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Petrusamt - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
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Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 1997/1998
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. Jahresreihe - 7. Katechese, 14.06.98

Petrusamt

Petrusamt

Gelobt sei Jesus Christus!

In einer Woche wird der Heilige Vater schon wieder weg sein. Wir werden ihn schon verabschiedet haben und es wird sicher ein sehr schönes Fest gewesen sein. Aber auch wenn er wieder weggefahren sein wird, wir werden mit ihm verbunden bleiben. Mit ihm, dem unser Land so sehr am Herzen liegt, dass er all seine Kräfte, diese körperlich so begrenzten Kräfte und die doch seelisch so ungeheuer starken und wirksamen Kräfte, zusammennimmt, um zu uns zu kommen. Aber auch als das, was er durch sein Amt ist, als Papst, bleibt er bei uns, als "Bischof der katholischen Kirche", wie er auch genannt wird, dem die Sorge für alle Kirchen anvertraut ist. Damit unsere Liebe zum Papst tiefer, fester und auch besser begründet und stärker gerüstet ist in den Anfechtungen, in den Zweifeln, in den Auseinandersetzun- gen, möchte ich diese letzte Katechese des Arbeitsjahres und auch die letzte Katechese vor dem Besuch des Heiligen Vaters dem Papstamt widmen.

Das letzte Mal haben wir uns der Gestalt des Petrus genähert, wie sie im Neuen Testament gezeichnet wird. Heute will ich ver- suchen, das Amt des Papstes von verschiedenen Seiten her zu beleuchten. Zuerst die Frage, was eigentlich die (Voll-)Macht des Papstes ist. Stimmt es, wie etwa Hans Küng gesagt hat, dass die römisch-katholische Kirche unter der Leitung des Papstes das "letzte totalitäre Regime auf Erden" ist, nach dem Zusammenbruch der totalitären Regime dieses Jahrhunderts? Ich habe auf die Frage eines Journalisten geantwortet: Ich halte diese Aus- sage für schlichtweg "monströs". So etwas kann man nicht angesichts der Opfer, der großen, schrecklichen totalitären Regime unseres Jahrhunderts sagen. Doch lassen wir das beiseite.

Was bedeutet der "Jurisdiktionsprimat"? - Das heißt, dass der Papst über die gesamte Kirche Vollmacht hat. Was bedeutet "Unfehlbarkeit", was bedeutet die "Schlüsselgewalt"? - "Dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreiches." Das wird der 1. Themen- kreis sein.

Der 2. wird sich dann mit der Frage befassen: Wie lässt sich das Petrusamt, das Papsttum genauer gesagt, einordnen in das Ganze der Kirche? Ist der Papst sozusagen die Spitze der Pyramide der Kirche, oder gibt es vielleicht eher etwas wie eine Konstellation, ein Gefüge verschiedener Dimensionen der Kirche, die alle zusammen erst das Ganze ergeben? So werden wir be- trachten, wenn uns Zeit bleibt, wie Maria und Petrus sich zueinander verhalten und jeweils eine Dimension der Kirche darstellen und erst gemeinsam das Ganze sichtbar wird; wie Petrus und Paulus zusammengehören, wie Petrus und Johannes, um nur einige der Bezugsfelder zu sehen. Schon gleich, am Anfang wird klar, die Kirche hat alle diese Dimensionen. Paulus gehört nicht weniger zur Kirche als Petrus, Johannes, Maria. Und nun trägt unser Papst alle diese Dimensionen in seinem Namen. Johannes Paul II, der Nachfolger des Petrus, dessen Devise ist "Totus tuus - ganz dein" Maria, und der im Wappen, unter dem Kreuz, das große "M" trägt - Maria unter dem Kreuz. Wenn also Petrus, sein Nachfolger, von sich selber Maria gegenüber sagt "Totus tuus", dann ist klar, daß Petrus nicht über Maria steht, dass die Kirche ebenso marianisch wie petrinisch ist, aber auch johanneisch und paulinisch.

Wie steht es mit der Macht des Papstes? Papst Johannes Paul II hat gelegentlich gesagt, der liebste Titel für ihn, der am deutlichsten sein Amt ausdrückt, ist der Titel: Bischof von Rom. Der Papst ist zuerst der Bischof der Ortskirche von Rom. Wenn wir schauen, wie der Papst seine Aufgabe als Bischof von Rom wahrnimmt, dann ist man als Bischof einer anderen Diözese recht beschämt und beeindruckt. An vielen Sonntagen geht der Papst, wenn er am Vormittag einen großen Gottesdienst gefeiert hat, dennoch am Nachmittag noch in eine Pfarre und verbringt den Nachmittag und den Abend in dieser Pfarre: Gottes- dienst, Begegnung mit den Leuten, Begegnung mit dem Pfarrgemeinderat, eben ein Bischofsbesuch. Bis heute hat er 270 Pfarren in Rom auf diese Weise besucht. Jedes Mal empfängt er vorher, bei sich zum Essen, die Priester dieser Pfarre, und so ist er wirklich Bischof seiner Diözese.

Insgesamt hat der Papst, so zeigt uns die Statistik, 650 Besuche in Rom gemacht: Pfarren, Spitäler, Gefängnisse, Universitäten, alle möglichen Einrichtun- gen. Der Papst ist zuerst Bischof von Rom, und er ist das in einer sehr vorbildlichen Weise. Ich kann mich erinnern, dass er selber erzählt hat, als er Papst, Bischof von Rom, wurde 1978, da gab es nur vier Eintritte ins Priesterseminar. Heute, 20 Jahre später, hat das römische Priesterseminar die höchste Seminaristenzahl des Jahrhunderts. Ich hoffe, dass in 20 Jahren man dasselbe auch vom Seminar in Wien sagen kann. Zur Zeit läuft, seit drei Jahren bereits, in Rom die große "Stadtmission", eine Idee des Papstes. Unermüdlich ist er dahinter, dass in seiner Diözese die Christen missionarisch sind. Es gäbe darüber viel Interessantes zu berichten, und ich lasse mir auch immer wieder darüber berichten. Denn ich denke, man kann vom Bischof von Rom auch lernen, wie er seine Diözese leitet.

Christus hat seiner Kirche eine Verfassung gegeben. Diese Verfassung baut auf auf den Nachfolgern der Apostel, den Bischöfen. Sie sind als Gemeinschaft das Nachfolgekollegium des Apostelkollegiums. Wie es im Apostelkollegium einen gab, der der Erste war und dem Jesus alles das an Autorität und da- mit auch an Verantwortung aufgetragen hat, was er allen gemeinsam mit Petrus anvertraut hat, so ist es auch beim Bischofskollegium. Was die Bischöfe gemeinsam als Vollmacht, als Verantwortung haben, hat der Nachfolger des Petrus als Bischof, als erster unter den Bischöfen, für sich alleine, aber nie gelöst und nie gesondert vom Bischofskollegium bekommen. Ich darf den KKK zitieren: "Wie nach der Bestimmung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in gleicher Weise der Römische Bischof, der Nachfolger des Petrus, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden." (KKK 880, Lumen Gentium 22).

Wenn wir also verstehen wollen, wie das Verhältnis des Papstes zu den übrigen Bischöfen aussieht, dann denken wir am besten an das Apostelkollegium. Wie sieht das Verhältnis des Petrus zu den anderen Aposteln aus? Alle sind sie Apostel und doch hat der Herr dem Einen, den ersten unter ihnen, die besondere Vollmacht gegeben, die er auch allen zusammen dann gemeinsam gegeben hat. Insofern ist die Vorstellung einer Pyramide nicht ganz zutreffend. Der Papst als Bischof von Rom ist nicht gewissermaßen die Spitze der Pyramide, er ist nie losgelöst, von den anderen Bischöfen zu denken, und doch ist er das Haupt der Bischöfe. Insofern stimmt das Bild dann doch wieder. Vielleicht ist das Bild des Leibes besser: der Bischof von Rom ist das Haupt des Bischofskollegiums. Wie zeigt sich das konkret? Zum Beispiel darin, dass nach der klaren Lehre der Kirche die Bischöfe nicht die Vikare des Papstes sind. Sie sind nicht seine Vertreter oder sagen wir es in einem Bild: sie sind nicht die "Filialleiter" des "Generaldirektors". Die Erzdiözese Wien ist nicht eine "Filiale des Papstes", sondern sie wird von einem Bischof geleitet, wie die Diözese Rom von einem Bischof geleitet wird; mit dem Unterschied, dass der Bischof von Rom der erste unter allen Bischöfen ist, dem Christus in einzigartiger Weise gegeben hat, was er allen Bischöfen gemeinsam gegeben hat.

Der Bischof von Rom als Nachfolger des hl. Petrus ist eben das, was Petrus gegenüber den anderen Aposteln war: das Haupt des Apostelkollegiums. Er ist, so können wir auch sagen, das Einheitszentrum des Apostelkollegiums. Das ist der Papst für die ganze Kirche und für alle Bischöfe. Ich darf noch einmal den Katechismus zitieren: "Der Papst, der Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus, ist das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit sowohl von Bischöfen als auch von Gläubigen." (KKK 882, Lumen Gentium 23). Es gibt viele Bischöfe, aber einer unter ihnen ist sichtbares Fundament und Prinzip der Einheit, der Papst. Und das gilt auch für die Vielfalt der Gläubigen. Einer unter ihnen, der Papst, ist Prinzip und Fundament der Einheit, sowohl für das ganze Bischofskollegium, als auch für alle Gläubigen der Kirche.

Der Bischof von Rom leistet also den Dienst der Einheit. Für alle Bischöfe, für die ganze Kirche. Wie tut er das? Die Antwort des Katechismus ist vielleicht überraschend. Er tut es zuerst, indem er seine Diözese gut leitet. Gerade darüber habe ich vorhin gesprochen. Der Papst bemüht sich ganz bewusst und vom ersten Moment seines Pontifikates sehr entschieden, Bischof von Rom zu sein. Damit ist er zuerst einmal Vorbild, Fundament der Einheit für die ganze Kirche. Übrigens hat der Papst natürlich auch eine Kathedrale in Rom. Ich hoffe, sie meinen nicht, dass die Peterskirche sein Dom ist. Die Peterskirche ist die Grabkirche des hl. Petrus, aber die Kathedrale des Papstes ist die Lateranbasilika. Dort feiert er seine Amtseinführung als Bischof von Rom. Deshalb heißt die Lateranbasilika "Mater omnium ecclesiarum", die Mutter aller Kirchen, weil der Bischof von Rom, gewisser- maßen der Vater aller Kirchen des Erdkreises ist.

Als Bischof von Rom und als Nachfolger des hl. Petrus hat der Papst nun aber, und hier wird es schwierig, den Primat über die ganze Kirche, den Vorrang, ja die Vollmacht, die Autorität über die ganze Kirche. Wie kann man sich das vorstellen? Wie sieht das aus, wie passt das zusammen, dass die einzelnen Ortskirchen, die Diözesen, nicht "Filialen des Papstes" sind, sondern wirklich eigene Ortskirchen, das aber doch der Papst der Bischof der katholischen Kirche ist? ich darf noch einmal den Katechismus (882) zitieren: "Der Römische Bischof hat kraft seines Amtes, nämlich des Stellvertreters Christi und des Hirten der ganzen Kirche, die volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann" (LG 22).

Also hat doch Hans Küng recht? - Das letzte totalitäre Regime, die absolute Autorität über die gesamte Kirche? Ist der Papst der absolute souveräne, ja vielleicht sogar der letzte totalitäre Herr- scher über fast eine Milliarde Katholiken? - Wenn wir genau hin- gehört haben, sagt dieser Text: der Römische Bischof hat kraft seines Amtes, nämlich das Amt des Stellvertreters Christi und des Hirten der ganzen Kirche, diese höchste Vollmacht. Er hat sie nicht als römischer Kaiser und auch nicht als Nachfolger Stalins oder eines anderen Diktators, sondern als der Stellvertreter Christi. Das heißt, seine Vollmacht kann keine andere sein, als die Jesu Christi. Diese wird mit einem Wort genannt: er ist Hirte der ganzen Kirche, Hirte. "Weide meine Schafe", diese Worte Jesu zu Petrus gelten für den Papst. "Weide meine Schafe"". - Und zwar nicht nur die, die in Rom sind, sondern alle, ausnahmslos. Nicht nur jene Schafe, die Petrus in Jerusalem hatte, dann in Antiochien und schließlich in Rom, sondern alle meine Schafe, alle, die zur Herde Jesu gehören. Der Papst ist der oberste Hirt.

Ist nicht Jesus Christus der oberste Hirt? Ist das Wort "Oberhirt" nicht überhaupt ein Missbrauch, wie auch immer wieder gesagt wird, das Wort Heiliger Vater ist ein Missbrauch, einer alleine ist euer Vater. Der Papst ist oberster Hirte, weil Jesus Christus, der oberste Hirte, ihn dazu gemacht hat. Der Papst ist beauftragt, aber auch ermächtigt, alle Schafe, die ganze Herde Jesu zu weiden. Er ist also auch unser Hirte, unser Hirte in Jesu Namen. Wenn wir zur Herde Jesu gehören, und Gott gebe es, dass wir dazu gehören, dann ist Petrus, dann ist sein Nachfolger, unser Hirte. Damit ist aber klar, das der Primat des Papstes nicht eine totalitäre Autorität bedeutet, sondern Hirte der ganzen Kirche, also keine Willkürvollmacht. Der Papst kann nicht plötzlich sagen: So heute werde ich die Lehre verändern. Oder: Morgen werde ich alle Bischöfe hin und her schieben, tun, was mir gerade einfällt, tun, was ich gerade will, so wie Stalin Millionen und aber Millionen Menschen einfach mit einem Federstrich versetzt hat, deportiert nach Sibirien oder ähnliches: Der Papst kann das nicht. Er ist ja Christus gegenüber verantwortlich.

Der Papst ist nicht ungebunden, er ist zwar frei in der Ausübung seines Amtes, d.h. er muss nicht das Bischofskollegium befragen. Er ist immer frei in der Ausübung seiner höchsten, allgemeinen und vollen Vollmacht über die Kirche. Er ist, wie das Konzil deshalb auch sagt, nicht abhängig vom Konsens. Er muss nicht warten, bis alle zugestimmt haben. Deswegen ist er aber nicht ungebunden. Er hat Autorität über die ganze Kirche, aber nicht irgendeine, sondern die Autorität, die er vor Jesus zu verantworten hat, dass Jesu Lehre, Jesu Willen, Jesu Wort sich verwirklicht. Er ist also in gewisser Weise viel mehr gebunden als wir, denn er muss Rechenschaft darüber ablegen, ob er, wie Jesus zu Petrus gesagt hat, wirklich Jesu Schafe geweidet hat. Ob er sie nicht in die Irre geführt hat, ob er sie nicht missbraucht hat, ihnen Unrecht getan hat. Er hat eine unvergleichlich große Verantwortung. Es stimmt, der Papst ist die höchste Lehrautorität, aber er ist voll und ganz Christus verantwortlich. Er muss die Lehre Jesu treu weitergeben und sie zu jeder Zeit neu auslegen und verkünden.

Primat heißt ferner, er hat die höchste Leitungsvollmacht über die Kirche, über alle Kirchen. Und schließlich hat Petrus die Schlüsselgewalt, die Vollmacht, zu binden und zu lösen, der Herr hat sie ihm anvertraut. Ist das nicht alles ein bisschen viel? Es gibt Leute die sagen, der Papst ist total überfordert, das kann kein Mensch. Das ist vielleicht in der Urkirche gegangen, in Jerusalem, als sie noch 120 waren, dann 3.000, dann 5.000; das ist vielleicht noch in Rom gegangen, als die römische Gemeinde max. 10.000 Menschen umfasst hat, wahrscheinlich eher weniger. Aber heute, bei 800.000.000 Katholiken - kann der Papst das überhaupt wahrnehmen, kann ein Mensch eine solche Autorität wahrnehmen? Wir verstehen, warum die Ökumene gerade im Petrusamt, im Papsttum einen besonderen Stolperstein sieht. Und der Papst weiß es, und er sieht es immer wieder, zu- letzt in der Enzyklika "Ut unum sint". "Povero Papa" , armer Papst, wie oft sagt der Heilige Vater das "Povero Papa" über sich selber, lächelnd. Mit einem verschmitzten Lächeln und gleichzeitig einem Seufzer, "Povero Papa", armer Papst. Eben jener arme Petrus, der uns letztesmal in der Katechese begegnet ist, ein Petrus, der im Grunde ein armer Sünder ist und den Jesus mit dieser unmöglichen Aufgabe betraut hat.

Wie sieht die Verantwortung des Papstes aus? Sehen wir sie uns ein wenig an und fragen wir uns: Wie kann ein Mensch diese Verantwortung tragen? Zuerst die Frage der Schlüsselgewalt. Was heißt das? Nun, meistens denkt man, wenn man von der Schlüsselgewalt redet an die Schlüssel, die man Petrus in die Hand gibt, wir kennen das von verschiedenen Darstellungen des Petrus. Wir erinnern uns Mt 16,19: "Dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreichs, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, was du auf Erden lösen wirst, das wird auch auf Erden gelöst sein." Das bedeutet, der Papst hat die Vollmacht, das Haus Gottes, die Kirche zu leiten. Jesus der gute Hirt, hat diesen Auftrag nach seiner Auferstehung bestätigt. "Weide meine Schafe!" - Die Gewalt zu binden und zu lösen meint, die Vollmacht, in der Kirche Sünden zu vergeben, Lehr- urteile zu fällen und disziplinarische Entscheide zu treffen. Also dreierlei: Sünden zu lösen, los zu sprechen, oder zu behalten, Lehrurteile zu fällen und disziplinarische Entscheide zu treffen. Jesus hat der Kirche diese Autorität durch den Dienst der Apostel und insbesondere des Petrus anvertraut.

Petrus, der Papst, und mit ihm die Priester, die Bischöfe, haben die Vollmacht, es ist die größte Vollmacht, die Menschen gegeben werden kann (mit der eucharistischen zusammen) Sünden zu vergeben. Wir können jetzt weiter nicht darauf eingehen. Das zweite: Lehrurteile zu fällen, die Lehre mit Vollmacht zu verkünden. Etwa die Marianischen Dogmen, 1950, verkündet Pius XII das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Aber auch Lehren zum sittlichen Leben kann der Papst in seiner Lehrvollmacht als Lehrurteil fällen und er kann disziplinäre Entscheidungen treffen. Eine hat die Gemüter bei uns sehr bewegt: ob Mädchen ministrieren dürfen. Lange war es ein Streit, dann hat der Papst eine disziplinäre Entscheidung gefällt, und seither ministrieren - auch im Stephansdom - Mädchen. Aber alle diese drei Vollmachten, oder diese drei Aspekte der Vollmacht, sind nicht willkürlich, sondern es geht immer darum, darauf zu achten, was die Lehre Jesu wirklich ist, was der Glaube der Kirche ist. Der Papst ist gebunden an die Lehre der Kirche.

Ist er unfehlbar? Was heißt die Unfehlbarkeit des Papstes? Ist alles, was der Papst sagt unfehlbar? Was bedeutet überhaupt "Unfehlbarkeit"? Hier eine ganz wichtige Feststellung, die meistens zu wenig bekannt ist: Unfehlbarkeit ist zuerst eine Eigenschaft der Kirche. Christus wollte, dass seine Kirche durch die Jahrhunderte in der Wahrheit bleibt. Das heißt nicht, dass es auf dem Weg der Kirche nicht Irrtümer gegeben habe und auch heute noch gibt. Aber im Glauben bleibt die Kirche auf dem Weg der Wahrheit, sie ist in der Wahrheit gehalten. Um die Kirche in der Reinheit des von den Aposteln überlieferten Glaubens zu erhalten, wollte Christus seine Kirche an seiner eigenen Unfehlbarkeit teilhaben lassen (KKK 889). Die Kirche soll gewissermaßen wie Christus selber, der die Wahrheit ist, in der Wahrheit festgehalten sein. Wie geschieht das? Zuerst sagt der Katechismus, durch den übernatürlichen Glaubenssinn des Gottesvolkes unter der Leitung des Lehramtes. Dieser Glaubenssinn hält den Glauben unverlierbar fest. Was ist das, der Glaubenssinn? Ich würde sagen, das ist der "Riecher" des Heiligen Geistes. Es gibt so etwas wie einen "Riecher" für das Wahre, für die Wahrheit und je gerader jemand im Glauben lebt, ob er studiert hat oder nicht, desto treffsicherer ist dieses Gespür. Das nennt man den Glaubensinstinkt des Gottesvolkes. Das Konzil sagt, dieser Glaubensinstinkt ist unfehlbar sicher. Ohne diesen Glaubensinstinkt wären wir längst schon nicht mehr die Katholische Kirche. Es hat eine Zeit gegeben, da waren fast alle Bischöfe Arianer, also Irrlehrer.

Aber das Volk Gottes hatte genügend Menschen, die den "Riecher" des Heiligen Geistes hatten und gemerkt haben, wo der Irrtum und wo die Wahrheit ist. Sie konnten es vielleicht nicht mit großen Worten erklären, aber sie haben es gespürt, treffsicher gespürt. Am 19. Oktober hat der Heilige Vater die kleine hl. Theresia zur Kirchenlehrerin erklärt. Das heißt doch, dass sie dem Papst etwas zu sagen hat. Die kleine Karmelitin aus Lisieux hat dem Papst und den Bischöfen etwas zu sagen! Sie hat den "Riecher" des Heiligen Geistes. Auch der Papst benötigt lebendige Christen, ohne den lebendigen Glauben der Christen, die mit ihm und den Bischöfen die Verantwortung für den Glauben tragen, wäre er wirklich überfordert. Wenn der Papst etwas als Glaubenssatz der Kirche verkündet, dann tut er es immer in der Gewissheit, dass das längst bereits von den Gläubigen geglaubt und gelebt wird. Der Papst verkündet keine neuen Lehren, sondern er drückt den Glauben der Kirche in Vollmacht aus und sagt: Ja, das ist der Glaube der Kirche. - Ist das nicht etwas Wunder- bares, das der Glaube vom ganzen Gottesvolk, besonders von denen getragen wird, die Jesus die Kleinen nennt, wie etwa die Witwe im Tempel von Jerusalem, die Jesus den Aposteln als Vorbild vor Augen stellt! Sie hat nicht studiert, sie war keine Schriftgelehrte, aber sie hat gelebt, was Jesus gelehrt hat.

Deshalb freut sich der Papst in einer - ich würde wagen zu sagen - unbändigen Freude, wenn er dem lebendigen Glauben der Gläubigen begegnet. Deshalb tragen wir alle Mitverantwortung, dass der Papst sein Amt ausüben kann, dass er den Glauben mit der Sicherheit des Heiligen Geistes verkünden kann. Der Papst hat zweifellos, die höchste Lehr- und Leitungsvollmacht in der Kirche, aber sie ist nicht isoliert. Wie Petrus nicht ohne die an- deren Aposteln zu denken ist, wie Petrus nicht ohne Maria zu denken ist, auch nicht ohne die erste Jüngergemeinde, zu der er gehört hat, mit der er gelebt hat, so ist auch der Papst nicht zu denken, ohne die, die ihm auf dem Weg des Glaubens helfen. Alle tragen wir Verantwortung, und was der Papst trägt, das mag sehr verborgen im Leben der Kirche von vielen stillen Heiligen, Betern und Glaubenden mitgetragen sein. Petrus ist der Fels, auf dem Jesus seine Kirche baut, aber dieser Fels wird gewissermaßen durch das Gebet, das Opfer, die Liebe der Gläubigen zusammengehalten, wie auch umgekehrt der Glaube das Gebet, das Opfer des Petrus die Gläubigen zusammenhält. Ein schönes Beispiel dafür ist in Jerusalem die Urkirche. Als Petrus im Gefängnis war, hat die ganze Kirche von Jerusalem inständig für ihn gebetet. Welche Verantwortung also auch für uns, beizutragen, dass er seine Verantwortung tragen kann!

Ich möchte nun noch einige Stichworte zum Weiterdenken und Weiterbetrachten geben. Ich muss hier einen Autor nenne, den ich besonders schätze wegen seinem Feuer: Fr. Daniel Ange. Er hat ein sehr schönes Buch geschrieben: "Jean Paul II, don de dieu - Johannes Paul II, Geschenk Gottes". Es ist ein Versuch, den Weg und das Leben und die Lehre des Papstes, unseres Papstes, anhand seines Namens zu deuten: Johannes, Paulus, Petrus und Maria. Ich glaube, dass in diesem "Geviert", in diesem Viergestirn der drei Apostel und der Muttergottes sehr deutlich zum Ausdruck kommt, dass Petrus nie isoliert gesehen werden darf.

Johannes: der Lieblingsjünger, natürlich trägt der Papst diesen Namen, weil er sich auf Johannes XXIII bezog, aber auch weil Johannes, der Lieblingsjünger, für ihn Vorbild ist. Ohne die kontemplative, betende Dimension ist der Papst nicht zu ver- stehen. Und der Papst ist ein großer Beter. Viele Zeugnisse auch von so genannten "Fernstehenden" sagen, das es sie bei Begegnungen am tiefsten beeindruckt hat, den Papst beten zu sehen. Ein Mensch, der im Gebet eingetaucht ist, dem das Gebet ins Tiefste und Innerste eingeprägt ist.

Paulus: natürlich hat er sich genannt nach Paul VI, seinem Vorgänger. Aber Paulus auch, weil er Missionar ist, wie kaum ein Papst vor ihm "Caritas Christi urget nos"- Die Liebe Christ drängt ihn, und er geht unermüdlich weiter als Missionar. Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir, hat es heute in der Lesung geheißen.

Petrus, wir haben darüber gesprochen, die petrinische Dimension, untrennbar von der paulinischen und der johanneischen und natürlich von

Maria. Im Katechismus heißt es unter der Nummer 773, ein Zitat von Johannes Paul II: "Die marianische Dimension der Kirche geht der Petrusdimension voraus." Petrus ist sicher das Haupt des Apostelkollegs, der Papst das Haupt des Bischofkollegs, aber die Kirche ist zuerst marianisch bevor sie petrinisch ist. Deshalb stellt sich dieser Papst auch unter das Kreuz mit Maria und hat als Devise: "Totus tuus, ganz dein Maria." Er drückt damit aus, die tiefste Dimension der Kirche, die das Petrusamt noch einmal umfasst, ist die Dimension die Maria darstellt und in der die Kirche am reinsten, am strahlensten aufleuchtet.

Wenn alles gut geht, wird am kommenden Sonntag der Papst den "Angelus", den "Engel des Herrn" beten, vor der erhobenen Maria Pötsch Ikone. Eine große Freude, der Diakon wird die Marienikone hochhalten, die für uns in Wien gewissermaßen die Mutter der Gnaden darstellt, und vor diesem Bild wird der Heilige Vater den Angelus beten. Es ist das vielleicht der tiefste Ausdruck seines eigenen Selbstverständnisses, seines Papsttums - "Totus tuus".

 

 



 

 

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