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eine heilige, katholische, apostolische - Katechese

Kardinal Dr. Christoph Schönborn - Katechesen
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Ich, Kardinal Dr. Christoph Schönborn, begrüße sie und möchte sie einladen, meine Katechesen zu lesen.

Katechesen 1997/1998
2
. Jahresreihe - 2. Katechese,

eine heilige, katholische, apostolische

...eine heilige, katholische, apostolische...

Herr, wir bitten Dich um Deinen Heiligen Geist, wir bitten dich, dass Dein Geist unser Herz öffne, unseren Verstand erleuchte, unseren Willen stärke. Herr, wir bitten Dich, dass Dein Heiliger Geist uns die Wahrheit des Glaubens lebendig mache und in uns das Feuer Deiner Liebe entzünde.

Amen

Liebe Brüder und Schwestern, wir bereiten uns auf den Besuch des Heiligen Vaters vor; es sind noch ein wenig mehr als vier Monate, bis er nach Österreich kommt. Mit der heutigen Katechese sind es noch vier Katechesen bis zum Papstbesuch. Heute soll die zweite Eigenschaft der Kirche Thema unserer Betrachtung sein: die Kirche ist heilig. Der Heilige Vater, die Heilige Kirche: was heißt das?

Manche meinen, angesichts der vielen Reisen des Heiligen Vaters - seine Österreich-Reise wird die 83. Auslandsreise sein - sollte man lieber vom "eiligen" Vater als vom Heiligen Vater sprechen. Von der Heiligkeit der Kirche halten heute viele wenig. Zweifel werden laut, ist sie nicht vielmehr "scheinheilig"? Oder es steht zumindest der Verdacht im Raum, dass das Bodenpersonal der Kirche nicht so heilig ist. Aber wer den Vorwurf erhebt, die Kirche sei "scheinheilig", der erwartet doch irgendwie, dass sie vielleicht doch heilig sein könnte oder sollte, und dass man eigentlich von ihr auch erwarten kann, dass sie heilig ist. Worin besteht also die Heiligkeit der Kirche? Warum nennt das Credo sie heilig?
Ich will zuerst ein wenig versuchen anzunähern, was "heilig" heißt. Dann schauen wir uns in einem zweiten Schritt an, wie die Kirche heilig ist, obwohl sie doch voller Sünder ist und aus Sündern be- steht. Und dann zum Schluss werden wir uns fragen, wie wir heilige Kirche sein können, den Weg der Heiligkeit gehen können. Alle sind wir auf diesen Weg gerufen, jeder von uns!

1. Wir erinnern uns an das Evangelium am vergangenen Sonntag, als Petrus, nachdem er den wunderbaren Fischfang erlebt hat, zu Jesus sagt, : "Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch" (Lk 5, 8). Was hat da Petrus erlebt? Etwas hat ihn überwältigt. Der Fischfang, aber mehr noch das Erschrecken vor dem, der das bewirkt hat. Das Staunen vor dem, der vor ihm steht, eine Erschütterung, die ihn bis ins Innerste trifft. Er ist der Heiligkeit Gottes begegnet. "Herr, geh von mir weg, ich bin ein sündiger Mensch."

Ich darf hier eine persönliche Erinnerung bringen, auch wenn sie etwas sehr Vertrautes und für mich Heiliges nennt und man Heiliges nicht einfach so erzählen kann: Ich war 1961 bei Padre Pio, ein Kapuziner in Süd-Italien, der 50 Jahre lang die Wundmale, die Stigmaten, an Händen und Füßen und an der Seite getragen hat, und zu dem zahllose Menschen gepilgert sind, um bei ihm zu beichten und zu erleben, wie er die Messe feiert. Ich war damals 16 Jahre alt und habe einen ziemlichen Horror gehabt vor diesen vielen frommen Frauen, die auf der Wallfahrt mit dabei waren, und die schon ganz begierig waren, das Wunderbare zu erleben. Mit 16 ist man nicht gerade im Alter für solche Dinge. Und dann, um 4 Uhr früh, nach langem Anstellen vor der Kirchentür und einem recht stürmischen Hineindrängen der Pilger, als die Tore geöffnet wurden, etwas ganz anderes: nicht der Jahrmarkt einer Wallfahrt, sondern unvergesslich die Messe von P. Pio. Wie lange sie gedauert hat, kann ich mich nicht erinnern. Sie war sehr lange und gleichzeitig schien einem die Zeit ganz kurz. Nachher durfte ich ihm ganz kurz persönlich begegnen und was das war, lässt sich nicht beschreiben, man soll es auch letztlich als Geheimnis des Herzens bewahren. Aber wenn ich diese Stelle im Evangelium lese, wie Petrus erschrickt vor der Heiligkeit Jesu, dann kann ich es ein wenig von daher verstehen. Eine Erfahrung von tiefer Erschütterung und gleichzeitig von unaussprechlicher Freude, die Erfahrung, der Heiligkeit Gottes zu begegnen, sie zu ahnen, zu berühren, ihr nahe zu kommen.

Die Erfahrung des Heiligen: es ist das Heilige eine andere Welt als das Profane, das Alltägliche. In der Sprache der Alten, der Bibel, aber auch der anderen Religionen ist das Heilige etwas Ausgesondertes, abgesondert, herausgenommen, herausgehoben, Gott übereignet. Es gehört nicht mehr sich selbst, es gehört nicht mehr den Menschen, es gehört Gott. Der Tempel ist so ein heiliger Raum, ausgegrenzt vom Alltag, herausgehoben, Gott geweiht, ihm übergeben, nicht mehr für den profanen Gebrauch. Ein heiliger Bezirk mit Vorraum, mit dem Heiligtum und mit dem Aller- heiligsten im innersten Heiligtum des Tempels, in den in Jerusalem nur einmal im Jahr der Hohepriester hineingehen durfte.

"Heiliger Raum": hier im Dom erfahren wir ein wenig, manchmal sehr dicht, was es heißt "heiliger Raum". Oder die kleine romanische Kirche in Taizé - vielen in Erinnerung. Man tritt ein und spürt, dass man in eine andere Welt tritt. Die Schwelle, über die man eintritt, lässt einen in einen anderen, einen heiligen, einen ausgesonderten Raum treten, in dem Gott nahe ist. Wer sich daher im heiligen Raum wie in einem Kaufhaus benimmt oder wie am Strand oder wie in einer Sportveranstaltung, wer lärmt und ehrfurchtslos herumgeht, verletzt etwas Heiliges. Wir empfinden es schmerzlich, wenn Menschen in den Dom kommen und sich dort benehmen, als wären sie irgendwo draußen. Es tut weh, wenn das Heilige nicht geachtet wird und wir spüren, dass dem Menschen etwas fehlt, der kein Gespür dafür hat, dass es ein Unterschied ist, ob man draußen am Graben ist oder herinnen im Dom. Wie es uns auch weh tut, wenn jemand etwas, was uns be- sonders heilig ist, etwas, was uns persönlich ganz wichtig ist, aussondert, entweiht, nicht achtet, lächerlich macht oder gar verspottet. Das Heilige bedarf des Schutzes und deshalb sieht auch das Recht vor, dass es strafbar ist, das Heilige zu profanieren, religiöse Gefühle willkürlich, willentlich, öffentlich zu verletzen.
Wir sehen, wie wichtig es ist, dass in unserer Zeit heilige Räume offen gehalten werden. Deshalb dränge ich so darauf, und bitte überall darum, dass unsere Kirchen offen stehen, nicht damit man ungeniert in sie eintritt, sondern damit der heilige Raum, der Raum der Gegenwart Gottes Menschen offen steht. Es ist ein großes Geheimnis in eine Kirche einzutreten, in den stillen weiten Raum, ganz alleine und zu ahnen, berührt zu werden von der Gegenwart dessen, den wir im Allerheiligsten verehren.

Heiliger Raum, heilige Zeit, auch das gibt es. Zeiten die heraus- genommen sind, die Gott gehören, ihm geweiht sind, nicht der Arbeit sondern Gott. Auch hier tut es weh zu sehen, wenn heilige Zeiten entweiht werden es bleibt ein tiefer Schmerz, dass der 8. Dezember freigegeben wurde für den Kommerz. Während wir hier im Dom und in vielen Kirchen der Diözese Gottesdienst gefeiert haben, wurde rundum das Weihnachtsgeschäft betrieben und viele haben gespürt, hier geht etwas unwiederbringlich verloren. Nein, es dürfte nicht verloren gehen, heilige Zeit, Zeit die herausgenommen ist und die Gott gehört.

Heilige Dinge: Dinge die nicht für den profanen Gebrauch sind. Der Kelch und die Patene, der Altar, die liturgischen Gewänder und Geräte. Es gebietet uns die Ehrfurcht, dass wir den Kelch der Eucharistie nicht einfach auf einer Party verwenden oder im Küchengebrauch des Alltags; sie gehören dem Gottesdienst und gehören damit Gott, sie sind geweiht, ausgesondert, geheiligt. Vielleicht haben wir zu sehr die Ehrfurcht verloren vor den heiligen Geräten. Auf Flohmärkten kann man Messgewänder kaufen, wer hat sie dorthin gegeben? Verlust des Gespürs für das Heilige. Reliquien bei Antiquaren zu kaufen, weil man vergessen hat, dass sie heilige Dinge sind, die ehrfürchtig gebraucht werden. Und schließlich das Wichtigste, das anbetungswürdige, eucharistische Brot, der Herr selbst. Wir verwenden es nicht wie gewöhnliches Brot, und es müsste uns schmerzen, wenn es verwendet wird wie gewöhnliches Brot, nicht unterschieden. Es ist das Aller- heiligste, weil es der Herr selber ist. Es ist eine Lieblosigkeit Gott gegenüber, wenn wir das Heilige, das Allerheiligste nicht ehrfürchtig behandeln. Wie wird die Eucharistie bei uns behandelt? Wie empfange ich den Leib Christi?

Und schließlich nicht nur heiliger Raum, heilige Zeit, heilige Dinge auch heilige Menschen. Zum Andreas-Fest des vergangenen Jahres war ich in Istanbul, zum ersten Mal in meinem Leben in einem islamischen Land, als Gast des Patriarchen von Konstantinopel. Am Flughafen, Mekkapilger, auch das habe ich zum ersten Mal gesehen. Sie waren in weiße Tücher gekleidet, in einer ganz besonderen, leichten Kleidung, ohne Reisegepäck. In der Armut der Pilger ausgesondert, abgehoben von den anderen, am Weg nach Mekka um sich zu heiligen, das heißt, sich Gott ganz zu übergeben. Heilige Menschen, Menschen die ausgesondert sind, weil sie sich Gott weihen. Als Getaufte sind wir solche Aus- gesonderte, Herausgerufene, Geheiligte. Paulus spricht die Christen an als von Gott geliebte Heilige. "Kirche" -"Ekklesia" - heißt ja "die Herausgerufene". Christen sind Menschen, die her- ausgerufen sind.

Heute wird uns das neu bewusst: Christ sein, Kirche sein, das heißt: herausgerufen sein, ausgesondert, "Ihr gehört nicht mehr euch selbst", ihr gehört Gott! Das heißt aber: anders sein! Gerufen sein zu einem Unterschied, zu einer Andersheit. Christ sein, Kirchesein heißt ausgesondert sein, geheiligt, abgegrenzt, her- ausgenommen, Gottgegeben. "Ihr gehört nicht mehr euch selbst", ihr gehört Gott! Wer aber so herausgerufen ist, der ist anders, dem ist das Anderssein aufgetragen. Er ist in einem Unterschied zur Welt gestellt, eben ausgesondert. Es fällt uns schwer, ausgesondert zu sein, wir wollen nicht anders sein als die anderen.

Das Jüdische Volk hat das Jahrhunderte lang lernen müssen, er- fahren dürfen anders zu sein. Das erwählte Volk, herausgerufen aus den anderen Völkern, seit Abraham herausgerufen wurde aus Ur in Chaldäer, seit die Väter, die Söhne Israels, die Nach- kommen Jakobs von Gott zu seinem Eigentumsvolk gemacht wurden, herausgerufen, ausgesondert, sein Heiligtum, sein heiliges Volk und damit abgegrenzt von den anderen Völkern. Und weil der Gott Israels heilig ist, sollen sie auch heilig sein. Deshalb heißt es im Alten Testament, wie ein Refrain "Seid heilig, weil ich heilig bin" (Lev 11,44f).

Es ist Israel schwer gefallen, wer will schon anders sein? Dieses Herausgelöst sein in eine andere Existenz, in ein anderes Leben gestellt sein. Es fällt ihnen schwer und die Bibel bezeugt auf jeder Seite, wie sehr sich das Volk Gottes dagegen gewehrt hat. Sie wollen sein, wie alle Völker, sich nicht unterscheiden müssen.

Wie schwer fällt es uns, anders zu sein, Jesu Christi "heiliges Volk" zu sein. Wie schwer fällt es uns, wenn wir angesprochen werden, wie damals Petrus im Hof des Hohenpriesters von der Magd, "auch du gehörst doch zu diesem Galiläer!" und wie es Petrus unangenehm war und er gesagt hat "ich kenne diesen Menschen nicht"? Wir wollen nicht auffallen, es fällt uns schwer, dass man uns sagt "du gehörst doch auch zu diesem Verein", in einer Zeit, in der dieser Verein, diese Kirche ständig negativ in der Öffentlichkeit, in den Medien ist. "Auch du gehörst doch da- zu!".

Was ist dieses "Ausgesondert sein"? Wir erfahren es heute auf eine ganz neue Weise. Kirche sein heißt heute ausgesondert sein. Als Christen sind wir ausgesondert. Aber ist die derzeitige Erfahrung bei uns nicht gerade, dass die Kirche ganz und gar nicht heilig ist, dass sie eben voller Sünder und voller Sünden ist, und dass von allen Seiten auf die Kirche gezeigt wird: seht sie euch nur an, die "scheinheilige" Kirche, die ja in Wirklichkeit unter dem Mantel der scheinbaren Heiligkeit nur ihre Schwächen und Ver- sagen verbirgt. Die Kirche heilig, für Gott ausgesondert, ist sie nicht viel mehr die Kirche der Sünder? (Ausgesondert vielleicht gerade deshalb, weil sie unvollkommen ist.) Fragen wir also, was es heißt: heilig ist die Kirche. Ist die Kirche wirklich heilig, also Gott, Jesus Christus ganz gehörig, ganz ihm übereignet? Ist die Kirche wirklich die Braut Christi, oder ist sie nicht viel mehr als die Dirne entlarvt, und daher zu Recht kritisiert, verspottet, verachtet? Dieser Tage erhielt ich einen Brief einer bedrängten, be- sorgten, traurigen, zornigen Katholikin. Am Ende ihres langen Briefes schrieb sie: "Schreiben Sie mir, ob es einen glaubwürdigen Grund gibt, noch in dieser Kirche zu bleiben."


2. "Heilige Kirche" Fragen wir uns also, was das heißt, dass die Kirche im Glaubensbekenntnis heilig genannt wird. Es gibt darauf eine klare und entschiedene Antwort: Ja die Kirche ist heilig, sie ist unzerstörbar heilig. Das Konzil sagt dazu, das sei ein Glaubenssatz; das ist also eine Gewissheit, felsenfest, zuverlässig, wie die Gewissheit des Glaubens ist. Warum ist das ein Glaubenssatz, eine Glaubensgewissheit? Warum ist die Kirche unzerstörbar heilig? Die Kirche ist heilig, nicht aus sich selbst, nicht von uns aus. Das Konzil sagt, und ich darf diesen Text vorlesen, in der Konstitution über die Kirche: "Denn Christus, der Sohn Gottes, der mit dem Vater und dem Geist als ‘allein Heiliger’ gepriesen wird, hat die Kirche als seine Braut geliebt, indem er sich selbst für sie hingab, um sie zu heiligen, und er hat sie als seinen Leib mit sich verbunden sowie mit der Gabe des Heiligen Geistes erfüllt zur Ehre Gottes." LG 39 (KKK 823).

Warum ist die Kirche heilig und zwar unzerstörbar? Weil Jesus sie rein gewaschen hat. Jesus hat sie herausgeholt, Gott hat sich der Kirche angenommen, er hat, wie die hl. Katharina von Siena sagt, sich in sie ver- liebt, "enamorastiti", sagt sie; "Du hast dich in sie verliebt und deshalb ist sie schön". Er hat sich in sie verschaut und deshalb ist sie strahlend schön. Im Hohelied heißt es von der Braut: "Schwarz bin ich, doch schön, ihr Töchter Jerusalems". Und die kirchliche Tradition hat dieses Wort aus dem Hohelied immer auf die Kirche gedeutet. Schwarz ist sie von ihren Sünden, schwarz von ihren Unvollkommenheiten und Makeln und doch ist sie schön, schön weil er sie geliebt hat. "Ex maculatis immaculata", aus Makelhaftem ist sie makellos, aus Sündern gebildet ist sie heilig. Christus hat sie gewissermaßen gesund geliebt, er hat sie geheilt durch seine Liebe und deshalb ist sie heilig, ja unzerstörbar heilig, weil seine Liebe unzerstörbar ist. Wenn man begreifen will, warum die Kirche heilig ist, dann geht das nur von der Liebe her. Nur die Liebe kann begreifen, warum trotz aller Fehler und mit allen Fehlern diese Kirche heilig ist. Weil er sie liebt, weil er sie mit den Augen der Liebe sieht, und deshalb sieht er an ihr ihre Schönheit und nicht ihre Unvollkommenheit, sie ist seine Kirche.

Jetzt stellt sich aber die Frage: wo ist diese Kirche, gibt es sie überhaupt, sind wir alle Kirche? Kirche sind wir alle, hört man heute oft in unserem Land. Sind wir diese Kirche, die Christus liebt? Kann man sich vorstellen, dass Er diesen Verein liebt, der so kritisiert wird, der so viele Fehler hat? Wo Menschen auf Sei- ne Liebe antworten, sich auf sie einlassen, dort beginnt die Kirche, die heilige Kirche in ihrer Schönheit sichtbar zu werden. Wo wir nur stückhaft, zaghaft, halbherzig, auf die Liebe Christi ein- gehen, dort wird die Kirche auch nicht leuchten können. Dort bleibt der Glanz der heiligen Kirche verborgen, ja verhüllt, verstellt oder sogar entstellt durch uns.

Wenn wir sagen, die Kirche ist heilig, dann bekennen wir zuerst, und das ist die Glaubensgewissheit, dann bekennen wir: Christus ist der Kirche treu. Da kann passieren, was will, Er wird seinen Bund nie brechen, Er kann sich nicht verleugnen. Auch wenn die Glieder der Kirche ihm die Treue wahren, Er wird treu bleiben. Anders gesagt: nie wird Christus seine Kirche "hängen" lassen. Christus wird die Kirche nie "hängen" lassen, sie gehört Ihm. In dem vollen Sinn des Wortes, wie Mann und Frau einander für immer gehören. Er ist ihr immer treu und deshalb ist es ein Glaubenssatz und eine Glaubensgewißheit, dass die Kirche unzer- störbar heilig ist.


Die Kirche ist heilig, aber wir, sind wir heilig? Wir sind am Weg dahin, wir sind unterwegs. Noch einmal gefragt, können wir sagen: "Kirche sind wir alle"? Wenn ich Jesus untreu bin, wenn ich nicht nach seinem Evangelium lebe, wenn ich mich nicht auf seinen Weg einlasse, bin ich dann Kirche, kann ich dann sagen, "Kirche sind wir alle"? Jesus hat gesagt: Weizen und Unkraut wachsen zusammen, solange die Zeit dauert und erst am Ende wird Gott selber auseinander sortieren, durch seine Engel, was Unkraut und was Weizen ist. Bin ich Weizen in der Kirche oder bin ich Unkraut? Damit meine ich nicht, Unkraut verdirbt nicht. Leider verdirbt dieses Unkraut nicht in der Kirche, das Unkraut unserer Sünden. Wenn ich Unkraut bin, dann bin ich nur teilweise "drinnen", teilweise aber "draußen". Der hl. Augustinus sagt zu- recht, es gibt viele die draußen sind und doch in Wirklichkeit drinnen sind. Und viele die drinnen sind in der Kirche, die aber in Wirklichkeit draußen sind. Kirche werden wir, Kirche sind wir noch nicht ganz. Maria ist Kirche, die Heiligen sind Kirche, wir alle sind noch nicht ganz Kirche. Wir sind am Weg dazu und die Kirche wächst in uns, wenn der Glaube in uns wächst, aber wir können die Kirche verwunden, durch Lieblosigkeit, durch Hartherzigkeit, durch unsere Sünden. Und oft blutet die Kirche aus vielen Wunden wegen unsere Lieblosigkeit.

Kommen wir zum Schluss: Wie können wir also der Kirche helfen, dass sie "heilige" Kirche sei? Ich glaube, wir müssen die Frage umdrehen. Zuerst müssen wir sagen, wie hilft uns die Kirche heilig zu werden? Ich erinnere mich an P. Congar, den großen Konzilstheologen, der lange durch schwere Krankheit im Rollstuhl geprüft wurde, der die letzten Jahre ganz bei den Kranken und Armen verbrachte und dort dann das Kardinalsbirett mit 90 Jahren bekam. P. Congar wurde einmal von einem Journalisten gefragt: "Warum bleiben sie in der Kirche?" Er hat spontan und direkt darauf geantwortet: "Weil ich ihr alles verdanke". Sie heiligt mich, Christus hat alles der Kirche in die Hand gelegt, sie kann es weitergeben an jeden von uns.

Was ist die Kirche für uns? Lebensraum. In ihr finde ich Raum zum leben, in ihr finde ich Leben.
Was ist die Kirche? Gemeinschaft. In ihr finde ich aus meiner Isolation heraus.
Was ist die Kirche? Ort der Vergebung. Ich kann in ihr neu anfangen.
Die Kirche ist der Weg, Christus nachzufolgen.

Aber es stimmt auch: ich kann dazu beitragen, dass die Kirche in ihrer Heiligkeit wächst und sichtbar wird. Sie kennen alle den Text der hl. Therese von Lisieux, wo sie ihren großen Traum verwirk- licht: "im Herzen der Kirche, meiner Mutter werde ich die Liebe sein". Die Liebe ist die Seele der Kirche, von ihr lebt die Kirche. Und die hl. Theresia zitiert Johannes vom Kreuz, der einmal gesagt hat: der kleinste Akt der reinen Liebe wirkt mehr als alle unsere Werke. Wenn wir also schauen, wie soll die Erneuerung der Kirche geschehen, die Reform der Kirche, von der soviel die Rede ist? Dann ist eines sicher: ohne die Liebe geht nichts. Was die Liebe tut, macht die Kirche neu. Die wirkliche Reform der Kirche kommt daher, dass wir uns einlassen auf die Liebe.

Viel gäbe es dazu zu sagen. Die Liebe verzeiht, vergebende Liebe. Die heilige Kirche ist zuerst eine, die erfahren hat, dass Gott ihr verziehen hat, und wir werden Kirche in dem Maß, wie uns bewusst wird, dass uns verziehen ist. Und in dem Maß uns das bewusst wird, werden wir die vergebende Liebe weitergeben. "Die Liebe erträgt alles", sagt der hl. Paulus. Wie viel Hick-Hack gibt es bei uns in der Kirche, wie viel Streit statt des Ertragens, statt des einander Tragens und Ertragens? Der Herr trägt uns und er- trägt uns. Ein ganz einfacher Vorschlag: denken wir daran, wenn einem jemand unerträglich ist, mühsam ist, auf den ‘Wecker’ geht, auf die Nerven geht. Denken wir daran, wie geht es Gott mit mir? Wie lange erträgt er mich schon in meinen Unvollkommenheiten, in meinem Ausweichen, in meinem Nein-sagen? Die Liebe erträgt! Und schließlich: die Liebe im Herzen der Kirche, die Liebe verteidigt sich nicht selbst, die Liebe rechtfertigt sich nicht selbst. Wie viel Selbstrechtfertigung, Rechthaberei, wie viel Rechthaben wollen und Besserwissen wollen besteht unter uns? Wenn wir gemeinsam auf den blicken, der die Kirche geliebt hat, dann wird es uns leichter fallen, einander nicht als Gegner zu begegnen, nicht unbedingt uns rechtfertigen zu müssen, rechtbe- halten zu müssen.

Der Heilige Vater wird in vier Monaten nach Österreich kommen. Er kommt in der Schwäche seines Alters, seiner angegriffenen Gesundheit. Er kann nur in der Schwäche der Liebe kommen. Ich sehe in seinem Kommen eine große Einladung an uns, als Kirche in diesem Land, dass wir erneut lernen, verstehen lernen. Nur die sich opfernde, hingebende, vergebende, ertragende, geduldige Liebe kann Menschenherzen gewinnen. Dass das der Weg der heiligen Kirche ist, weil Christus so die Kirche geliebt hat und sie heute noch so liebt, das sollte unser Weg sein, selber Kirche zu sein. Wenn wir so alle Kirche sind, dann wird es mit der Kirche auch gut gehen.

 

 



 

 

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