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Katechesen
1997/1998
2. Jahresreihe - 5. Katechese, 19.04.98
Apostolisch |
Gelobt sei Jesus Christus! Wir haben heute
Abend die 5. Katechese auf dem
Weg zum Be- such des Heiligen Vater in unserem Land. Es sind genau zwei Monate bis zu
seiner Ankunft in Salzburg am 19. Juni, und das Thema der heutigen Katechese führt uns
noch einmal ganz direkt hin zu dem, was speziell der Dienst des Nachfolgers des hl. Petrus
ist, aber auch zu dem, was die Kirche überhaupt ist. Es geht um die apostolische
Kirche, die vierte der so genannten "Noten" der Kirche oder Begriffe, die die
Kirche genau bestimmen: dass sie die eine, heilige, katholische und apostolische
Kirche ist.
Heute Abend, am Abend des weißen Sonntags, sind wir
uns bewusst und wir bekennen es im Glauben, dass der Herr mitten unter uns ist, wirklich
jetzt bei uns gegenwärtig. Wie Thomas zu ihm gesagt hat und ihn angebetet hat: "Mein
Herr und mein Gott!", so beginnen auch wir mit diesem anbetenden Ruf "Mein Herr
und mein Gott!". Ja, Herr, wir glauben, dass Du bei uns bist, wir können Dich
nicht sehen, wie Thomas Dich gesehen hat. Wir können unsere Hand nicht in Deine
Seitenwunde legen, wie Thomas es konnte, aber wir können Dich im Glauben berühren, Dich
Deinen Leib, der gegenwärtig ist, den wir empfangen haben, der in Deinen Gliedern, den
Gliedern Deines Leibes gegenwärtig ist in Deiner Kirche, besonders in den leidenden
Gliedern. Herr, so können wir heute wie die Apostel am Abend des weißen Sonn- tags,
heute Abend, Herr, Dich im Glauben berühren, Dich anbeten und Dir unsere Liebe sagen
"Mein Herr und mein Gott!"
Die Kirche ist apostolisch. Schlagen wir nach
im Katechismus - alle können ihn auswendig, vermute ich, oder zumindest haben sie ihn zu
Hause stehen, als Staubfänger oder sogar als Lesebuch. Da steht unter der Nr. 857:
"Die Kirche ist apostolisch, weil sie auf die Apostel gegründet ist." Ganz
einfach gesagt. Sie ist auf die Apostel gegründet. Was das bedeutet, welche drei Bedeutungen das hat, werden wir dann noch bedenken. Vorerst aber eine Vorbemerkung: In der
letzten Zeit heißt es immer wie- der in der öffentlichen Diskussion, die eigentliche
Kirchenkrise steht ja noch bevor. Glaubt ja nicht, dass die Kirchenkrise vorbei ist, wenn
personelle Schwierigkeiten vielleicht vorbei sind. Glaubt das nur nicht, denn, so kann man
immer wieder lesen, die Kirche muss sich einer viel radikaleren Frage stellen, sie
muss
endlich be- greifen, dass sie die Demokratie nachholen muss. Sie muss sich
demokratisieren, um in dieser Zeit zu bestehen. Es fehlt, so wird immer gesagt - fast wie
einen Refrain kann man das hören - die entscheidende Modernisierung, die hat sie noch
nicht mitgemacht, durchgemacht. Manche sagen sogar, die Kirche sei das letzte
totalitäre Regime, die letzte Bastion des Totalitarismus - so wurde mir vor kurzem von
jemandem in aller Bestimmtheit und Entschiedenheit gesagt.
Liebe Brüder und Schwestern, ich glaube, wir sind hier tatsächlich in den
kommenden Jahren vor einer ganz entscheidenden Herausforderung, und ich glaube,
wir müssen uns gemeinsam gut darauf vorbereiten, seelisch, geistlich, geistig,
sowohl im Verstehen, mit den Argumenten, aber auch und vor allem mit dem
Erfassen im Glauben, mit den Augen des Glaubens, wo- rum es in der Kirche geht.
Man kann die Kirche nur mit den Augen des Glaubens verstehen. Sie ist ein
Geheimnis, aber ein sichtbares, greifbares und daher auch immer Anstoß erregendes Geheimnis. Warum die Kirche nie eine Demokratie sein wird, warum sie aber
auch nie ein totalitäres Regime war und auch nicht ist. Warum sie eine eigene,
andere Wirklichkeit ist, darum werden wir uns sehr bewusst bemühen müssen, das zu
verstehen, aber auch und vor allem: zu leben. Und dazu vorweg ein kurzes Wort
(ich möchte mich nicht zu lange dabei aufhalten): Demokratie heißt, wie es in
unserer Verfassung heißt, "alles Recht, alle Macht geht vom Volk aus". Das kann
für die Kirche nicht stimmen, denn alles Recht und alle Macht in der Kirche
gehen von Christus aus. "Mir", sagt der Auferstandene, "mir ist alle Macht
gegeben, im Himmel und auf Erden." Der Heilige Vater erinnert uns immer wieder
daran, dass Demokratie nicht einfach heißt, dass wir alles selber bestimmen können, wie manche das meinen,
dass der Mensch souverän einfach alles selber
bestimmen kann. Mit Mehrheitsbeschlüssen kann man nicht über gut und böse
abstimmen. Eine gute demokratische Ordnung setzt voraus, dass es Dinge gibt, die
nicht in Frage gestellt werden dürfen, wenn nicht die Gemeinschaft selber sich
zerstört (und wir stehen zur Zeit wieder vor so einer Schwelle wie vor über 20
Jahren mit der Frage der Abtreibung im Jahr 1975): selbst wenn die Mehrheit
der Bevölkerung für die Freigabe der Euthanasie wäre - was ja leicht geschehen
könnte - bleibt die Euthanasie, genauso wie Abtreibung, Mord, das heißt Tötung
menschlichen Lebens. Und das ist eben das, was keine Demokratie ändern kann. Sie
muss das voraussetzen, sie muss das Sittengesetz voraussetzen und es schützen.
Und von daher gesehen, sehen wir sehr klar, dass Demokratie selber gar nicht
einfach heißt, dass alle alles bestimmen können, sie ist eine Ordnungsform, wie
Menschen miteinander leben können in einer geordneten, geschützten, rechtlich
gesicherten Weise, wenn vorausgesetzt wird, dass die Demokratie sich an das
Sittengesetz hält.
Auch die Kirche hat ihre Ordnung. Sie hat sie nicht selber erfunden, sie hat
sie sich nicht selber gegeben, und sie kann auch nicht einfach frei darüber
verfügen. Die Kirche hat eine Ordnung, die sie von Christus bekommen hat, und
diese Ordnung nennen wir "apostolische Ordnung". Sie steht nicht einfach zur
Disposition, zur freien Verfügung. Die Kirche ist keine Demokratie, sie hat
keine demokratische Ordnung, sondern eine apostolische Ordnung. Freilich, hinter
der Frage der "Demokratisierung" in der Kirche steht oft ein anderes Unbehagen,
die Frage nicht so sehr nach der Verfassung der Kirche, sondern: Dürfen nicht
alle in der Kirche doch mitreden und auch mitentscheiden, mitbestimmen: Alles,
was alle angeht, sollte auch von allen mit beschlossen wer- den. Und oft das
Gefühl, gerade in unserer Zeit, in der so vieles anonym wird in der
Gesellschaft, wo so viele Mächte den Menschen beeinflussen, ihn in Zwängen
halten - das Gefühl, wenigstens in der Kirche möchte ich mitreden dürfen und
mitbestimmen dürfen. Ein gewisses Lebensideal, das man in der Gesellschaft nicht
verwirklichen kann, man möchte es wenigstens in der Kirche erreichen.
Ich komme darauf am Schluss noch einmal zurück, eines möchte ich aber sagen: Wer
behauptet, die Kirche sei ein totalitäres System, der hat keine Ahnung von dem,
was totalitäre Systeme sind. Jeder, der den "Archipel Gulag", die drei Bände von
Alexander Solschenizyn gelesen hat über die sowjetischen Lager, der weiß, was
Totalitarismus in diesem Jahrhundert heißt, und zu sagen, dass die Kirche ein
solches System sei, ist eine schwere Ungerechtigkeit, angesichts der tausenden
und aber- tausenden christlichen Märtyrer, aber auch vieler anderer Menschen,
die Opfer dieser totalitären Regime waren. Ich wage zu sagen - ich kann das
nicht beweisen, ich kann nur sagen, das ist die Erfahrung, die ich selber machen
durfte und die viele, viele Menschen machen - es gibt keinen Ort so großer so
wunderbarer Freiheit, wie die Kirche. Wenn wir freilich die wahre Freiheit be-
denken, die Freiheit, zu der uns Christus freigemacht hat und die sehr wohl
etwas zu tun hat mit dem Wort, um das es jetzt geht, das Wort "apostolisch". Die
apostolische Kirche. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir uns gut
informieren, gut argumentieren, wir müssen in dieser Zeit viel bewusster, viel
klarer argumentieren lernen über unseren Glauben Rechenschaft zu geben. Ich darf
durchaus empfehlen, dass man dazu den Katechismus studiert, er ist ein ganz
nützliches Buch (ich glaube, das darf man sagen).
Apostolisch was heißt das? Apostellein, das griechische Wort, heißt "senden".
Die Kirche ist nicht demokratisch, sondern apostolisch. Sie entstammt nicht
einem Beschluss des Volkes, sondern einer Sendung von Gott ausgehend. Gerade im
heutigen Evangelium haben wir’s gehört: "Friede sei mit Euch! Wie mich der Vater
gesandt hat, so sende ich Euch." Apostolische Kirche: der Vater sendet den Sohn,
der Sohn sendet seine Jünger. Die Kirche entstammt, entspringt dieser Sendung.
Wenn wir daran denken, an diesen ganz elementaren Gedanken: die Kirche entstammt, wie alles letztlich, Gott selber. Gott ist der Ursprung von allem, das
Ziel von allem. Und wie wir uns nicht selber gemacht haben, so haben wir auch
die Kirche nicht gemacht. Wir treten in sie ein, wir finden sie vor, sie geht
uns voraus, sie umgibt uns, und wir dürfen in ihr wachsen. Wie wir uns nicht
selber geschaffen haben, uns nicht selber das Leben gegeben, so hat die Kirche ihren Vorsprung nicht in unseren Unternehmungen, in unseren Leistungen,
sie ist uns zuerst geschenkt: "Mir ist alle Macht im Himmel und auf Erden
gegeben. Er ist der Herr und Meister, alles ist in Seiner Hand."
Diese seine Macht hat Jesus Menschen in die Hand gelegt. Er hat sie nicht für
sich behalten, sich alleine reserviert, sondern den Aposteln übertragen. Er ist
das Risiko eingegangen, Menschen seine Vollmacht zu geben. ER ist im Himmel,
"sitzend zur Rech- ten des Vaters", wie wir im Credo sagen, aber er hat hier auf
Er- den gewissermaßen eine sichtbare "Bodenstation" des Himmels festgemacht, und
in dieser Bodenstation ist er selber am Werk. Er hat in dieser Bodenstation
seine Heilszeichen, seine Sakramente stationiert und will, dass sein Werk durch
menschliche Gebärden, durch Menschenhände, Menschenworte, Menschenherzen
weiter geschieht: das ist der Auftrag der Apostel, die er als seine Nachfolger
eingesetzt hat. Er hat also seine Macht, seine Kraft, seine Erlösung Menschen -
schwachen Menschen - in die Hand gelegt. Petrus, der ihn verrät - dreimal verrät
-, Paulus, der ihn verfolgt hat, und wir alle, die wir nachgefolgt sind als
Nachfolger der Apostel, als Diakone, Priester, Bischöfe - auf diese Menschen
baut er seine Kirche. Das ist das Geheimnis der apostolischen Kirche: nicht die
Apostel haben die Macht, sondern Jesus Christus hat die Macht. Petrus und die
anderen Apostel und ihre Nachfolger sind die Verwalter. Es ist ihnen anvertraut,
sie sind gewissermaßen die Bevollmächtigten Jesu. Ich habe einen Generalvikar,
also einen Generalbevollmächtig- ten, da kann man sich ungefähr vorstellen,
Christus hat Petrus zu seinem Generalvikar ernannt. Er ist der "Vicarius
Christi". Die Apostel leiten also in der Vollmacht Jesu die Kirche, in Seinem
Namen, Er leitet die Kirche durch sie, sie sind Seine Stellvertreter. Wer das
nicht versteht, wer das nicht im Glauben berührt (man kann es nur im Glauben
berühren), der wird nicht verstehen, warum die Kirche keine Demokratie sein
kann.
Aber wie sieht das konkret aus? Wie sieht die Sendung der Apostel aus? Was heißt
das: Sendung der Apostel? Jesus hat Gewaltiges in die Hände der Apostel gelegt.
Am Osterabend sagt er zu ihnen: "Empfangt den Heiligen Geist. Denen ihr die
Sünden nachlasst, denen sind sie nachgelassen", und beim Abendmahl hat er ihnen
gesagt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis." Eben hat Toni Faber, der
Dommoderator, diese Worte gesprochen, ein Mensch, ein Mitchrist hat diese
Worte gesprochen "Das ist mein Leib - das ist mein Blut" - und es ist
Wirklichkeit: Sein Leib, Sein Blut, gegenwärtig unter uns, gesprochen von einem
Menschen, und doch ist es Jesus selbst.
Vor einiger Zeit habe ich eine Mitstudentin aus meiner Psychologie-Studienzeit
wieder gesehen, sie ist inzwischen Psychoanalytikerin. Wir haben uns 30 Jahre
nicht gesehen, sie hat mir gesagt: "Das ist halt der Unterschied: Ich kann in
der Psychoanalyse nie sagen ‘Ego te absolvo!’, ‘Ich spreche dich los!’ ". Sie
hat gemeint, wie oft würde sie das brauchen, wie oft ist die Situation, dass die
Psychologie das alleine nicht mehr kann, was alleine Gott kann, was er dem
Menschen anvertraut hat: "Ich spreche dich los". Und das sprechen einfache,
schwache Menschen. Sie werden von Christen gesandt, bevollmächtigt, das in
seinem Namen für die Menschen zu tun. Wie ist das möglich? Nur des- halb, weil
Christus sicher, garantiert durch ihr Wort wirkt und das, was an ihnen fehlt,
ergänzt, ihr Bemühen vollendet, heiligt, und seine Apostel mit seinem Heiligen
Geist ausstattet. Nur weil der Bischof, der Priester, der Diakon, die Geweihten,
durch das Weihessakrament mit Christus im Heiligen Geist verbunden sind, deshalb
ist ihr Priesterdienst möglich, ist das apostolische Amt möglich, trotz unserer
Schwachheit. Nun etwas sehr Wichtiges: Es gibt viele Menschen, die viel "g’studierter"
sind als die Priester. Es gibt viele, die besser reden können, die besser
argumentieren können, vielleicht sogar auch g’scheiter dreinschauen, aber
dennoch ist es der Dienst der Apostel in der Vollmacht Christi, in seiner Kraft
- etwas anderes als nur Gelehrsamkeit, menschliches Können etc. Morgen kommt
mich ein Priesterfreund aus der Schweiz besuchen, dem ich die Primizpredigt
halten durfte. Wie er zum Priestertum gekommen ist, ist interessant: Er war
berufstätig, Business, war damals in England, ging dort in eine Gebetsgruppe in
London, und sie haben gewartet auf einen Priester, ein bekannter Priester hätte
am Abend für sie die Messe zelebrieren sollen. Sie haben sich gefreut, ein
bekannter Prediger - und er ist nicht gekommen. Sie haben gewartet, gebetet,
gewartet - und nach einer Zeit kommt ein unerwarteter Priester, der alle Zeichen
eines ein bisschen karikaturalen Priesters hat, der verlegen war, der schräg
aus’schaut hat und wirklich eine hilflose Figur. Sie waren menschlich etwas
enttäuscht, dass also der da gekommen ist und nicht ein anderer, nicht der
Erwartete. Und während der Priester die Messe gefeiert hat, ist meinem Freund
plötzlich aufgegangen: "Aber er ist Priester!" Und das war der Moment, wo ihm
ins Herz gekommen ist, Priester zu werden; er ist es inzwischen, und sehr
gerne.
Das heißt natürlich nicht, dass es egal ist, wie das Gefäß aus- sieht, wie das
Gefäß beschaffen ist. Paulus sagt, "Wir tragen diese Herrlichkeit in irdenen
Gefäßen". Damit die Apostel, wie Petrus am Pfingsttag, ins Herz treffen konnten,
mussten sie selber zuerst ins Herz getroffen worden sein. Damit sie begeistern
konnten, mussten sie selber zuerst den Geist des Herrn empfangen haben. Damit
sie bezeugen können, nicht nur mit Worten, sondern überzeugend bezeugen können,
mussten sie selber von dem Bezeugten ergriffen sein. Wir haben es gestern in der
Tageslesung gehört, wie Petrus und Johannes sagen: "Unmöglich können wir
schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben." Das bedeutet aber, die von
Jesus Gesandten müssen Menschen sein, die von Jesus ergriffen sind, müssen
Menschen sein, in denen Jesu Leiden und Jesu Auferstehung lebendig geworden ist.
Sie müssen auch ihren alten Menschen gekreuzigt haben, wie Paulus sagt, um auch
die Kraft seiner Auferstehung zu bezeugen. Natürlich war es immer der Heilige
Geist, der die Herzen geöffnet hat, wenn Petrus oder Paulus gepredigt haben.
Aber es war immer auch das Mitwirken des überzeugenden Herzens des Petrus oder
des Paulus. Wenn die Menschen dann in Jerusalem fragen: "Brüder, was müssen wir
tun, um gerettet zu werden?", dann war es der Heilige Geist, der sie berührt
hat, aber auch Petrus selber, der ein Berührter war. Ich glaube, es ist ganz
wichtig (ich musste dieser Tage wieder daran erinnern, weil oft dazu falsche
Vorstellungen im Umlauf sind): die Priester- weihe, Bischofsweihe, verleiht die
Vollmacht im Namen und in der Person Jesu Christi, gültig zu handeln, Sakramente
zu Spenden, selbst wenn der Spender, der Priester, der Bischof, der Papst,
unwürdig wäre. Und das ist unerlässlich so: Wenn Sie jedes mal sich überlegen
müssten, bei der Messe, ist der Priester wirklich heilig genug, um die Worte
Christi zu sprechen, hätten wir nie die Gewissheit, seine Sakramente zu
empfangen. Wir müssten jedes mal zweifeln, ob ich wirklich in der Beichte die Lossprechung bekommen habe, denn welcher Priester kann sagen: "Ich bin ohne Sünde
also kann ich ganz garantiert handeln!" Die Garantie für die Gültigkeit der
Sakramente gibt Christus, die Weihe macht uns nicht automatisch heilig. Aber sie
macht uns zu Geweihten, durch die und in denen Christus handelt. Die Zeichen der
Ehrfurcht vor dem Priester oder dem Bischof gelten nicht so sehr der Person,
sondern dem Amt, der Weihe.
Wenn gelegentlich, das geschieht noch, dem Bischof
der Ring geküsst wird, dann ist das nicht eine barocke Höflichkeitsform, sondern
ein Ausdruck dafür, dass Christus, der ihn geweiht hat, in dem Amts- träger
geehrt wird. Aber das heißt auch, dass der Mensch, der die Weihe empfangen hat
gewissermaßen hinter dem, was er empfangen hat, "nachkommen" muss. Sonst gilt
für ihn das schreckliche Wort Jesu über die Pharisäer, "übertünchte Wände" und
"geschmückte Gräber". Der priesterliche Dienst, der apostolische Dienst ist
von Christus garantiert. Er sagt: "Das ist mein Leib, das ist mein Blut." Aber
der Mensch im Priester, im Bischof, muss wie jeder andere Christ nachkommen,
muss
gewissermaßen dem, was die Weihe bedeutet, auch im Leben zu entsprechen
suchen. Wenn ein Priester heilig gesprochen wird, dann hat er keine anderen
Mittel dazu als jeder andere Christ. Man sagt, dass Papst Johannes XXIII bald
selig gesprochen wird. Was ist die Heiligkeit von Papst Johannes XXIII, nichts
anderes als die Heiligkeit einer kleinen hl. Theresia oder jedes anderen Heiligen: Die Liebe gelebt zu haben, Christus nachgefolgt zu sein. Wenn wir in zwei
Monaten plus zwei Tagen, am 21. Juni, so hoffen wir, hier in Wien die
Seligsprechung von drei Ordensleuten, drei Ordenschristen, mit dem Heiligen
Vater feiern dürfen: Sr. Restituta, Jakob Kern und P. Anton Schwartz: Wie sind
die heilig geworden? Nicht anders als jeder andere Christ. Das Geheimnis der
apostolischen Fruchtbarkeit des Priesters, des Bischofs ist kein anderes als das
der Apostel Jesu selbst. Das heißt, je mehr das, was sie als Vollmacht empfangen
haben, auch ihr Leben prägt, desto mehr werden sie auf Schritt und Tritt auch
ein Segen sein. So wie wir es vor kurzem von Petrus gehört haben: selbst sein
Schatten, wenn er vorbeigegangen ist, hat die Menschen geheilt. Das war gewiss
die Macht Christi in ihm, aber es war auch die Verwandlung, die in ihm geschehen
ist durch Christus, und die ihn zu einem wirklichen Apostel gemacht hat.
Welche Kraft, welche Ausstrahlung ein gelebtes, christliches Leben haben kann,
sehen Sie, wenn Sie sich diese unglaublich schöne Ausstellung im Schottenstift
über die "Pieta" von Michelangelo anschauen. Was dieser 25jährige Künstler
über das Geheimnis der Erlösung in dieser Pieta zum Ausdruck gebracht hat, das
lässt uns ahnen, welche unglaubliche verwandelnde Kraft, welches Leuchten, welche
Strahlkraft ein Leben aus dem Glauben hat. Natürlich bei einem ganz großen
Künstler.
Was heißt Apostolat? Wie steht es mit dem Apostolat, ist nicht die ganze Kirche
apostolisch, sind nicht alle Getauften Apostel, jeder an seinem Platz? Sind wir
nicht alle Gesandte Christi? Wenn wir hier nicht ganz genau in der
Glaubensperspektive bleiben, dann entsteht leicht der Eindruck der Rivalität,
der Konkurrenz, des Konflikts zwischen den Amtsträgern und den Laien. Und dann
beginnt man zu reden von "oben" und "unten", von "Amtskirche" und "Wir sind
Kirche". Bemühen wir uns ganz entschieden, diese falsche Sicht zu überwinden,
gar nicht in sie einzutreten, denn der Glaube zeigt uns eine andere Sicht. Dass
wir durch die Taufe, die Firmung zu einem Leib Christ geworden sind, das
bedeutet, dass jeder, jeder Getaufte Glied dieses einen Leibes ist,
unverwechselbar, unersetzbar.
Keiner kann ohne den anderen sein. Wenn wir den
Leib Christi sehen, wenn wir die Kirche als Leib Christi sehen, dann ist es
selbstverständlich, dass alle Dienste in diesem Leib apostolisch sind. Nämlich in
der einen Sendung der Kirche, die Christus ihr gegeben hat. Dann ist das
Entscheidende zu wissen, an welchen Platz in diesem Leib mich Christus
hingestellt hat. Wie Edith Stein sagt: "Wo ich ein- gefügt bin in den lebendigen
Bau des Domes, dort wo mein Platz ist, ist mein Apostolat." Der eine sorgt sich
für Kranke, der andere für Obdachlose, manche reinigen einfach die Kirche und
finden das nicht als Demütigung, sondern als Dienst. Ob jetzt einer am Altar
steht oder den Dienst der Kirchenreinigung tut, wenn es in Liebe geschieht und
wenn es im Bewusstsein geschieht, dass jeder von uns Glied an dem einen Leib
Christi ist, dann ist alles Apostolat. Viele beten und sühnen im Stillen, wer-
den nie bemerkt, erscheinen nie in der Öffentlichkeit und doch ist ihr Dienst um
nichts weniger wichtig als der, der in der Öffentlichkeit geschieht. Alle
Dienste sind wichtig, aber alle Dienste sind fruchtbar, wirksam nur in dem Maß,
in dem sie von der Liebe getragen sind. Was nützt das Bischofsamt, was nützt das
Blumenschmücken in der Kirche, wenn es nicht von Liebe getragen ist. Alle
zusammen bilden wir das eine Apostolat der Kirche.
Die alte Sr. Stefana im Dominikanerkloster in der Postgasse, sie war
pensionierte Straßenbahnschaffnerin aus der Zeit, als es noch
Straßenbahnschaffner gab, sie ist den ganzen Tag mit ihrem Putzlumpen und ihrem
Wassereimer durch die langen Gänge des Klosters gezogen und hat geputzt und war
immer freundlich. Die alte Sr. Stefana. Ihr Apostolat war sicher in nichts
weniger bedeutsam als das des Priors oder eines anderen Paters. Stets ist die
Liebe, die vor allem aus der Eucharistie geschöpft wird, die Seele des gesamten
Apostolats, heißt es im Konzil. So betrachtet sind viele unserer Diskussionen in
der Kirche völlig an der Sache vorbei. Es geht nicht um mehr Demokratie,
sondern es geht um ein tieferes, lebendigeres Erkennen dessen, was die Kirche
ist.
Papst Paul VI. hat einmal gesagt: "Die Kirche ist das sichtbare Projekt der
Liebe Gottes zur Menschheit." Ich möchte heute uns alle aufrufen, wir müssen
diese Dimension der Kirche neu erfassen und uns neu erfassen lassen von der
Liebe Christi. Das ist die wahre Revolution in der Kirche, die wahre Erneuerung.
Wie die Liebe Christi dem Petrus seinen Verrat verziehen hat, so bitten wir
Jesus, dass er durch seine Liebe auch uns alle Verhärtungen des Herzens, alle
Verletzungen der Liebe vergebe und uns daraus befreie. Dann wird unser Leben
wirklich apostolisch werden, ein apostolischer Dienst und die Kirche wird neu
aufleuchten und wirksam sein, aus der Kraft dessen, der sie gesendet hat. "Wie
mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch."
Die VI. Katechese möchte ich dann ausdrücklich dem Dienst des Petrus widmen, das
ist dann schon einen Monat vor dem Papst- besuch. Der Bedeutung des Papstamtes,
des Petrusamtes in der Kirche.
Gelobt sei Jesus Christus!
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