnte man fast sagen, an der man sieht, was es heißt, auf die Allmacht Gottes zu vertrauen.
So schließe ich mit dem Hinweis, dass das Wort vom allmächtigen Gott vor allem und zuerst ein Wort der Hoffnung ist. Wenn Gott allmächtig ist, was kann uns dann trennen von der Liebe Gottes?
Gelobt sei Jesus Christus!
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