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Gott ist dreifaltig einer - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
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Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 2000/2001
5
. Jahresreihe - 1. Katechese, 03.09.00

Gott ist dreifaltig einer

Gott ist dreifaltig einer

Mit großer Freude beginne ich wieder mit den Katechesen sozusagen im neuen Schuljahr, das für viele morgen oder in der nächsten Woche beginnt, und zugleich im Heiligen Jahr, in dem wir mittendrin sind, das soviel an Gnaden, an Hilfe Gottes für die Kirche, für die Menschen bedeutet.

I.
Katechese, das ist etwas anderes als nur eine theologische Vorlesung oder ein Vortrag oder eine Predigt. Katechese ist eigentlich ein Weg, und zu einem solchen Weg sind wir eingeladen auch in diesem Jahr, in diesem Arbeitsjahr, wenn wir uns auf einen katechetischen Weg einlassen. Denn Katechese hat sehr eng zu tun mit dem Auftrag Jesu selber. Sie ist eigentlich die direkte Übersetzung seines Auftrags, den er den Aposteln gegeben hat in Galiläa am Ende seines irdischen Wirkens. Wir erinnern uns an die Stelle in Matthäus 28, wo Jesus sagt: "Mir ist alle Gewalt gegeben, alle Macht gegeben, im Himmel und auf Erden. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern!" (vgl. Mt 28,18-19). "Macht alle Völker zu meinen Jüngern!", das ist also der Auftrag an die Zwölf, oder Elf genauer damals, und an ihre Nachfolger und durch sie an die ganze Kirche. Macht alle Völker, alle Menschen zu meinen Jüngern! Katechese hat im Innersten den Sinn, dazu zu verhelfen, dass Menschen zu Jüngern Jesu werden, oder dass sie es noch mehr werden. Menschen, Völker zu Jüngern Jesu machen. Das ist der letzte Auftrag, den der Herr gegeben hat in seinem irdischen Weg. "Macht sie zu meinen Jüngern!"

Was sagt Jesus selber dazu? Wie geschieht das? Wie macht er Menschen zu seinen Jüngern durch seine Apostel? Zwei Dinge sagt er: "Indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28,19), also durch die Taufe, und zweitens, "indem ihr sie lehrt, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe" (Mt 28,20). Taufe und Lehre. Also das Eingetaucht-Werden in das Leben Jesu selbst, in das Leben des dreifaltigen Gottes. Das ist der Weg, wie Menschen zu Jüngern werden, indem sie auf diese Weise zu Christus gehören, sein Leben bekommen und teilen, und "indem ihr sie lehrt, alles zu halten, was ich euch gesagt habe", also indem ihr meine Lehre weiter tragt. Und zu dem hat er eine Garantie gegeben: "Und seht, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Katechese durch Taufe, durch Lehre geschieht also in dem Wissen, dass der Herr bei uns ist, alle Tage also auch heute.
Die meisten, die hier sind, sind vermutlich getauft, sind bereits Jünger Jesu, sind durch die Taufe in sein Leben eingetaucht, eingebunden. Aber wir sind alle unterwegs, um mehr Jünger zu werden, um ganz Christen zu werden. Ignatius von Antiochien (†nach 110) auf seinem Weg nach Rom, wo er das Martyrium erwartete und dann auch tatsächlich erlitten hat, sagt: Jetzt werde ich endlich Christ sein (Brief an die Römer 2-4). Er weiß, dass er noch unterwegs ist. Im Katechismus heißt es in der Nummer 4 über den katechetischen Weg, was Katechese eigentlich bedeutet: "Die Kirche bemüht sich, die Menschen zu Jüngern Christi zu machen; sie will ihnen zum Glauben verhelfen, dass Jesus der Sohn Gottes ist, damit sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen. Durch Unterweisung sucht sie, die Menschen zu diesem Leben heranzubilden und so den Leib Christi aufzubauen. Alle diese Bemühungen wurden schon früh als Katechese bezeichnet" (KKK 4). In diesem Text ist eine Anspielung auf den Schlusssatz des Johannesevangeliums, wo Johannes sagt: Alles das sei aufgezeichnet worden, aufgeschrieben worden, "damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen" (Joh 20,31).

II.
Die erste Grundkatechese ist also das Evangelium, das was die Jünger Jesu aufgeschrieben haben über sein Leben, über sein Wirken, über seine Gestalt, über ihn selber. Er ist durch das Evangelium auch der Katechet, der, der uns zu sich selber hinführt durch sein Wort, durch sein Leben. Damit ist aber gesagt, Katechese hat entscheidend damit zu tun, dass sie mit Jesus in Verbindung bringt. Ihn zu erkennen, das bedeutet leben. Ihn zu erkennen, das bedeutet das ewige Leben haben. In seinem Gebet in der Nacht vor dem Leiden, in der Paschanacht, in der Nacht vor seiner Verurteilung zum Kreuz, betet Jesus: "Vater ... das ist das ewige Leben: dich, den einzig wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast" (Joh 17,1.3). Jesus erkennen heißt, nicht nur ihn intellektuell erkennen, sondern mit ihm verbunden sein, heißt eins werden mit ihm, eins sein mit Jesus, so wie Jesus mit dem Vater eins ist. In diesem Abschiedsgebet in der Nacht vor seinem Leiden betet Jesus für seine Jünger: "Sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, so sollen sie vollendet sein in der Liebe, in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die meinen ebenso geliebt hast wie mich" (vgl. Joh 17,21.23). Den Vater erkennen, Jesus Christus erkennen. Wir sehen an den Heiligen, an einem Menschen wie Johannes XXIII., den viele noch lebendig in Erinnerung haben, was es heißt, ein gott verbundener Mensch zu sein, ein Mensch, der Jesus nicht nur intellektuell kennt, sondern im biblischen Sinn ihn erkannt hat, von ihm erkannt ist also mit ihm verbunden ist, mit ihm lebt. Um diese Erkenntnis soll es in der heutigen Katechese gehen, in der das Thema ist: Der eine und dreifaltige Gott. 

Wir bitten, Gott, den lebendigen, dreifaltigen, dreieinigen, dass wir ihn besser erkennen, mehr lieben, dass wir mehr in ihm leben. Jeder Gottesdienst beginnt mit dem Kreuzzeichen: "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." Überall steht am Anfang der dreifaltige Gott. Das ist der Inbegriff unseres Glaubens, der ganze Christliche Glaube besteht in der Dreifaltigkeit und eigentlich können wir sagen, Katechese hat kein anderes Ziel als Menschen in die Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes zu führen. Es ist freilich das Geheimnis der Dreifaltigkeit ein Geheimnis, ein absolutes Glaubensgeheimnis. Bekannt ist die Legende aus dem Leben des Augustinus (†430), wie er am Strand bei Hippo entlang spaziert und ein Kind spielen sieht, das in ein Sandloch Wasser aus dem Meer schöpft. Auf die Frage: Was tust du da?, sagt das Kind: Ich schöpfe das Meer in dieses Loch. Augustinus sagt ihm: Das wird dir nicht gelingen, das ist unmöglich. Das Kind soll ihm gesagt haben: Eher werde ich das Meer in dieses Sandloch gießen können, als dass du das Geheimnis der Dreifaltigkeit ausschöpfst. In den vielen Jahren, zwanzig Jahre lang hat Augustinus an dem Werk "De Trinitate" gearbeitet, in diesen zwanzig Jahren hat er gerungen, immer in neuen Anläufen das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu sagen, zu formulieren, Bilder, Ausdrucksmöglichkeiten in unserer armseligen Sprache dafür zu finden. Der Inbegriff des christlichen Glaubens ist die Dreifaltigkeit. Deshalb ist die Annahme oder die Ablehnung dieses Geheimnisses für den ganzen christlichen Glauben entscheidend. Der Angelpunkt unseres Glaubens an den dreifaltigen Gott ist freilich der Glaube, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Es wird immer wieder behauptet und ist in populärer, kirchenkritischer Literatur zu lesen, der Glaube an die Dreifaltigkeit sei eine Erfindung des vierten Jahrhunderts. Die griechische Philosophie habe hier in das Christentum hineingewirkt und habe den ursprünglichen, einfachen, biblischen Glauben verändert. Man habe sich der Zeit angepasst und habe das Dogma von der Dreifaltigkeit sozusagen "erfunden". Das ist zweifellos unzutreffend. Ich werde am Schluss noch einmal auf die Frage der Formulierungen zurückkommen, in denen der Glaube sich auf den Konzilien auszudrücken versucht hat.

III.
Aber die Grundfrage ist viel älter, sie ist so alt, wie der christliche Glaube selbst. Es ist die Frage, ob Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist. Denn wenn Jesus der Sohn Gottes ist, dann ist er "Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater", wie wir im großen Glaubensbekenntnis sagen. Die entscheidende Frage ist also: Ist Jesus wirklich der Sohn Gottes? Der Philosoph Immanuel Kant hat zwar gemeint, dass die Lehre von der Dreifaltigkeit für die Vernunft nichts Praktisches enthalte, sozusagen eine müßige Spielerei der Theologen sei. Aber fragen wir einmal anders. Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, wenn er nicht eines Wesens mit dem Vater ist, dann hat uns Jesus auch nicht den Vater geoffenbart. Dann kann Jesus gar nicht Gott offenbaren, dann kann er uns auch nicht das Leben Gottes bringen, denn er kann uns nur offenbaren, was er kennt und Jesus sagt, dass er allein den Vater kennt (Mt 11,27). Dann hat er uns aber auch nicht die Vergebung der Sünden gebracht. Wenn Jesus nur ein Mensch ist, ein vielleicht vollkommener Mensch aber eben doch nur ein Mensch, dann kann er auch nicht der Erlöser sein. Dann sind wir nicht erlöst, dann sind wir nicht aus unseren Sünden und aus dem Tod befreit. Alles in unserem Glauben hängt an dem Bekenntnis, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist. In seiner Katechese in Rom hat der Heilige Vater sehr eindrucksvoll das Wort des Apostels Thomas meditiert, der acht Tage nach Ostern mit den anderen im Abendmahlssaal war. Als Jesus wiederkam und ihm die Wundmale zeigte, hat Thomas gesagt: "Mein Herr und mein Gott" (Joh 20,28), zu Jesus: "Mein Herr und mein Gott." Etwas so Ungeheuerliches für jüdische Ohren, für jemanden, der selber in der jüdischen Glaubenstradition aufgewachsen ist, wo es doch so entschieden und eindeutig heißt: "Einer ist euer Gott", "Gott ist einer" (vgl. etwa Dtn 6,4). Wie kann Thomas, der Apostel, zu Jesus, der ihm als Auferstandener begegnet, sagen: "Mein Herr und mein Gott"?


IV.
Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, gibt es natürlich keine Dreifaltigkeit, dann ist das alles tatsächlich müßige Spielerei. Wir haben daher zum Geheimnis der Dreifaltigkeit nur einen Zugang, nur Jesus selber. Jesus ist der, der uns offenbart, dass Gott unser Vater ist, dass er der Sohn ist und dazu hat er uns den Heiligen Geist gesandt. Er hat Gott als den Vater geoffenbart darin, dass er selber der Sohn ist, und dass wir alle berufen sind, Kinder dieses Vaters zu sein, so wie er Sohn des Vaters ist. Aber wir werden Kinder Gottes aus Gnade. Wir bleiben Menschenkinder und werden doch Gotteskinder, Söhne und Töchter des Vaters. Es ist also das "Ziel der Katechese, ... Menschen in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen." So formuliert es der Katechismus in dem Abschnitt über die Katechese über Jesus Christus. Was ist das Ziel der Katechese, sagt Papst Johannes Paul II. in seinem großen Schreiben über die Katechese: "Ziel der Katechese ist es, die Menschen in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen; er allein kann zur Liebe des Vaters im Heiligen Geiste hinführen und uns Anteil am Leben der heiligsten Dreifaltigkeit geben" (Catechesi Tradendae 5, KKK 426). In der Katechese geht es also zuerst und hauptsächlich um Jesus Christus, und alles andere im Blick auf ihn. Christus ist der Lehrer, und wir alle sind es nur in dem Maß, wie wir Christi Wort weitergeben, wie wir es sozusagen Christus ermöglichen, dass er durch den Mund des Katecheten lehrt. Der Papst sagt in diesem Dokument über die Katechese: "Jeder Katechet müsste auf sich selber die geheimnisvollen Worte Jesu anwenden können: 'Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat.'" (Joh 7,16, Catechesi Tradendae 6, KKK 427). Das sagt Jesus im Johannesevangelium. "Mein Wort ist nicht mein Wort", sagt er anderswo, "sondern das Wort, das ich vom Vater bekommen habe" (vgl. Joh 14,24). Und so, meint der Papst, müsste jeder Katechet von sich sagen können: Meine Lehre ist nicht meine Lehre, sondern die dessen, der mich gesandt hat. Christus lehren, Christus bekannt machen, das geht nur, wenn wir ihn selber kennen. Daher ist die erste Aufgabe der Katechese selber Jesus besser kennen zu lernen um ihn bezeugen zu können, wie Paulus es sagt: Der Katechet muss bereit sein, alles aufzugeben, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein, ihn zu erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden. Aus dieser Erkenntnis kommt der Wille, der Wunsch zu evangelisieren, zu katechetisieren, andere zum Ja des Glaubens an Jesus Christus einzuladen und zu ermutigen.

Wenn wir also in diesem Jahr, in diesem pastoralen Jahr als Jahresthema haben werden: Das Evangelium heute verkünden, das wird das Jahresthema für 2001 sein, dann ist es genau dieses Anliegen, das Klemens Maria Hofbauer, unser Stadtpatron, uns gewissermaßen ins Stammbuch schreibt. Seinen 250. Geburtstag werden wir im nächsten Jahr feiern, deshalb wollen wir in der Diözese das ganze Jahr unter das Motto stellen: Das Evangelium heute verkünden. Das große Anliegen von Klemens Maria Hofbauer. Und das kann nur heißen, Menschen in die Lebenseinheit mit Christus bringen, sie ihnen anschaulich machen und sie dazu gewissermaßen verlocken. So darf ich jetzt versuchen in diese Katechese, in diesen Weg mit ihnen einzutreten, wie wir Christus erkennen, wie wir durch ihn den Vater erkennen, wie wir zur Erkenntnis des Geheimnisses der Dreifaltigkeit kommen. Ich werde dann ein wenig über das Dogma von der Dreifaltigkeit sagen und schließlich etwas über die Erfahrung der Dreifaltigkeit, wie dieses Glaubensgeheimnis auch ein Lebensgeheimnis ist.

V.
Kommen wir zuerst zur Frage zurück: Wie haben die Jünger Jesu, wie haben die Menschen, die Jesus begegnet sind, erkannt, dass er der Sohn Gottes ist? Wie kam es zu diesem Glauben, der ja nicht eine Erfindung von Theologen ist, sondern das Bekenntnis von Menschen, die Jesus kennen gelernt, lieben gelernt haben. Zuerst stehen wir vor dem großen Rätsel, dass Jesus dreißig Jahre lang mit seinem Geheimnis, mit seiner Identität verborgen war. Nur im Herzen Marias lebte die Verheißung und das Wissen, das sie im Glauben in sich trug, wer dieses Kind ist, das da aufgewachsen ist in Nazaret, das zu einem jungen Mann herangereift ist, in die Berufstätigkeit als Zimmermann, so wie Josef es war und mit ihm. Maria bewahrte in ihrem Herzen dreißig Jahre lang, was sie durch die Botschaft des Engels wusste, glaubte. Wie muss das gewesen sein, dieses stille Tragen im Herzen von etwas, was nicht ausgesprochen, was so verborgen war: "Er wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden" (Lk 1,32). Wir wissen nichts über diese Zeit, nur einmal wird der Schleier kurz gehoben, als der zwölfjährige Jesus in Jerusalem drei Tage lang von seinen Eltern gesucht wird. Als sie ihn dann im Tempel finden, da kommt dieses Rätselwort, das sein ganzes weiteres Leben voraus bezeichnet. Maria sagt ihm: "Kind, warum hast du uns das getan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht." Und er antwortet: "Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?" (Lk 2,48-49). "Dein Vater und ich haben dich gesucht." - "Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?" Es heißt, dass sie es nicht verstanden, was er sagte, aber dass Maria es im Herzen bewahrt hat (Lk 2,50-51). Jesus spricht von "meinem Vater". Dort ist die Mitte seines Lebens, dort ist sein Herz, dort zieht es ihn hin und von dort her kommt er. Wir wissen nicht, wie das in seinem Alltag ausgesehen hat, aber ein Wort, das er den Eltern als zwölfjähriger sagt, wird ihn sein ganzes weiteres Leben begleiten: "... dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört".
Dieses Müssen kennzeichnet sein ganzes Leben bis hin zu den Emmausjüngern, denen er sagen wird: "Musste der Messias nicht das alles leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?" (Lk 24,26).

Jesus hat ein Muss in seinem Leben, auf seinem Weg. Aber das ist nicht ein Zwang, sondern das ist das, was der Vater für ihn und von ihm will. Später wird er sagen: "Es ist meine Speise, den Willen meines Vaters zu tun" (vgl. Joh 4,34). Er lebt davon, das ist ihm lebensnotwendig, Lebens-Mittel, zu tun, was der Vater will. Wenn wir Jesu Leben betrachten, dann sehen wir, dass er darin nicht sklavisch ist, nicht eingeengt, er fühlt sich nicht bedrängt durch diesen Willen des Vaters, durch dieses Muss in seinem Leben, sondern ganz frei. Er sagt ja dazu, das ist seine Lebensmitte. Unter diesem Muss steht Jesus, als er dann mit dreißig in die Öffentlichkeit geht, zuerst zum Jordan, um sich taufen zu lassen, dann in die Wüste und dann zurück nach Galiläa, nach Kafarnaum, wo er Wohnung nimmt und wo sein öffentliches Leben, sein Wirken beginnt und wo die Evangelien beginnen, uns den Schleier über seinem Leben wegzunehmen und uns Einblick zu geben in das, was er sagt und tut. Und als er da zu sprechen, zu lehren beginnt, spricht er vor allem von Gott als dem Vater. Wenn wir die Bergpredigt hernehmen, das ist der Mittelpunkt, die Art und Weise, wie er vom Vater spricht. Wichtig ist es, so sagt er, nicht von den Menschen gesehen zu werden, sondern "von eurem Vater, der im Himmel" ist (vgl. Mt 6,1-4). Er spricht von "eurem Vater" in einer Vertrautheit, in einer Innigkeit, die nur möglich ist, weil er den Vater kennt. Er spricht auch in Gleichnissen vom Vater. Das bekannteste, berühmteste ist wohl das vom barmherzigen Vater, vom verlorenen Sohn, aber wenn wir näher hinschauen, spricht Jesus immer auch von sich selber, denn wenn er vom Vater spricht, spricht er von dem, den er Vater nennen darf. Von ihm kann er reden, wie es keiner der Schriftgelehrten kann. Die Zuhörer sagen: Noch nie haben wir einen Menschen so reden gehört, so hat noch keiner der Schriftgelehrten gesprochen. Jesus spricht nicht aus der Theorie, aus dem, was er gelernt hat, wie es die Schriftgelehrten getan haben, die die Schrift gut kennen, sie auslegen. Jesus spricht von dem, was er geschaut und gehört hat beim Vater, unmittelbar. Er weiß, wer der Vater ist, er kennt ihn. Deshalb kann er in einer Weise von Gott sprechen, wie nur jemand sprechen kann, der selber eben Gott ist, der selber weiß, wie Gott fühlt, was Gottes Herz bewegt. Deshalb kann Jesus dann auch, das löst ja großen Widerstand aus, in einer Weise sich selber ins Spiel bringen, wie es kein Rabbiner je gewagt hätte, wenn er zum Beispiel schon in der Bergpredigt sagt: "Zu den alten ist gesagt worden: Du sollst nicht töten. Ich aber sage euch, wer zu seinem Nächsten sagt: Du Tor, soll schon der Gehenna verfallen" (Mt 5,21-22). "Ich aber sage euch ..." Kein Rabbiner hätte gewagt, so zu sprechen. Jesus spricht mit einer unvergleichlichen Autorität, bis hin zu diesem unvorstellbaren Wort: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen" (Mt 24,35). Kann das je ein Mensch gesagt haben, ein Mensch, der nur Mensch ist? Wäre das ein Wort eines Menschen, der nur Mensch ist, dann müsste man ihm sagen, dass er völlig vermessen, anmaßend, ja wahnsinnig ist. Jesus spricht nicht nur so, sondern er handelt auch so, wie es keinem Menschen zukommt. Ihm gehorchen der Sturm und der See. Auf sein bloßes Wort hin fällt der Sturm und beruhigt sich der See (Mt 14,22-33). Die Apostel fallen vor ihm nieder und sagen: "Du bist der Sohn Gottes" (Mt 14,33).

Jesus spricht nicht nur vom Vater, sondern auch von sich selber. Und wenn er von sich selber spricht, dann ist es nicht, dass er sich selber zu Gott macht, wie man ihm dann vorwirft: "Du machst dich selbst zu Gott" (vgl. Joh 19,7), sondern er sagt das, was er sieht und hört beim Vater, und er kann sagen: "Der Vater gibt Zeugnis von mir" (Joh 5,37). Jesu Gestalt löst Staunen, Erschrecken aber auch Freude aus. "Wer ist dieser?", fragen die Menschen immer wieder (z.B. Lk 5,21; 7,49). Und schließlich kommt es zu der entscheidenden Frage bei Caesarea Philippi, als Jesus die Jünger fragt: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?", und Petrus darauf antwortet: "Du bist der Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16,16). Es ist aber nicht zu übersehen, dass diese Vertrautheit mit dem Vater Anstoß erregt hat. Schon sehr früh haben Menschen gesagt: "Er lästert Gott", "das kann kein Mensch sagen", zum Beispiel als er dem Gelähmten, den man durch das Dach herunterlässt ihm zu Füßen, sagt: "Mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben" (Mk 2,5-7). Da raunen einige unter den Anwesenden und sagen: "Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Er lästert" (Mk 2,7). Und so kommt es zu einer ganz widersprüchlichen Beurteilung Jesu. Für die einen ist er von Sinnen, ist sogar von einem Dämon besessen, für die andern ist er der Messias, der Sohn Gottes. Und was sagt Jesus selber dazu? Es gibt eine Stelle, Lukas sagt dort, dass Jesus hier im Heiligen Geist aufgejubelt habe. Und da sagt er, es bricht gewissermaßen aus seinem Herzen auf, es dringt nach außen, was er im Herzen trägt, seine Vertrautheit mit dem Vater. Er sagt: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor den Klugen und Weisen verborgen hast und es den Unmündigen geoffenbart hast. Ja, Vater, so war es vor dir wohlgefällig" (Lk 10,21). Und dann fügt er hinzu: "Mir ist alles vom Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will" (Lk 10,22). Niemand kennt den Sohn, nur der Vater.
Jesus zu erkennen ist also nicht etwas, was wir einfach lernen können, durch viel Studium, durch genaues historisches Nachforschen. Jesus wirklich zu kennen ist ein Geschenk Gottes. Als Petrus gesagt hatte: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes", antwortet ihm Jesus: "Selig bist du, Simon Barjona, das haben dir nicht Fleisch und Blut geoffenbart" (Mt 16,16-17). Das heißt, das hast du nicht aus dir selber, das kommt nicht aus deiner eigenen Gescheitheit, "sondern mein Vater im Himmel". Auch dem Apostel Paulus ist es nicht anders ergangen. Wenn er sich zurückerinnert, wie war das, als er Jesus kennen lernte, als sich ihm Jesus plötzlich erschloss, und er erkannte, wer dieser Jesus von Nazaret wirklich war, da sagt er einmal später im Rückblick auf diese Bekehrung: "Als es aber den, der mich vom Muterschoß an auserwählt hatte, gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, da zog ich nicht Fleisch und Blut zu Rate etc." (Gal 1,14-15). Es hat ihm Gott seinen Sohn geoffenbart. Und nicht anders ist es im Leben von Konvertiten, von Menschen, die Jesus kennen lernen, denen der Glaube an Jesus geschenkt wird, denen sich Jesus als Sohn Gottes zeigt. Vor wenigen Monaten ist mein Mitbruder, der Dominikaner jüdischer Herkunft, François Dreyfus gestorben, der in eindrücklichen Worten geschildert hat, was das bedeutet, wenn diese Wende geschieht, wenn dieser Jesus von Nazaret plötzlich aufleuchtet als der Messias, der Sohn Gottes. Es ist ein Gnadengeschehen, das keine menschliche Vernunft zustande bringt. Gott schenkt das, er offenbart, wer Jesus ist.

VI.
Aber wie wurde daraus ein "Dogma"? Wie wurde daraus, dass Jesus als Sohn Gottes bekannt wird, das Dogma von der Dreifaltigkeit. Ist das nicht doch eine späte Entwicklung, die ursprünglich eigentlich viel einfacher war? Ist das Dogma von der Dreifaltigkeit nicht doch viel zu kompliziert? Manche Prediger fürchten den Dreifaltigkeitssonntag: Was werde ich da predigen? Und doch sagt schon der Apostel Paulus am Schluss des zweiten Korintherbriefes einen Gruß an die Gemeinde von Korinth, wir kennen ihn aus der Liturgie: "Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch!" (2 Kor 13,13). Wusste Paulus, was er da sagt? Hat Paulus an die heiligste Dreifaltigkeit geglaubt? Es gibt einen Satz im ersten Korintherbrief, der sehr nachdenklich stimmt. Was hat dieser Jude, der an die Einzigkeit Gottes geglaubt hat, sich dabei gedacht, wenn er den Korinthern schreibt: Es gibt keine Götter (1 Kor 8,4; Gal 4,8)? Sie waren in einer polytheistischen Welt zu Hause, in der es viele Götter gab. Paulus sagt ihnen, es gibt keine Götter, sondern viel mehr es gibt "nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin." Dann sagt Paulus weiter, und man ist doch sehr verwundert: "Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn" (1 Kor 8,6). Es gibt nur einen Gott und einer ist der Herr, Jesus Christus. Es gibt nicht viele Götter, wir glauben an den einen Gott, und doch sagt Paulus: Ein Gott, der Vater, und ein Herr, Jesus Christus. "Herr" ist ja ein Gottesname. Es sind nicht zwei Götter, es ist ein Gott, und doch bekennen wir den einen Vater und den einen Herrn Jesus Christus.

Wie kam es zum Dogma? Der scheinbaren Widerspruch in diesem Satz des heiligen Paulus im ersten Korintherbrief im 8. Kapitel und viele ähnliche Sätze, sie mussten früher oder später zu einer Klärung gebracht werden. Und oft sind es die Irrlehrer, die Häretiker, die eine solche Erklärung notwendig machen. Zu Beginn des dritten Jahrhunderts hat ein Pfarrer von Alexandrien, Arius (†ca. 336), sozusagen Ordnung machen wollen in diesem sprachlichen Durcheinander. Er hat gesagt: Seien wir klar, es gibt nur einen Gott. Und alles andere, was über Jesus Christus gesagt wird, muss so verstanden werden, dass es nicht im Widerspruch steht zu dem einen Gott. Also ist Jesus Christus Geschöpf, zwar das höchste aller Geschöpfe, aber eben doch Geschöpf und nicht Gott. Auf Seiten Gottes steht nur Gott, Gott der Vater, auf Seiten der Geschöpfe steht an erster Stelle Jesus Christus und dann alle andern Geschöpfe. Diese Lösung schien vielen plausibel und sie gewann sehr viele Anhänger, der Arianismus, der immerhin drei Jahrhunderte die Kirche in Atem - außer Atem gehalten hat. Es war eine Entscheidung notwendig. Das erste Ökumenische Konzil (Nicaea, 325) hat die Entscheidung anders gefällt: Nein, Jesus Christus ist der eine Herr, er ist "Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen" - er ist nicht Geschöpf, sondern der einzig gezeugte, ewige Sohn des Vaters, er ist "eines Wesens mit dem Vater". Er ist wesentlich gleich dem Vater.

Für diese Lehre, für diesen Glauben sind viele ins Martyrium, ins Exil gegangen, der heilige Athanasius (†373) ist gleich fünfmal von seinem Bischofssitz vertrieben worden und zeitweise war er fast alleine in der Kirche, daran festzuhalten, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Ich glaube, wir sind heute in einer nicht ganz unähnlichen Situation. Diese Klarheit des Bekenntnisses, dass Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, ist neu gefordert. Viele möchten hier abschwächen, viele meinen, das sei eine Zumutung an die Vernunft, so etwas zu glauben, anzunehmen. Es war aber nicht dogmatische Sturheit der alten Kirche, dass sie daran festgehalten hat, dass Jesus wahrer Gott ist, Gott von Gott, Licht vom Licht, sondern es war die Erfahrung, die Glaubensgewissheit, dass das Geheimnis der Dreifaltigkeit das große Geheimnis unseres Glaubens ist, dass Gott unendliche Gemeinschaft der Liebe und der Hingabe ist, dass Gott nicht der Einsame, Ferne, sondern der unendlich lebendige ist, der in sich selbst Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist ist.

VII.
Ich möchte zum Schluss von Glaubenserfahrungen sprechen, Glaubenserfahrungen mit dem dreifaltigen Gott. Ich bin sicher, dass es viele Menschen gibt, die in ihrem einfachen, geraden Glauben, auch wenn sie es nicht erklären können, niemand kann es erklären, so doch fest und gewiss glauben, dass Gott der Dreifaltig-Eine ist. In dem Jahr, in dem ich in Rom gelebt habe, war mein Wohnort nicht weit von La Storta entfernt auf der Via Cassia. Immer wieder bin ich in La Storta in den Autobus oder in den Zug gestiegen und hatte Gelegenheit dort in eine kleine Kapelle zu gehen, am Straßenrand der Via Cassia gelegen, ein unscheinbares Kapellchen, das in der Geschichte der Kirche eine ganz große Bedeutung hat. Ignatius von Loyola (†1556) war auf dem Weg nach Rom über die Via Cassia, die von Norden nach Rom kommt, unterwegs mit einigen seiner Gefährten und wenige Kilometer vor Rom sind sie eingekehrt in diese kleine Kapelle. Dort hat Ignatius eine Erfahrung, eine Schau, ein Erlebnis, das sein ganzes weiteres Leben, ja seine Gründung entscheidend geprägt hat. Er schaut in einem inneren Bild, in einer Vision, wie immer es war, er schaut, wie Gott Vater zu Jesus, zu seinem Sohn spricht, der das Kreuz trägt, und wie er seinem Sohn den Ignatius und seine Gefährten empfiehlt: Nimm sie in deine Gesellschaft, in deine Kompanie! Und Jesus wendet sich mit einem liebevollen Blick dem Ignatius zu und sagt ihm: Ich werde euch in Rom gnädig sein (Romae propitius vobis ero). So sagt es die Überlieferung: Ich werde euch in Rom gnädig sein, oder: Ich werde mit euch sein. Ignatius hat selber dieses Erlebnis immer wieder angesprochen, seine engsten Vertrauten haben es weiter überliefert, und man sagt, dass von daher der Name der Gesellschaft Jesu kommt. Der Vater hat seinen Sohn gewissermaßen gebeten: Nimm den Ignatius in deine Kompanie auf, in deine Gesellschaft. Wenn das so ist, dann ist der Name 'Gesellschaft Jesu' nicht anmaßend, sondern ein wunderschönes Wort für das, was Jesus uns allen schenken will, was der Vater uns allen schenken will, dass wir Gefährten Jesu werden. Jesus erscheint dem Ignatius als Kreuz tragender also mit der ganzen Last dessen, was er für uns auf sich genommen hat, aber auch mit dem ganzen Ausdruck seiner Liebe, mit der er sich dem Ignatius zuwendet und den Willen des Vaters übernimmt und Ignatius und seine Gefährten sich zugesellt. Ich glaube, diese Vision von La Storta bei Rom ist so etwas wie ein Urbild dessen, was wir vom dreifaltigen Gott glauben. Wir kommen nur zum Vater durch den Sohn, gezogen, geführt, getragen vom Heiligen Geist. Und das Bild, das diese Vision uns vor Augen stellt, kann uns begleiten, dass wir Gefährten Jesu sein dürfen, der das Kreuz trägt für uns, für die ganze Welt aus Liebe, dem der Vater dies zugetraut und zugemutet hat, damit wir das Leben haben.

Es ließen sich noch viele, viele Erfahrungen von Heiligen mit der heiligsten Dreifaltigkeit nennen. Ich möchte Sie einladen, am Schluss dieser Katechese selber beim Kreuzzeichen und bei andern Gelegenheiten dieses liebende, vertrauende Sich-der-Dreifaltigkeit-Anvertrauen zu üben. In der Sonntagsvesper betet die Kirche einen Hymnus, der beginnt mit den Worten: O lux beata trinitas, O Licht, seligste Dreifaltigkeit. Ich möchte Sie einladen am Anfang dieses Katechetischen Weges dieses liebende sich Zuwenden zur Dreifaltigkeit als Ihren Weg auch zu üben. Gelobt sei Jesus Christus!

 

 



 

 

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