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Weltjugendtreffen - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
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Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 1999/2000
4
. Jahresreihe - 9. Katechese, 21.05.00

Weltjugendtreffen

Weltjugendtreffen

Beginnen wir mit einem Gebet - mit dem ersten Abschnitt des Gebetes, das uns der Heilige Vater für das große Jubiläum, das Jahr 2000, gegeben hat:

Sei gepriesen, Vater! In Deiner unendlichen Liebe hast du uns deinen eingeborenen Sohn geschenkt. Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist im reinsten Schoß der Jungfrau Maria. Zu Betlehem wurde er geboren vor 2000 Jahren. Unser Weggefährte geworden, hat er der Geschichte einen Sinn gegeben: Sie ist ein gemeinsamer Weg in den Ängsten und Leiden, in der Treue und in der Liebe. Sie führt zum neuen Himmel und zur neuen Erde, wo der Tod überwunden ist und Du alles in allem sein wirst. Lob und Ehre sei Dir, dem einzigen und höchsten Gott,
der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Amen.

Die beiden letzten Katechesen in diesem "Arbeitsjahr" greifen das große Thema des Heiligen Jahres auf: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Joh 1,14). Dieses Wort aus dem Johannes-Prolog sagt das, was der Grund des Jubiläums ist: dass der Sohn Gottes Mensch geworden, das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Es wird das auch das Thema des Weltjugendtreffens sein, das vom 15. - 20. August 2000 in Rom stattfinden wird. So möchte ich die heutige Katechese diesem Motto des Weltjugendtages widmen. Ich werde dann die letzte Katechese, am 18. Juni, dem Thema der Eucharistie widmen, die ja auch im Anliegen des Heiligen Vaters ganz im Zentrum des Heiligen Jahres steht - das Geheimnis der bleibenden Gegenwart des menschgewordenen Sohnes Gottes in der Eucharistie.

Der Weltjugendtag steht also unter dem Motto "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt." Nun - wie sollen sich junge Menschen heute dieses Wort aneignen? Vielleicht nicht nur junge Menschen, sondern auch wir Älteren. Wie soll der Glaube an die Menschwerdung Gottes heute ankommen? Es gibt eine intensive theologische Debatte über die Frage, ob der Glaube an die Menschwerdung Gottes nicht die Vernunft des Menschen hoffnungslos überfordert, ja, ob man nicht ehrlicher Weise sagen sollte, es handelt sich hier um eine Bildrede, um einen Mythos, um ein Symbol. Aber dass Gott wirklich Mensch geworden sei, das könne man doch einem vernünftigen Menschen unserer Zeit nicht zumuten. Nun haben sich die Theologen seit Jahrhunderten darum bemüht, das auszudeuten; zu zeigen, dass es eben nicht der Vernunft widerspricht zu glauben, dass Gott Mensch geworden ist. Sie haben in bedeutenden Werken dargelegt, "Cur deus homo" - "Warum Gott Mensch geworden ist". So lautet der Titel eines berühmten Werkes aus dem Mittelalter, eines Werkes des hl. Anselm von Canterbury. "Warum ist Gott Mensch geworden?" - Und dann die Frage:

"Wie ist Gott Mensch geworden? Wie ist die Menschwerdung zu verstehen?" Großartige denkerische, theologische Leistungen sind erbracht worden, um als der Vernunft zumindest nicht widersprechend darzustellen, dass Gott Mensch geworden ist, dass der Sohn Gottes ein Menschenkind, dass das Wort Fleisch geworden ist. Aber ich möchte heute nicht diesen Weg gehen, auch wenn es spannend ist, den theologischen Überlegungen zu folgen.

Beim Weltjugendtreffen wird es ja nicht so sehr um die intellektuelle Durchdringung dieses Glaubensgeheimnisses gehen, sondern es wird um einen sehr viel persönlicheren Weg gehen, um den Weg der Nachfolge Jesu. Um das lebendige Erkennen dessen, von dem wir sagen, dass er der Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes ist. Denn die Menschwerdung Gottes vor 2000 Jahren, der Anlass dieses Jubiläums, ist ja nicht zuerst eine Frage der menschlichen Vernunft, es ist nicht zuerst eine Denkaufgabe, sondern ein Ereignis, ein Geschehen, das von Gott her gewissermaßen in die Welt eingebrochen ist, das in das Leben der Menschen eingedrungen ist. Ein Geschehen, das völlig unerwartet da war und eine Antwort erfordert hat. Jesus sagt einmal, dass Gott wie ein Dieb in der Nacht kommt:

So ist dieses Ereignis in die Geschichte der Menschen eingebrochen. Plötzlich war es da. Zuerst im Leben einer gewissen Mirjam aus Nazareth - plötzlich war dieses Ereignis da in ihrem Leben: "Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären. Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben." (vgl. Lk 1,31-35). Von diesem Moment an war ihr Leben ein anderes. Sie war nicht nur informiert über ein Geheimnis, sondern sie war Teil dieses Geheimnisses. Es ist dieses Geheimnis in ihrem Leben geschehen, so sehr geschehen, dass es in ihr geschehen ist. Sie ist die Mutter des Erlösers geworden. Sie ist nicht nur eine interessierte Zuhörerin, sondern, so dürfen wir sagen, eine Mitspielerin geworden; ihr Leben ist Teil dieses Geschehens geworden. Sie hat zu dem ganz Unerwarteten "ja" gesagt, "ja" in eine ungewisse Zukunft hinein, sie hat sich auf das Spiel eingelassen und wurde so die Mutter des Erlösers. Bis heute ist sie in diesem großen Drama neben Christus die Hauptgestalt, mit Christus und ganz für ihn. Menschwerdung Gottes, das ist also nicht zuerst eine Denkaufgabe - das ist sie auch, und die Theologie tut gut daran, sich damit zu befassen. Menschwerdung Gottes ist zuerst ein umstürzendes Ereignis, ein Geschehen, das Antwort erwartet, das die, die es trifft, nicht neutral lassen kann. Seit der Stunde der Verkündigung, seit diesem Moment in Nazareth, als Gott in das Leben der Mirjam von Nazareth eingebrochen ist, seit dieser Stunde ist das Kommen Gottes in unzähligen Menschenleben geschehen, hat ihr Leben verändert, hat ihr Leben in Beschlag genommen. 

Das Zeugnis dieser Menschen ist inzwischen zu einem immensen Strom angewachsen durch die 20 Jahrhunderte, seit Christus gekommen ist. Wir könnten jetzt beginnen, Beispiele aufzuzählen. Endlos wäre die Zahl derer, für die dieses Ereignis ein Geschehen geworden ist, das ihr Leben betroffen und verändert hat: Ein Paulus auf dem Weg nach Damaskus, der als ein anderer in Damaskus ankommt als der, der von Jerusalem weggegangen ist. Ein Antonius in der Wüste, der am Sonntag in seiner Dorfkirche als junger Mann das Evangelium hört - von dem reichen Jüngling - und plötzlich ist dieses Evangelium mitten in seinem Leben: Er ist der reiche Jüngling. Von diesem Moment an ist sein Leben ein anderes. Oder eine Theresia von Avila, die ein friedliches und mittelmäßiges Klosterleben führt, bis die Statue des leidenden Christus, die sie Hunderte Male am Gang gesehen hat, sie plötzlich anspricht, sie betroffen ist von dem Leiden Jesu. Und von diesem Moment an war ihr Leben ein anderes. Es ist eine unendliche Zahl, eine Zahl, wie die Apokalypse sagt, die niemand zählen kann. Eine Zahl von Menschen aus allen Sprachen, Völkern und Nationen, die dem Lamm gefolgt sind, wohin es geht. Und in diesem Heiligen Jahr denken wir ganz besonders an die vielen, vielen Zeugen des Lammes.

Das Martyrologium des 20. Jahrhunderts, das der Heilige Vater angeregt hat, ist jetzt für unsere Kirche in Österreich in einem ersten "Anlauf" zugänglich. Drei Bände: Blutzeugen des Glaubens - Martyrologium des 20. Jahrhunderts; Einige der Blutzeugen Österreichs aus dem 20. Jahrhundert. In vielen anderen Ländern gibt es bereits ähnliche Martyrologien. Für diese Zeugen ist das Ereignis der Menschwerdung Gottes etwas, was nicht nur ihr Denken herausfordert, sondern was ihr Leben verändert hat. Hier im Dom sind heute Abend zweifellos viele, viele von uns, die ähnliche Geschichten, ähnliche Ereignisse erzählen könnten. Wie in unser Leben das Wort Gottes gekommen ist, vielleicht wirklich so plötzlich wie ein Dieb in der Nacht, oder noch dramatischer, wie Jesus es sagt, wie ein Blitz. Vielleicht auch behutsam wie ein Gast, mit dem man vertraut wird und mit dem man Freund wird. Wir wären wahrscheinlich nicht hier - wir wären sicher nicht hier - wenn das nicht Ereignis wäre, geschehen in unserem Leben. Der Menschensohn kommt in das Leben der Menschen. So wird die Menschwerdung Gottes konkret. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Der Heilige Vater lädt zum Weltjugendtreffen in einer ganz bestimmten Perspektive ein: Er selber ist ein Zeuge, der sichtbar macht, dass Gott in sein Leben eingedrungen ist, dass Gott dieses Leben mehr und mehr erfüllt hat, ja, so sehr in Beschlag genommen hat, dass er sich nur mehr von dem "Ja" zum Kommen Gottes in sein Leben verzehren lassen kann. Zweifellos hat die weltweite Wirkung des Papstes gerade in dieser jetzigen Phase seines Lebens damit zu tun, dass in ihm sichtbar ist: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, mitten in einem Menschenleben. Er lädt also zu diesem Weltjugendtreffen ein. Er lädt zu einem Weg der Nachfolge Jesu ein, einem Weg, den er nicht von außen beschreibt, sondern den er selber geht, ja, den er selber darstellt, sichtbar macht. Er möchte, dass das Weltjugendtreffen eine Einladung zur Nachfolge in einer ganz konkreten Form sei. Und zwar in Anlehnung an das, was in der alten Kirche für die Taufkandidaten galt. Er möchte, dass das Weltjugendtreffen so etwas wie eine "Traditio" und "Redditio Symboli" wird - ich erkläre kurz, was damit gemeint ist.

In der alten Kirche war es üblich, dass die Taufbewerber, die so genannten Katechumenen, nach einer Zeit der Einführung in den Glauben, in die Lehren des Glaubens, nach einer Zeit der Katechese, das Glaubensbekenntnis überliefert bekommen. Man nennt es die "Traditio Symboli", es wird ihnen die Kurzfassung unseres Glaubens in der Form des Glaubensbekenntnisses "übergeben". Damit sie es lernen, damit sie es auswendig können, aber nicht nur äußerlich, sondern damit sie es inwendig können und kennen, damit es ihr eigenes Bekenntnis wird. Und auf diese feierliche Übergabe, die ein eigener Ritus ist in den Etappen der Anrufvorbereitung, folgt dann nach einiger Zeit ein zweiter Ritus , der die "Redditio Symboli"genannt wird. Die Taufkandidaten sollen das Glaubensbekenntnis, das sie überliefert bekommen haben, "zurückgeben", nicht um sich davon wieder zu trennen, sondern um es zu bezeugen vor der Gemeinde, vor der Kirche. Sie sollen selber Zeugen des Glaubens werden. Das, was sie empfangen haben, sollen sie wiedergeben. Das ist nicht nur ein kognitiver Vorgang, das ist es auch - man lernt das Glaubensbekenntnis und kann es dann auch wieder aufsagen - sondern sie sollen Zeugen werden, sie sollen Mitspieler in dem Drama des Glaubens werden. Das Symbolon, das Bekenntnis des Glaubens, soll so in ihr Leben eingedrungen sein, dass es aus ihnen spricht, dass sie es nicht nur mit Worten, sondern mit ihrem Leben wiedergeben. Das Geschehen der Menschwerdung Gottes hat sie erfasst, und jetzt können sie sagen, wie die Apostel es nach Pfingsten in Jerusalem gesagt haben: Unmöglich können wir darüber schweigen, was wir gesehen und gehört haben. Es ist ihnen sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen.

Nun will der Heilige Vater auf dem Weltjugendtreffen die jungen Menschen aus der ganzen Welt zu diesem Weg einladen. Damit sie das Glaubensbekenntnis neu empfangen, gewissermaßen von ihm entgegennehmen, und es dann wieder "zurückgeben", bezeugen können. Der Papst tut hier im Grunde nichts anderes als das, was Petrus zu Beginn der Kirche getan hat. Darum möchte ich jetzt ein wenig auf den Weg schauen, den Petrus gegangen ist, wie er zu dieser "Traditio Symboli" und zur "Reditio Symboli" gekommen ist. Wie ist Petrus zum Zeugen geworden? Beginnen wir mit dem Anfang seines Weges. Im Leben des Simon Barjona und seines Bruders Andreas ist in einem bestimmten Moment Gott "eingebrochen". Man kann wirklich sagen, in das Leben dieser Fischer hat der Ruf Gottes wie ein Blitz eingeschlagen. Plötzlich war er da und hat sie weggerufen von den Booten, von ihrem Fischerberuf: "Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen." (Mt 4,19) Sicher gab es Vorbereitungsschritte zu diesem plötzlichen Ereignis.

Der Evangelist Johannes berichtet es, und es war das das Motto des letzten Weltjugendtreffens in Paris. Das Wort, das die beiden Johannes-Jünger, Andreas und Johannes, gesagt haben, als sie Jesus nachgefolgt sind, Jesus sich umdreht und sie ihn fragen: "Meister, wo wohnst du?" und Er ihnen antwortet: "Kommt und seht!" Und sie blieben diesen Tag bei ihm, sie sahen, wo er wohnte. Und am nächsten Tag - heißt es bei Johannes - hat Andreas, einer dieser beiden, seinen Bruder Simon gesehen und gesagt: "Wir haben den Messias gefunden!" Und er führte ihn zu Jesus. So mag es eine vorbereitende Begegnung gegeben haben, eines steht fest: Am Anfang seht die Initiative Gottes. Gewiss, es gab bei den Aposteln - bei denen, die später Apostel wurden - ein Suchen: "Meister, wo wohnst Du?" - eine Neugierde, ein inneres Suchen, aber auch dieses Suchen, so glauben wir, ist bereits von Gott geführt. Es ist die Sehnsucht, die Gott in das Menschenherz legt. Aber dann, die Berufung am Ufer des Sees, wie Jesus sie wegruft von den Booten und ihrem Fischerberuf, das ist reine Initiative Gottes. Das geht von ihm aus. Am Anfang steht die souveräne, freie Tat Gottes. Er kommt, wann und wo und wie er will. Am Anfang steht nicht menschliche Tradition, sondern göttliche "Traditio", göttliche Hingabe. Jesus sagt es dem Nikodemus: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, hingegeben hat. Und das Wort, das Johannes hier gebraucht, ist das selbe Wort wie "Traditio" - Hingabe, Weitergabe, Übergabe. Und Paulus wird später sagen: "Als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn. In Freiheit, in völliger Souveränität, setzt Gott den Anfang. Ich glaube, wir können nicht tief genug betrachten, immer wieder betrachten, was es heißt, das Gott die absolute, souveräne Initiative hat. Ich glaube, wir können uns das nicht tief genug ins Herz eindringen lassen.

Gott ist Ursprung, alles geht von ihm aus, alles was ist, kommt von ihm. Alles, die Weiten des Kosmos, das Werden der Welt, das Leben, der Mensch. Und selbst die größten Werke der Menschen, selbst die größten Kunstwerke und Werke der Technik, auch sie kommen von ihm, weil Er uns das Können, das Wirken geschenkt hat. Auch sie sind noch einmal seine Gabe. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir diesen Gedanken ganz bewusst einüben: Alles kommt von ihm, alles ist seine Initiative. Zweifellos ist die Menschwerdung Gottes reine Initiative Gottes. Sie ist das zentrale Ereignis der Weltgeschichte, der Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Für immer ist Gott Mensch geworden, für immer ist die Welt anders geworden, hat ein neues Vorzeichen bekommen, seit Gott selber Geschöpf geworden ist. Dieses Ereignis, das die ganze Weltgeschichte verändert hat, die Situation der Welt, die so unheilsreiche Geschichte der Welt mit einem neuen Vorzeichen versehen hat, dieses Ereignis kommt in die Welt mit ganz konkreten Schritten zu einzelnen Menschen, indem es in das Leben von einzelnen Menschen einbricht und es verwandelt. Noch einmal zurück an den See Genezareth: Dort, wo die Fischer ihre Netze waschen, dort geschieht dieses, die Welt zutiefst verändernde Ereignis. "Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen."

Und seither ist unzählige Male das geschehen, was damals geschehen ist, aber es ist nie mehr so geschehen, wie es am Anfang geschehen ist. Das, was damals in Galiläa begann, hat sich in dieser Weise nicht wiederholt. Denn diese Ersten, in deren Leben das Geheimnis der Menschwerdung Gottes eingebrochen ist, diese Ersten sind Zeugen geworden. Und von jetzt an werden wir immer auch durch Zeugen, durch Menschen, in deren Leben das geschehen ist, das Geheimnis der Menschwerdung erfahren, und es wird so zu uns kommen. Seit damals kommt der Ruf Gottes immer durch die Kirche, durch die Zeugen. Aber ich komme gleich darauf noch einmal zurück, bleiben wir vorerst bei Petrus. Er und seine Gefährten sind also Jesus gefolgt. Sie gehen mit ihm, sie beginnen, ihn kennen zu lernen. Sie beginnen, sich kennen zu lernen im Kontakt mit ihm, er lässt sie immer mehr erkennen, wer sie eigentlich sind, sie lernen ihren Kleinglauben kennen, ihre Schwächen, ihr Versagen, und immer deutlicher sehen sie, ahnen sie, erkennen sie, wer er ist. Bis es dann zu einem Höhepunkt kommt, im Norden von Galiläa, auch da eine ganz bestimmte Stelle, ein bestimmter Ort in dieser Welt, nicht irgendwo: bei Cäsarea Philippi, an den Jordan-Quellen. Wo Jesus ihnen die Frage stellt: "Für wen halten die Leute den Menschensohn?" Dort, in der Nähe von Cäsarea Philippi, wo er mit ihnen alleine ist, dort stellt er ihnen dann die Frage: "Und ihr, für wen haltet ihr mich?" Und Petrus antwortete: "du bist der Mesias, der Sohn des lebendigen Gottes!" (vgl. Mat 16, 13-16)

Was ist da geschehen? War das ein rein erkenntnismäßiger Vorgang? Hat Petrus sozusagen theoretisch erfasst, wer Jesus ist? Ich glaube, wir könne sagen, in diesem Moment ist Jesus endgültig durch die Tür seines Herzens eingetreten. Da ist etwas endgültig geschehen im Leben des Petrus, Paulus würde sagen, Simon hat Jesus erkannt. Aber nicht rein theoretisch sondern, so wie die Bibel von Erkennen spricht. Es ist das Wort, das auch für die Liebesvereinigung gebraucht wird. Paulus wird von sich selber sagen, dass er Christus erkannt hat, vielmehr, dass er von ihm erkannt worden ist. Damals fand in Cäsarea Philippi das statt, was in der "Traditio Symboli" geschehen soll. Wenn das Glaubensbekenntnis überliefert wird. Damals ist sozusagen der Grundstein des Glaubensbekenntnisses gelegt worden, und alles, was wir im Glauben seither bekennen, steht auf diesem Fundament: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes." Petrus hat den vollen Glauben, die volle Erkenntnis, die innere Herzenserkenntnis erhalten, wer Jesus wirklich ist. Jesus ist ihm ins Herz gegangen. Jetzt das Entscheidende: Die Initiative dazu ist eindeutig Gotte Werk. Jesus sagt es in aller Klarheit: "Selig bist du, Simon Barjona, nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart" - nicht menschliche Klugheit, das hast du dir nicht ausgedacht, das hast du auch nicht in Theologiebüchern studiert - "das hat dir mein himmlischer Vater geoffenbart." (Mt 16,17). Das ist "Traditio Symboli" als Initiative Gottes. Nicht Fleisch und Blut, nicht menschliche Klugheit, der Vater hat es geoffenbart. Und nur er kann offenbaren, wer Jesus ist, seine Initiative. Ein andermal betet Jesus, es ist wie ein Jubel, der in ihm aufbricht: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast." (Mt 11,25). "Du, Vater, hast es geoffenbart." Wem der Vater Jesus als den Sohn Gottes offenbart, dem teilt er nicht ein Information mit, das ist nicht eine Internet-Information, die man downloaden kann. Diese Offenbarung nimmt in Beschlag. Wer diese Offenbarung bekommt, gehört nicht mehr sich selber, der gehört zu Jesus. Das hat Paulus auf dem Weg nach Damaskus erfahren, wenn er selber über dieses Ereignis schreibt im Galaterbrief "Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte, seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich nicht Fleisch und Blut zu Rate" (Gal 1,15-16), sagt Paulus. Also auch hier "Nicht Fleisch und Blut, nicht menschliche Klugheit sondern der, der mich vom Mutterschoß an erwählt hat, hat seinen Sohn in mir geoffenbart". Und jetzt das entscheidende: "Damit ich ihn unter den Heiden verkünde". Wem Gott Jesus offenbart, den nimmt er in Beschlag. Wem das Geschenk des Glaubens geschenkt wird, der kann nicht mehr aus, der wird gebraucht. Er ist einbezogen in die Geschichte der Menschwerdung, in die Geschichte des Kommens Gottes, der wird zum Mitspieler.

Für Petrus gilt das in ganz überragender Weise, als Jesus ihm gesagt hatte: "Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist. Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen." (Mt 16,17-18). Du wirst gebraucht, von jetzt an gehörst du nicht mehr dir selber, dein Name ist geändert, du bist nicht mehr Simon, du bist Petrus der Fels, du bist Zeuge. Und von da an beginnt die Geschichte der "Redditio Symboli". Der Glaube ist ihm ins Herz gegangen und jetzt muss er, er kann nicht anders, als Jesus zu bekennen. Das Geschenk, Jesus als den Christus, den Sohn Gottes, glauben zu können muss weitergegeben werden, es muss die Geschichte weitergehen.

Sehen wir uns das noch kurz an, wie das bei Petrus weitergegangen ist. Zuerst einmal mit einem dramatischen Scheitern. Unmittelbar danach kommt die Szene, wo Jesus ihm und den anderen Aposteln sagt, dass er Leiden werde. Petrus nimmt ihn bei Seite und sagt: "Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen." (Mt 16,22-23). Zu keinem Apostel hat er je Satan gesagt. Petrus macht die Erfahrung des Kleinglaubens, ja sogar die Erfahrung des dreimaligen Verrates. Aber dann kommt Ostern und Pfingsten und zu Pfingsten sehen wir Petrus in Jerusalem. Schauen wir nach Jerusalem, dem Schauplatz des Pfingstfestes. "Da trat Petrus auf, zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden: Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem! Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte! Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Morgen; sondern jetzt geschieht, was durch den Propheten Joël gesagt worden ist: In den letzten Tagen wird es geschehen, so spricht Gott: Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst _ ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht.

Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Christus Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt" (Apg 2,14-36). So die Predigt des Petrus in Jerusalem. Und dann, "Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen" (Apg 2,37-38). An diesem Tag wurden ihrer Gemeinschaft etwa 3.000 Menschen hinzugefügt. Was geschieht an diesem Vormittag des Pfingstfestes in Jerusalem? Es traf sie mitten ins Herz, es wird ihnen die Erkenntnis geschenkt, dass das was sie getan haben Schuld vor Gott ist, es erfasst sie Reue und das Verlagen nach Umkehr. Durch das Zeugnis des Petrus ist Jesus in ihr Leben eingebrochen, ihr Leben hat sich verwandelt durch Reue, Umkehr und Taufe und es beginnt etwas Neues. Alle wurden von Furcht ergriffen, denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen, und alle die Gläubig geworden waren bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mal in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollen. Ihr Zeugnis geht weiter, das was als erste "Traditio Symboli" damals am See Genezareth geschehen ist, was sich in Cäsarea Philippi verwirklicht hat, das geht weiter durch die Geschichte der Kirche. Menschen werden hinzu gefügt und werden zu Mitspielern, nicht eine Theorie übernehmen sie, eine Weltanschauung sondern es trifft sie ins Herz und sie werden selber angesteckt und anstecken so, dass die Geschichte weitergeht. So beginnt die Geschichte der Kirche und so geht sie bis heute weiter.

Schauen wir uns zum Schluss an, was nun die Idee des Heiligen Vaters für das Weltjugendtreffen ist, in dieser Perspektive. So wie Petrus in seiner Predigt - der der selber ein beschenkter, ein reuiger Sünder war, der selber den Herrn verraten hatte, der aber zurückgekehrt war - so wie die Predigt des Petrus die Herzen berührt hat und Menschen zu Zeugen gemacht hat, so bleibt es bis heute, das Werk Gotte durch das Zeugnis derer, die das Symbolon zurück geben, weiter geben. Zum Schluss die Frage: Wie ist es bei mir? Wie ist die Gabe des Glaubens zu mir gekommen? Wer waren die Zeugen, die mir den Glauben nicht als Lehre, nicht als Theorie, sondern als Leben bezeugt und weitergegeben haben? Welche Menschen waren das? An welchen Orten und zu welcher Zeit? Wie habe ich Jesus kennen gelernt, und wo wurde dieses Kennen lernen Jesu für mich ein "Mitspielen", ein "Hineingezogen -Sein" in seine Geschichte, also eine Berufung, ein Auftrag, eine Sendung?

Hier setzt aber auch die Gewissenserforschung an: Wo habe ich ihn verleugnet, verdrängt, nicht kennen wollen? Die Gnade des Heiligen Jahres ist die Gnade dieser Umkehr: "Es traf sie mitten ins Herz" - die Umkehr zur Erneuerung der Gnade unserer Taufe. Das Weltjugendtreffen im August wird als Höhepunkt - ich weiß noch nicht, wie konkret das sein wird - eben diesen Moment haben, dass der Papst den Jugendlichen die "Traditio Symboli" nachvollzieht, ihnen das Glaubensbekenntnis noch einmal übergibt. In der feierlichen Abschlussmesse, die der Höhepunkt des Weltjugendtreffens am 20. August sein wird, wird der Papst als Zeuge Jesu Christi, als Zeuge dessen, der in die Welt gekommen ist, als die Gabe des Vaters an die Welt, den Jugendlichen den Auftrag geben, weiterzugeben, was sie empfangen haben. "Traditio Symboli" soll zur "Redditio Symboli" werden. Das Wort ist Fleisch geworden, dieses Ereignis ist auch heute Wirklichkeit, wir werden miteinbezogen in diese Geschichte, in dieses Geschehen, und so werden wir mitwirken, dass Christus unter uns sein Zelt aufschlägt. Denn wörtlich heißt es im griechischen Text bei Joh 1,14: "Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen." Und so werden wir auch Menschen werden, Menschen sein und dürfen es schon sein, die anderen sichtbar machen und es ihnen ermöglichen zu sagen, Gott wohnt in eurer Mitte.
 

Bitte um das Gebet für das Gelingen des Weltjugendtreffens, dass auch uns die Gnade des Heiligen Jahres trifft. 
Gelobt sei Jesus Christus!

 

 



 

 

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