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Katechesen
1998/1999
3. Jahresreihe - 7. Katechese, 21.03.99
Mündliches, betrachtendes,
kontemplatives Gebet |
Mündliches,
betrachtendes, kontemplatives Gebet
Lasst uns beten: Heiliger Geist
der Wahrheit und der Liebe, erleuchte unseren Verstand, stärke unseren
Willen, wohne in unserem Gedächtnis, lass uns im Glauben wachsen, mach uns stark in der Hoffnung,
entzünde in uns das Feuer deiner Liebe, führe uns ein in die ganze Wahrheit, führe uns
zu Christus, unserem Herrn, Amen. Die heutige Katechese soll wieder den Formen des
Gebetes gewidmet sein. Aber nicht den Formen, die wir letztes Mal
besprochen haben:
Dank, Lob, Bitte, Anbetung, Segen, sondern den drei Gebetsweisen, wie
sie der Katechismus in einem eigenen Kapitel unter dem Titel "Das Gebetsleben"
behandelt. Das mündliche Gebet, das betrachtende Gebet und dann das, was sicher das
Herz allen Betens ist, das ist das innere Gebet. Das kontemplative oder beschauende Gebet,
das Gebet, das wir als das Gebet schlechthin bezeichnen können, weil es uns mit
Gott vereint, das mündliche Gebet. Das mündliche Gebet ist der ganz spontane Ausdruck
eines Wesens, das aus Leib und Seele besteht, weil wir als Menschen Leib und Seele haben,
beten wir nicht nur mit dem Geist, wir beten auch mit unserem Leib. Wir beten durch das
Wort. Auch wenn wir innerlich beten, ist es immer ein Wort, sind es Worte, die wir
sprechen, es sei denn, es wird einmal ganz still in uns. Wir bedürfen des Wortes, um zu
Gott zu sprechen.
Oratio, Gebet, wird von der alten Etymologie des
Isidor von Sevilla, den man im Mittelalter viel gelesen hat, wahrscheinlich ganz falsch
als "oris ratio" gedeutet. Oratio, die Vernunft des Mundes, das, was wir mit dem
Mund aussprechen, was "aus dem Herzen kommt". Das Gebet ist immer - es sei denn,
es wird zum stummen Gebet - ein Gebet der Worte. Aber wir wissen aus dem Evangelium, es
kommt nicht auf die vielen Worte an, es kommt darauf an, dass wir mit dem Herzen, mit der
Seele, "mit der Inbrunst unserer Seele", sagt Johannes Chrysostomos, beten. Nun
schauen wir ein wenig an: Was bedeutet dieses mündliche Beten, wie sieht es aus, welche
Gestalten hat es, welche Erfahrungen machen wir damit, wie kann es uns helfen auf dem Weg
des Betens?
Wenn wir durch das AT gehen, so
ist dort eine Fülle von formulierten Gebeten zu finden, am bekanntesten
sind die Psalmen, die 150 Gebete, die bis heute in der Synagoge, aber
auch bei uns gebetet werden. Das formulierte Gebet ist ein
unverzichtbarer Teil des Betens. Nun kann dieses formulierte Gebet ein frei formuliertes
sein oder eines, das wir in einer überlieferten Form bekommen. Beides spielt in unserer
eigenen Gebetserfahrung eine wichtige Rolle. Jesus hat seinen Jüngern ein formuliertes
Gebet gegeben, das "Vater Unser", er hat uns damit Worte gelehrt, mit denen
wir beten sollen. Er selber hat natürlich das mündliche Gebet gelernt - in der Synagoge
und zu Hause -, wie schon gesagt, die Psalmen und die anderen Gebete Israels. Jesus hat
uns aber auch manchmal sein ganz persönliches Gebet durchscheinen lassen in einem
mündlich formulier- ten Gebet.
Wir haben in einer früheren Katechese einige dieser
Gebete auch ausdrücklich genannt. Erinnern wir uns an diesen Jubelruf Jesu im
Matthäus-Evangelium im 1. Kapitel, wie es - gewissermaßen - aus Jesus heraus bricht, aus
seinem Herzen, aus seiner Seele: "Vater, ich preise dich, Gott des Himmels und der
Erde, dass du dies den Klugen und Weisen verborgen, den Unmündigen aber offenbart
hast". Ein Gebet, das aus dem Herzen Jesu hervorbricht und das seine Jünger gehört,
sich gemerkt haben, bis hin zu den letzten Gebetsworten in Getsemani und am Kreuz. Das
mündliche Gebet hat also im Leben des Christen, im Leben auch der anderen Religionen
natürlich einen unersetzbaren Wert, eine wichtige Bedeutung. Nun schauen wir uns ein
wenig an, was das bedeutet, dass wir Worte brauchen zum Beten und dass wir diese Worte
auch aussprechen oder singen, und dass wir dazu auch körperliche Gesten haben.
Wir beten mit dem Leib und mit der
Seele, mit dem ganzen Menschen. Wir empfinden das Bedürfnis, unsere Seele
gewissermaßen auszudrücken, durch Worte, aber auch durch Gesten. Wie wichtig ist die
Körpersprache im Gebet! Man kann natürlich liegend auf dem Bett ausgestreckt und bequem
beten, man kann auch beten, wenn man in Krankheit daniederliegt. Aber wir spüren,
dass es
Momente gibt, wo diese Haltung alleine nicht genügt. Wenn wir dazu in der Lage sind, dann
drängt es uns z. B. zum Niederknien, bis hin zur Geste des sich ganz Niederwerfens vor
Gott, wie wir es gelegentlich in der Liturgie vollziehen. Etwa am Karfreitag, wenn die
Liturgen zu Beginn des Gottesdienstes sich ganz auf den Boden werfen, eine Geste des
Gebetes, die den ganzen Körper mit einbezieht. Der hl. Dominikus hat neun Gebetsformen,
Gebetsarten gekannt, oder seine Mitbrüder haben sie an ihm beobachtet und sie auch
aufgezeichnet, und es ist eine Tradition im Dominikanerorden geworden, diese neun Arten
des leiblichen Gebetsausdrucks auch zu pflegen. Ich kann jetzt die Gesten nicht alle
vormachen, aber sie gehen von den weit ausgestreckten Armen in Kreuzform über das Knien,
die tiefe Verbeugung, das Sich-Niederwerfen in ganzer Länge, um so zu beten, bis hin zu
einer Geste, die der hl. Dominikus, scheint es, gerne hatte, dass er sich wie eine Kerze
pfeilgerade im Gebet aufrichtete, um so seine ganze Anspannung, seine ganze
Ausgestrecktheit hin zu Gott zum Ausdruck zu bringen. Manchmal ist es so,
dass uns der
Leib fast ein wenig voraus geht, dass die Seele nachkommt. Es ist manchmal die Erfahrung,
dass, wenn wir niederknien, dann auch gewissermaßen das Herz nachfolgt, und deshalb ist
es so wichtig, dass wir mit dem Leib beten, dass wir unser Gebet körperlich ausdrücken!
Dazu gehört auch der Gesang, der Gesang, der zu den elementaren Ausdrucks- formen des
Gebetes gehört. Wir alle kennen das Wort des hl. Augustinus - man weiß nur nicht, wo es
bei Augustinus steht, man schreibt es ihm auf jeden Fall zu - "wer singt, betet
doppelt, betet zweifach", d. h., dass der Gesang ein mündlicher, körperlicher Aus-
druck des Gebetes ist, der uns ins Gebet hineinzieht und uns mit Leib und Seele ins Gebet
hinein nimmt.
Warum sollen wir formulierte Gebete verwenden und
wann sollen wir frei beten? Beides hat seinen Platz! Das frei formulierte Gebet ist sicher
ein Ausdruck des Herzens, kann ein ganz persönlicher Weg des Gebetes sein, auch in einer
Gemeinschaft, im gemeinsamen Gebet, das jeder persönlich frei betet. Aber man darf
deswegen nicht das vorformulierte Gebet verachten. Es ist oft für uns eine Hilfe, in
einem Gebetbuch ein Gebet herzunehmen, das ein großer Beter formuliert hat, ein Heiliger,
oder eben die Psalmen des AT. Denn nicht immer haben wir den Geist so wach und nicht immer
sind uns auch die Worte gegeben, zu sagen, was wir im Gebet sagen wollen. Es ist deshalb
das vorformulierte Gebet eine große Hilfe. Ja, wenn wir die Psalmen beten, dann kann
gerade das Mitbeten eines uns schon vorgegebenen Gebetes auch in uns selber neue
Aufschwünge des Gebetes erwecken. Beim selbst formulierten Gebet besteht ein wenig die
Gefahr, dass wir in uns selber kreisen und deshalb ist es so gut, gute, formulierte Gebete
zu verwenden, die uns gewissermaßen mitnehmen und unser Gebet bewegen.
Die hl. Theresia von Avila gibt uns eine ganz
einfache Regel, wie das mündliche Gebet zum aufmerksamen Gebet werden kann. Denn eine
Gefahr kennen wir natürlich beim mündlichen Gebet, bei den vor- formulierten Gebeten:
Dass sie zur Routine werden, dass man sie so gut kennt, dass man zerstreut wird dabei.
Theresia v. Avila sagt, dass wir uns bewusst werden sollen, zu wem wir sprechen, dieser
einfache Gedanke: "Mit wem spreche ich?". Wenn ich jemanden besuche, der mir
besonders wichtig ist, dann bin ich ganz wach in dem Gespräch mit ihm, bewusst, mit wem
ich jetzt rede. Bei einer Audienz beim Papst wird man sicher nicht auf jedes eigene Wort
achten, sondern sehr wach auf das achten, was jetzt der Heilige Vater sagt und zu
verstehen gibt. Und wenn wir uns bewusst sind, mit wem wir sprechen, dann ist das
mündliche Gebet bereits eine erste Weise des inneren Betens, dann ist die Brücke hin zum
inneren Beten gegeben. Also zusammengefasst: Das mündliche Gebet ist deshalb so wichtig,
weil wir leibseelisch sind, weil wir aus Leib und Seele bestehen und deshalb als ganze
Menschen beten. Und das mündliche Gebet ist die Form, die uns gemeinsam im Gebet
verbindet. Natürlich ist es schön, mit anderen, stillen Betern im Gebet beisammen zu
sein, in der stillen Anbetung. Aber das gemeinsame Gebet ist eben ein Mündliches und das
Volk Gottes drückt sich aus im gemeinsamen Gebet. Deshalb ist es so wichtig,
dass wir
auch Grundgebete gemeinsam kennen und können. Eine ganz einfache Form ist die Form des
Rosenkranzgebetes, wo man eintauchen kann in das gemeinsame Gebet des Volkes Gottes.
Ich komme zur zweiten Form des Gebetes, die
eigentlich nicht direkt eine Form des Gebetes ist, sondern eher so etwas wie eine Vorform
oder ein Weg zum Gebet, nämlich die Betrachtung, die Meditation. Das betrachtende Gebet,
die Meditation ist ein Suchen, ein Nachdenken, ein Nachsinnen, das alle Sinne mit einschließen kann, das Gemüt, das Gefühl, den Verstand, die Vernunft, den Willen.
Die Meditation ist sozusagen der Vorhof des Gebetes, die Zubereitung, die Zurüstung zum
Gebet. Was ist der Sinn der Meditation, der Betrachtung? Nun, zuerst einmal das
Stillwerden und das "Sich-sammeln" auf das, was wir betrachten, um mit dem,
was wir betrachten, vertraut zu werden, uns auf es einzulassen, uns auch von ihm prägen
zu lassen und so unser Leben bestimmen zu lassen. Die Betrachtung schlechthin ist
sicher die Betrachtung des Lebens Jesu. Die Meditation seines Lebens und Sterbens, der
einzelnen Szenen seines Lebens, wie die Evangelien sie uns vorstellen. Darüber hinaus
kann aber die Betrachtung sich auch bestimmten Themen zuwenden. Ich kann über das ewige
Leben zu betrachten versuchen, ich kann einzelne Geheimnisse des Glaubens zu betrachten
versuchen. Ich kann auch über bestimmte Vorgänge im geistlichen Leben die Betrachtung
suchen, dazu können Bilder, Worte, Bücher eine Hilfe sein.
Die Bedeutung der Bilder in der Betrachtung: Es gibt
eine lange Kontroverse über die Frage, ob wir in der Betrachtung eher dahin streben
sollen, möglichst leer zu werden, möglichst keine Vorstellungen zu haben, oder ob es
gut ist, sich etwas möglichst anschaulich vorzustellen. Wir wissen, es gibt beide
Schulen: Die östlichen Religionen lehren, dass wir möglichst leer werden sollen,
möglichst alle Bilder ausschalten sollen. In meiner Studentenzeit gab es eine intensive
Strömung der gegenstandslosen Meditation, also möglichst wegkommen von allen Bildern,
allen Gegenständen, sozusagen nur einen Zustand der Sammlung zu erreichen. Es wirft hier
die Frage auf, ob das der christliche Weg sein kann. Eine Frage, die immer wieder gestellt
wird im Kontakt mit den östlichen Meditationswegen ist z. B.: wie ist die Zen-Meditation
mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren, die ja ganz ausdrücklich auf das bildlose
Betrachten, das vorstellungslose, reine Dasein abzielt. Nicht denken, nicht fühlen,
nichts vorstellen, sondern einfach ganz da sein, gesammelt sein. Ich kenne sehr engagierte
Christen, die diesen Weg gehen, und ich wage nicht zu sagen, das ist ein Weg, der für
Christen nicht geht. Ich glaube aber, dass der große Strom der christlichen Meditation in
eine etwas andere Richtung geht.
Die hl. Theresia v. Avila hat sehr unter ihren
Beichtvätern zu leiden gehabt, die, wie sie selber fand, eher unerleuchtet waren, bis sie
dann Dominikaner als Beichtväter bekam. Von da an ging es aufwärts. Sie hatte
Beichtväter, die ihr strikt verboten haben, sich Vorstellungen zu machen im Gebet und
in der Betrachtung. Sie haben ihr sogar verboten, sich Jesus vorzustellen und sie gelehrt,
diese Bilder ganz auszulöschen, damit sie zum reinen Gebet kommt, denn Gott ist ja Geist
und im Geist und in der Wahrheit sollen wir ihn anbeten, so war die Deutung. Theresia hat
sehr darunter gelitten, denn ihre Liebe zu Christus hat sie natürlich gedrängt, sich
Christus vorzustellen, seinen Lebensweg, die Szenen seines Lebens, ihn zu betrachten in
seinem Leiden. Sie hatte dann auch die Gnade, dass Christus sie getröstet hat, sie solle
Geduld haben, bis schließlich ihre Beichtväter zu ihr gesagt haben: Im Gegenteil, sie
soll ganz klar diesen Weg gehen. Unsere Betrachtung gilt Jesus Christus, denn er ist das
Bild des unsichtbaren Gottes, in ihm haben wir wirklich das Bild Gottes. Gott ist Geist,
ist unsichtbar, das stimmt! Aber er hat uns ein Gesicht geschenkt. Im Antlitz Jesu sehen
wir den Vater. "Wer mich sieht, sieht den Vater", sagt Jesus in den
Abschiedsreden.
So kommt Theresia dazu, ganz nachdrücklich ihre
Schwestern und in ihren geistlichen Schriften auch allen Lesern zu empfehlen, möglichst
immer ein Bild Christi, der Mutter Gottes, ein Bild aus dem Leben Jesu, ein Bild von
Heiligen vor Augen zu haben. Denn wir sind Menschen aus Leib und Seele, und wenn unsere
Sinne nicht mit Christus genährt werden, dann besteht die Gefahr, dass sie andere Nahrung
bekommen, von anderen Bildern geprägt werden und auch beschädigt werden. Heute, in
einer Zeit, in der wir so überflutet sind von Bildern, ist das noch viel deutlicher und
wichtiger geworden. Wie wichtig ist es heute, heilige Bilder zur Betrachtung zu haben,
damit auch unser Unterbewusstes geprägt wird von der Gegenwart dessen, was wir schauen.
"Wir werden, was wir schauen" sagen die Väter. Wenn wir das Bild Christi, das
Bild der Muttergottes, das Bild des Gekreuzigten vor Augen haben, dann prägt sich das in
unser Leben, auf unsere Seele ein. So viel zu den Bildern.
Der hl. Ignatius hat geraten, dass wir ganz bewusst
bei der Betrachtung des Lebens Jesu - des Lebens der Heiligen, aber besonders des Lebens
Jesu - gewissermaßen alle Sinne mit einbeziehen dürfen. Wir dürfen uns die Szene
vorstellen, wir dürfen uns gewissermaßen mit allen Sinnen hinein betrachten, in das, was
wir betrachten, wenn wir die Geburt Jesu in Betlehem betrachten, oder seine Agonie in
Getsemani. Und dieses Einbeziehen aller Sinne in das Betrachten war auch - wenn wir es
jetzt von der Kunstgeschichte her betrachten - einer der großen Motoren, der großen
Anreger der christlichen Kunst. Jahrhunderte lang haben Künstler das Leben Jesu
betrachtet und haben aus dieser anschaulichen Vorstellung dann auch ihre Bilder
geschaffen, und die großartigen Bilder sind auf diese Weise aus der Betrachtung
entstanden. Neben den Bildern haben wir natürlich die Bücher. An erster Stelle die
Heilige Schrift, die Evangelien, die Schriftbetrachtung. Sie ist für unseren Glaubensweg
ganz wesentlich. Etwa die Betrachtung des Sonntagsevangeliums, der Schrifttexte zum Tag,
die die Liturgie uns an diesem Tag gibt, oder einfach die fortlaufende Lesung in der
Heiligen Schrift, ein gutes Betrachtungs- buch.
Der hl. Clemens Maria Hofbauer hat gegen die
Traktätchen gekämpft, wir haben letzte Woche sein Fest gefeiert. Er war überzeugt,
dass es wichtig ist, die Gläubigen mit guter, geistlicher Nahrung zu füttern und hat
sich deshalb bemüht, die großen, geistlichen Lehrer auch unter dem Volk in
Druckschriften zu verbreiten. Eine gewisse Versuchung besteht schon darin,
dass wir all zu
viele Traktätchen und Schriftchen lesen, statt zu den großen Meistern zu gehen. Die hl.
Thérèse von Lisieux hat immer wieder und wieder "Die Nachfolge Christi" (von
Thomas von Kempten) gelesen, sosehr, dass sie weite Teile daraus auswendig konnte. Aber im
Lauf ihres Lebens hat sie dann immer mehr auch das beiseite gelassen und nur das
Evangelium betrachtet. Sie sagt ausdrücklich, dass sie im Evangelium alles findet, was sie für
ihre kleine Seele braucht, gute Betrachtungsbücher sind ein Segen. Oft ist es genügend,
einfach ein paar Zeilen zu lesen, einen Absatz zu lesen und wenn die Betrachtung sich dann
gewissermaßen entzündet, dabei zu bleiben und eben das, was an Anregung gekommen
ist, zu betrachten. Immer wieder wird die Frage gestellt: "Welche Methode soll man in
der Betrachtung verwenden?" Es gibt natürlich viele Methoden, viele Wege der
Betrachtung. Es gibt die lectio divina als Betrachtungsweise, die methodische Betrachtung der Heiligen Schrift. Es gibt verschiedene Methoden, wie man in die Betrachtung
hineinkommt. Wichtig ist, dass wir meditieren, wichtig ist, vor allem,
dass wir uns dazu
die Zeit nehmen. Wenn wir nicht die Zeit zur Betrachtung haben, dann verdörrt allmählich
unser geistliches Leben, es wird zum felsigen, zum Dornen überwachsenen Boden, das Wort
Gottes wird erstickt. Es ist eine große Sorge, ja manchmal auch ein Erschrecken dabei,
wenn wir daran denken, dass der Acker unserer Seele unfruchtbar werden kann, weil wir uns
einfach zuwenig geistlich ernähren. Der Führer, der Leiter unserer Meditation wird
natürlich immer der Herr selber sein. Das wachsame Hören auf das, was einem in der
Betrachtung gegeben wird, ist auch ein Weg auf seinem Willen, auf seine Weisung zu achten.
Noch einmal ein Wort zum Rosenkranz, es ist eine
ganz einfache Betrachtungsform. Wir nehmen die Geheimnisse des Lebens Jesu her und
betrachten sie in den 10maligen Wiederholungen des Ave Maria. Ich ermutige zu diesem
Gebet, weil es irgendwie das Gebet der Armen ist, es ist ein Gebet, das wir in jeder
Lebenslage beten können, auch wenn wir zu einer intensiven, persönlichen Betrachtung
nicht in der Lage sind.
Ich komme zum dritten Punkt, dem inneren Gebet. Ich
versuche mit einer gewissen Scheu, davon zu sprechen, denn die Frage, die sich jeder von
uns stellen kann - "habe ich das innere Gebet?" - ist schwer zu beantworten.
Sicher ist, dass Gott jedem von uns dieses innere Gebet schenken will, sicher ist es,
dass
sehr viele Menschen es mehr haben, als sie es wissen. Was ist das innere Gebet? Theresia
von Avila sagt, "nichts anderes als ein freundschaftlicher Umgang mit dem, von dem
wir uns geliebt wissen". Das innere Gebet ist einfach das, was geschieht, wenn das
Herz wirklich mit Gott verbunden ist. Das, was geschieht, wenn wir sagen können,
"nicht mehr ich bete sondern der Herr betet in mir", oder wenn wir mit Paulus
sagen, "ich weiß nicht, wie ich beten soll, aber der Geist tritt mit unaussprechlichem Seufzen für uns ein".
Was ist das innere Gebet? In der vollkommensten Form
ist es ein dauerhafter Zustand, dass unser Herz wirklich ständig bei Gott ist, ob wir
daran denken oder nicht. So wie das Licht ständig da ist, wenn es Tag ist, so ist dieses
Gebet ständig da. Nun gibt es natürlich Schritte auf dem Weg des inneren Gebetes. Zuerst
einmal und immer wieder, der Kampf um die Zeit für das Gebet. Wir müssen sie uns nehmen,
die Zeit. Wenn wir nur beten, wenn wir Zeit haben, dann haben wir meistens keine Zeit zum
Beten. Aber wenn wir uns die Zeit zum Beten nehmen, dann kann das innere Gebet wachsen.
Ganz wichtig und entscheidend ist es, dass wir die Zeit, die wir dem Herrn schenken
wollen, dann auch wirklich durchhalten. Manchmal ist es die Erfahrung,
dass man schon
gleich zu Beginn des Gebetes unruhig wird und weglaufen möchte, und bis zum
Schluss der
Gebetszeit kommt die Versuchung: "Jetzt könnte ich schon weggehen." Aber da
treu zu bleiben, bis die Zeit zu Ende ist, die man bereit ist, dem Herrn im Gebet zu
schenken, auch wenn man nichts empfindet, wenn man ständig mit Zerstreuungen zu kämpfen
hat, doch dabei zu bleiben.
Das Zweite, was für das innere, beschauliche Gebet
wichtig ist, ist gewissermaßen das "Wohnen im Gebet". Dass es eine Sammlung auf
die Gegenwart Gottes hin gibt, ein immer wieder Zurückkehren zur Gegenwart Gottes, ein
Sich-Erinnern an die Gegenwart Gottes, ein Sich-daran-Erinnern, dass Er auf uns wartet und
da ist. Das innere Gebet ist das Gebet der Kinder Gottes. Jesus lehrt uns nicht um- sonst,
Gott "Vater" zu nennen. Die Vertrautheit des Kindes mit dem Vater, die
Vertrautheit mit Gott gewissermaßen als der Grundzu- stand, die Grundhaltung unseres
Lebens. Wenn ich das jetzt so sage, dann haben wahrscheinlich viele von ihnen das Gefühl,
"oje, oje, das habe ich nicht, denn so oft habe ich den Eindruck, ich bin weit weg
von Gott, so oft habe ich den Eindruck, ich bete gar nicht", und doch kann das Gebet
in uns wohnen, auch wenn wir uns dessen gar nicht so bewusst sind. Es gibt so etwas wie
eine Vertrautheit mit Gott, die nicht unbedingt immer bewusst ist, nicht
unbedingt immer ins Bewusstsein kommt, die aber doch da ist und an die ich mich dann wieder erinnere,
und die besonders auch in den Zeiten der Dunkelheit sehr stark sein kann.
Es gibt ein Wort des hl. Antonius aus der Wüste,
wie er durch eine lange, schwere Prüfung gegangen ist, in der es ganz Nacht war in ihm
und er nichts gespürt hat, nur Bedrängnisse, Versuchungen, Anfechtungen, es war eine
Zeit der Nacht. Am Schluss dieser Zeit fragt er Jesus: "Warum hast du mich verlassen,
wo warst du in dieser Zeit?" Da sagt ihm Christus: "Antonius, ich war immer bei
dir", auch in den Momenten wo wir gar nichts davon wahrnehmen, ist der Herr bei uns.
In dem Maß, wie wir im Glauben uns daran festhalten "ja, du bist bei mir", ist
schon dieses innere Gebet bei uns im Wachsen. Das innere Gebet ist die höchste Form, es
ist das eigentliche Gebet. Weil es uns nicht nur Gott nahe bringt, weil wir nicht nur an
Gott denken, zu ihm reden, sondern bei ihm sind, mit ihm verbunden sind. Ich glaube, man
kann das ohne Übertreibung sagen, ich habe es auch schon mehrmals erwähnt, wenn man den
Heiligen Vater beten sieht, dann hat man eine Ahnung von dem, was das innere Gebet sein
muss. So etwas wie ein - fast möchte man sagen, "Eingetaucht Sein ins Gebet",
eine Atmosphäre des Gebetes, die um ihn ist und die er verbreitet, weil er daraus lebt.
Das hat offensichtlich etwas zu tun mit einem Loskommen von sich selber, und in dem Maß,
wie wir auf ihn schauen und weniger auf uns selber schauen, kann diese Atmosphäre des
Gebetes stärker werden, es ist ein Hinschauen auf Ihn. Deshalb ist die Anbetung, auch die
eucharistische Anbetung, eine so große Hilfe auf dem Weg zum inneren Gebet.
Das innere Gebet hat sehr viel zu tun mit Hören,
mit einem Ausgestreckt-Sein, einem Ausgespannt-Sein auf das, was der Herr uns zusagen
hat. Wir fragen uns manchmal, wie haben die biblischen Gestalten das gemacht, ein hl.
Josef, dass er Gott wahrgenommen hat im Traum, oder dass Gott zu Abraham gesprochen hat?
Offen- sichtlich waren sie hörende Menschen. Aber wenn wir nach dem innersten Ort des
Beschaulichen, des Betrachtens, des inneren Gebetes fragen, dann müssen wir noch einmal
zu Jesus selber zurück- kommen. Jesus ist ganz beim Vater und ganz bei uns. Eigentlich
ist der Ort des Gebetes, ich hab das ganz am Anfang gesagt, im Gebet Jesu. Wenn wir uns an
ihn anschließen und mit ihm unser Gebet verbinden, dann sind wir in diesem innersten
Gespräch des Dreifaltigen Gottes. Jesus ganz zum Vater gewendet, eins mit dem Vater im
Heiligen Geist. Nun, das können wir nur im Glauben erfassen und berühren, aber das ist
der innerste Ort unseres Gebetes. Ich möchte es ganz einfach sagen, das Gebet ist ein
Mitleben mit dem Dreifaltigen Gott. Mit diesem inneren Gespräch des Dreifaltigen Gottes
mit zu leben, das ist das innere Gebet. Wie wir das lernen, wie das uns zum Lebensstoff
wird, dass wir ganz aus diesem inneren Gebet leben, das geht eindeutig über unsere
eigenen Fähigkeiten, wir können das nicht machen, das kann nur geschenkt sein.
Noch einmal, wie Paulus sagt, wir wissen nicht, was wir beten
sollen, doch der Geist tritt mit unaussprechlichen Seufzern für uns ein, er, der den
Willen Gottes kennt. Wenn Jesus in uns betet, dann ist es das innere Gebet. Noch einmal,
das innere Gebet ist Gnade, ist Geschenk, und ich bin sicher, viele von uns haben es, alle
sollen es bekommen, allen will Gott es schenken, weil es eigentlich das ist, wozu wir
geschaffen sind. Diese lebendige, innige, innere Verbundenheit mit Gott selber. Das
innere Gebet ist - um es noch einmal mit der hl. Theresia von Avila zu sagen - nichts
anderes als ein freundschaftlicher Umgang mit dem, von dem man sich geliebt weiß. Was
ich jetzt gesagt habe, soll niemanden entmutigen: Die Meister des Karmel, Theresia von
Avila und besonders Thérèse von Lisieux, waren überzeugt, das ist allen angeboten,
allen geschenkt, das soll uns im Gebet geschenkt sein.
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