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Katechesen
1997/1998
2. Jahresreihe - 1. Katechese, 14.12.97
Kirche |
Mit großer Freude beginne ich,
diese neue Reihe der Katechesen, die uns ein wenig helfen soll, auf dem Weg zur
Vorbereitung zum Papstbesuch. Wir erwarten den Heiligen Vater vom 19. bis 21 . Juni zum
dritten Mal in Österreich. Dieses Mal zu einem ganz besonderen Anlass, denn wir erwarten
die Seligsprechung von zumindest zwei bedeutenden Christen unseres Jahrhunderts: Sr.
Restituta Kafka und P. Jakob Kern aus dem Prämonstratenser-Orden. Vielleicht werden es
noch mehr sein, denn vergangenen Donnerstag hat in Rom die sog. Consulta Medica, die
Ärztekommission der Kongregation für die Seligsprechungen, ein Wunder, das auf die
Fürsprache von P. Anton Maria Schwarz zustande- gekommen ist, einstimmig als Wunder
erklärt bzw. es vom medizinischen Standpunkt aus anerkannt, so daß wir ein wenig schon
die Hoffnung haben dürfen, daß auch P. Anton Maria Schwarz, der Gründer der
Kalasantiner, vielleicht selig gesprochen werden könnte durch den Heiligen Vater. Und
vielleicht P. Marco d'Aviano, der Kapuziner des 17. Jahrhunderts, der im Kapuzinerkloster begraben ist. Das wäre ganz etwas Außergewöhnliches. Vier Seligsprechungen hier
in Wien, von Menschen, die, zumindest die meiste Zeit, oder einen Teil ihres Lebens hier
gelebt und gewirkt haben. Wir bereiten uns also auf diesen dritten Besuch des Papstes in
unserem Land vor. Ich möchte die Katechesen in den folgenden Monaten,
jeden Monat einmal, unter das Thema der Kirche stellen, denn es ist mir ein
Herzensanliegen, über die Liebe zur Kirche zu sprechen, ja, die Liebe zur Kirche, über
die Schönheit der Kirche. Es ist heute eher das Gegenteil der Fall. Der Trend der Zeit
ist, dass man sich an der Kirche abputzt, wie man in Wien sagt. Dass man über die Kirche
spottet, sie kritisiert. Ja, man hat in den Medien schnell den Ruf, dass man mutig ist,
wenn man den Papst kritisiert oder die Kirche mit allen möglichen Titeln beschimpft als
unmenschlich, altmodisch, verzopft, hinterwäldlerisch usw. Ich möchte euch heute ein
wenig sagen, warum ich die Kirche liebe. Nicht subjektiv, nicht nach meiner
Gefühlslage, sondern warum es wirklich begründet ist, froh über die Kirche. Warum es
etwas so Schönes ist, in der Kirche zu sein. Warum wir dankbar sein dürfen für die
Kirche. Ich möchte versuchen, einen anderen Blick auf die Kirche zu werfen und zwar nicht
apologetisch, also möglichst verteidigend, möglichst alle Einwürfe entkräftigen,
möglichst sozusagen die Kirche rein zu Waschen von allen Vorwürfen. Ich möchte des- halb
auch nicht sosehr auf die Kritik an der Kirche eingehen, zu- mindest nicht heute, sondern
einfach einmal versuchen, auf die Kirche einen anderen Blick zu werfen, wie man sie auch
sehen kann. Sozusagen die Kirche mit anderen Augen zu sehen.
Dabei geht es nicht darum, die
Kirche zu idealisieren, sie so- zusagen so hoch zu heben, auf ein Podest zu stellen,
dass
sie ganz entrückt ist, sondern es geht um einen anderen Blick auf die Kirche. Ich möchte
ausgehen von einem Text, der Geheimen Offenbarung des Johannes im Kapitel 21. Ganz am
Schluss der Geheimen Offenbarung, wo Johannes von einem der sieben Engel entrückt wird.
Es heißt da, im Vers 9 des Kapitel 21 : "Und es kam einer von den sieben Engeln, er
sagte zu mir, komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes, da entrückte er
mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt
Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit
Gottes, sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis. Die Stadt
hat ein große und hohe Mauer mit 12 Toren und 12 Engeln darauf. Auf die Tore sind die
Namen geschrieben, die Namen der 12 Stämme, der 12 Söhne Israels. Im Osten hat die
Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore.
Die Mauer der Stadt hat 12 Grundsteine, auf ihnen stehen die 12 Namen der 12 Apostel des
Lammes." Wir sind hier im Dom und wer ein wenig die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst kennt, weiß,
dass die Meister des Mittelalters den Dom nach dem Vorbild
des Himmlischen Jerusalem gebaut haben. Sie hatten die hohe Idee von der Kirche,
dass
sie ein Abbild des Himmlischen Jerusalem ist, der Stadt Gottes mitten unter den Menschen,
und ich glaube wir dürfen sagen, es ist ihnen nicht schlecht gelungen. So schlecht ist
der Dom nicht geraten. Was mussten diese Menschen für eine Vision von der Kirche haben?
Um einen solchen Dom bauen zu können, muss man eine Schau haben, eine große Idee, eine
Sicht der Kirche und eine starke gestalterische Kraft, eine große seelische Kraft, eine
starke Kraft des Glaubens. Es ist eigen- artig, der Stephansdom ist das meist besuchte
Monument von Wien, mehr als Schönbrunn und mehr als alle anderen Denkmäler Wiens. Ich
glaube sogar sagen zu können, es ist das meistbesuchte Monument Österreichs. Gebaut
wurde es im "finsteren Mittelalter", jenem Mittelalter, von dem man so leicht-
hin sagt, es sei finster. Ich bitte euch, seid vorsichtig, wenn vom "finstern
Mittelalter" die Rede ist. Vielleicht hatten die Menschen damals eine Kraft des
Glaubens, eine Schau der Kirche, die uns heute nur staunen lässt und die hunderttausend
Touristen, die jedes Jahr durch den Dom strömen, ahnen et- was von einer großen Schau.
So finster kann diese Zeit nicht gewesen sein, wenn sie auch sicher nicht ein goldenes
Zeitalter war. Wollte Jesus die Kirche so, wollte er die großen Dome, die prächtigen
Bauten? Ist das nicht entgegen seiner Ab- sicht`? Gestern hat mir in einer Pfarre jemand
gesagt: "Warum gebt ihr soviel Geld für den Stephansdom aus und so wenig Geld für
die Obdachlosen?" Ich konnte ihm antworten, ich glaube zu recht,
dass die vielen
Spenden, die für den Stephansdom gegeben werden zu seiner Erhaltung, meistens von
Leuten gegeben werden, die auch Geld für die Armen geben, und es ist meistens so,
dass
die, die für den Stephansdom nichts geben, auch keinen nein ich will es nicht so sagen.
Viel- leicht nicht so das Gespür für die Armen haben, zumindest ist es nicht ein
Gegensatz. Mutter Theresa hat einmal einen kost- baren Rubin geschenkt bekommen und sie
hat spontan gesagt: "Dieser Rubin ist für den Tabernakel in Kalkutta, in der
Kapelle der Schwestern." Dann hat man ihr gesagt: "Aber wenn Sie den Rubin
verkaufen würden, dann könnten Sie doch sehr viel für die Armen tun." Darauf hat
sie geantwortet: "Wenn Christus nicht mehr geliebt wird, werden auch die Armen nicht
geliebt." Das Mittelalter hat nicht nur Dome gebaut, sondern auch Hospitale, und wenn
wir heute selbstverständlich Spitäler haben, so ist das auch eine Frucht des
Mittelalters, das aus der Kraft des Glaubens heraus auch ein Gespür für die Armen gehabt
hat. Eine Schau der Kirche, eine große Vision, die Geheime Offenbarung sieht die Kirche
als die Stadt, die von Gott zu den Menschen herunter kommt, der Dom ist ein Abbild da-
für.
Ist San Damiano nicht viel echter? Das kleine San Damiano in Assisi, das Franz v.
Assisi wieder hergerichtet hat, das auch jetzt nach dem Erdbeben wieder hergerichtet wird.
Ist das nicht viel echter als der riesige Dom? Entspricht das nicht mehr der Absicht
Christi? Und doch gerade das, glaube ich, zeichnet die Kirche aus, dass sie Sinn hat für
die Herrlichkeit, für die Größe, für die Schönheit im Großen und im Kleinen, und die
Dome sind nicht ein Gegensatz zu San Damiano, sondern beides spricht von der Kirche.
Aber wie finden wir die Kirche, wie sehen wir die Kirche mit anderen Augen, wie sehen
wir ihr wahres Gesicht? Heute sind alle, die irgendwie im Beruf stehen, in der
Öffentlichkeit stehen, am Arbeitsplatz und oft auch sogar in den eigenen Familien
konfrontiert mit einer ganzen Litanei von Vorwürfen gegen die Kirche. Es gibt fast so
etwas wie eine Standard-Liste der Vorwürfe. Da kommt immer die Inquisition vor, da kommen
die Hexenverbrennun- gen vor, da kommt Galilei vor, die Intoleranz der Kirche, die
Diktatur des Papstes, die Rückständigkeit der Kirche. Viele sehen in der Kirche den
Reichtum und die Macht, viele sehen in der Kirche etwas was so vorbei ist,
dass man nicht
einmal davon mehr redet. Und dann geschieht es gelegentlich, dass jemand die Kirche anders
zu sehen beginnt, der Blick wendet sich. Wie geschieht das? Wie entdecken Menschen ein anderes Gesicht der Kirche? Gertrud von le Fort, die Dichterin, hat als erstes Werk nach
ihrer Konversion "Hymnen an die Kirche" geschrieben. Ein wunderbares Werk noch
heute zu lesen, die "Hymnen an die Kirche", voller tiefer Liebe und Bewunderung für die Kirche. Wie kommt es,
dass jemand allmählich einen anderen Blick auf
die Kirche bekommt, gewisser- maßen sie nicht mehr von außen sieht, sondern von innen zu
sehen beginnt. Im Katechismus heißt es einmal, nur mit den Augen des Glaubens kann man in
der sichtbaren Wirklichkeit der Kirche ihre unsichtbare Dimension erkennen. Nur mit den
Augen des Glaubens, oder anders gesagt, nur mit der Liebe kann man die Kirche erkennen.
Man beginnt zu sehen, was Andere von außen nicht sehen. Es ist wie bei einem geliebten
Menschen. Andere sehen gar nicht. Warum, was ist so besonders an diesen Menschen? Und
wenn man die Liebenden fragt, was sie aneinander so besonders finden, dann können sie
zwar manches nennen, aber den letzten Grund, warum der Geliebte, die Geliebte geliebt
werden, kann man eigentlich nicht nennen. Es ist eben so, man sieht es. Paulus sagt,
Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben. Und er sagt das in dem
Kapitel, in dem er über das Verhältnis von Mann und Frau spricht. Wie das sein soll. Er
sagt das Geheimnis ist groß, ich meine es im Bezug auf Christus und die Kirche.
Christus liebt also die Kirche. Da muss also einer sein, der die Kirche ganz besonders
sieht, der in ihr etwas findet, was ihm so kostbar ist, dass er sogar, wie Paulus dann
weiter sagt, sich für sie hingegeben hat, er hat sein Leben für sie gegeben. Jesus liebt
die Kirche so, dass er für sie stirbt, dass er für sie alles hergibt. Eine solche Liebe
allein kann die Kirche wirklich verstehen, also müssen wir versuchen, die Kirche so zu
sehen, wie Jesus sie sieht, mit seinen Augen. Paulus sagt weiter, er will sie herrlich vor
sich erscheinen lassen ohne Makeln und Runzeln. Ganz ohne Makeln und Runzeln, strahlend
wie eine Braut, so sieht er die Kirche. Deshalb wird die Kirche ja auch seine Braut
genannt. Wir sind hier meilenweit entfernt von dem Bild, das meist in der Öffentlichkeit
von der Kirche erscheint. Wie kommt es, dass es so einen unglaublichen Kontrast zwischen
dem gibt, was Paulus über die Kirche sagt, und dem, was so das "öffentliche Image',
der Kirche ist? Ist das nicht alles viel zu idealisiert? Hat Paulus hier nicht die Kirche
auf ein so hohes Podest gestellt, dass sie eigentlich mit der wirklichen Kirche gar nichts
mehr zu tun hat? Ist die Wirklichkeit nicht viel dürftiger, so wie jeder von uns die
Kirche er- lebt, in seinem Alltag? Ich in meinem bischöflichen Alltag, in den Sitzungen
und Gremien. Ist da die Kirche so strahlend, oder wirkt sie nicht manchmal verhockt und
verstaubt und viel- diskutiert und verhofft? Oder wie sieht die Kirche in meiner Pfarre
aus, ist das nicht ein dürftiges Häuflein von meistens älteren Leuten, eine kleine
Schar in einer verstaubten Kirche, in der etwas mühselig ein Gottesdienst gefeiert wird,
und wo die meisten jungen Menschen sagen, dass sie damit nichts anfangen können.
Und wie
sieht unser Religionsunterricht aus? Ist er nicht oft ein mühsames Kämpfen, um die Aufmerksamkeit junger Menschen? Wie sehen wir Priester aus? Ist das so glorreich und
liebenswert? Wie sehen wir Bischöfe aus, mit unseren Streitereien? Und wie sieht Rom
selber aus, mit dem Wirbel, den es immer wieder um Rom gibt? Wie oft bekommen wir gesagt,
"Wasser predigen sie und Wein ..."etc. Und doch etwas Eigenartiges, wenn wir die
Kirche mit den Augen des Glaubens sehen, wenn wir die Kirche nicht von außen sehen,
sondern mit der Liebe des Herzens, mit den Au en des Glaubens, dann wird sie nicht
idealisiert, sie wird nicht rosarot und lieblich, im Gegenteil. Erst wenn wir die Kirche
wirklich lieben, beginnen wir ihre Fehler wirklich zu sehen. Nicht von außen und
oberflächlich und oft auch ungerecht, sondern in der Tiefe. Wir beginnen zu sehen,
wie viel Eitelkeit es unter uns gibt, wie viel ungelebtes Christentum, wie sehr es uns an
Demut mangelt. Wir beginnen zu sehen, das es viel am Glauben fehlt unter uns in der
Kirche. Und es beginnt viel schmerzlicher zu werden, die Fehler der Kirche zu sehen, als
wenn einem im Fernsehen wieder einmal ein "Kirchenwatschn" begegnet. Das tut
viel weher, wenn wir die Fehler der Kirche aus der Liebe und im Glauben sehen. Dann
beginnt es uns zu schmerzen, dass wir selber so lau sind, dass wir so wenig aus der Freude
des Glaubens leben, dass wir so wenig unser ganzes Leben einsetzen. Léon Bloy, der große
Franzo- se, Dichter, brennender Prophet, Zeuge der Armut des Evangeliums, hat gesagt:
"Es gibt nur einen wirklichen Schmerz, den Schmerz, nicht heilig zu sein".
Bisher kam die Kritik von außen, es war Spott oder Ablehnung. Jetzt wird es wie ein
Schmerz im eigenen Leib, wie ein Schmerz in der eigenen Seele.
Und wir erinnern uns an
das, was Paulus sagt, "Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit. Wenn ein Glied
geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit." Es wird ein Mitleiden mit der Kirche und
ein Mitfreuen mit der Kirche. Und es sind dann vielleicht dieselben Dinge, die man von
außen gesehen kritisiert und die man von innen gesehen mit Schmerz wahrnimmt. Der Glaube
setzt uns nicht eine rosarote Brille auf, sondern er macht uns sehend. Die hl. Katharina
von Siena, die große heilige Dominikanerin des Mittelalters, hat die Kirche so brennend geliebt,
dass sie in ihrer letzten Vision, kurz vor ihrem Tod sich gewünscht hat,
dass ihr fast, so sagt sie es, das Herz aus dem Leib gerissen wird und das Herzblut über
die Kirche ausgegossen wird, damit sie erneuert wird. Katharina hat nicht gezögert, dem
Papst zu schreiben, im Blick auf manche Kardinäle der damaligen Zeit (natürlich nur
der damaligen Zeit), dass diese wahre eingefleischte Teufel seien. Kirchenkritik von heute
scheint demgegenüber ganz harmlos zu sein. Wenn sie dem Papst schreibt: "Seien sie
doch endlich ein Mann!" Diese Katharina hat aber auch immer wieder von sich gesagt
"Ich bin Schuld am ganzen Elend der Kirche". Und natürlich sagen wir, sie
übertreibt, denn sie war ja eine Heilige. Sie hat nicht über- trieben, weil sie gespürt
hat, dass das Leiden der Kirche, die Runzeln und Makeln von uns kommen,
dass wir schuld
sind daran, dass die Kirche nicht strahlend und herrlich ist, wie Christus sie will.
Dass
ich also selber die Kirche noch viel zu wenig liebe. Aber nicht nur das Leiden für die
Kirche, an der Kirche, in der Kirche wird tiefer, sondern auch die Freude. Und dazu zum
Abschluss einige Hinweise: Je mehr wir die Kirche lieben, desto mehr entdecken wir ihre
Schönheit und beginnen Freude an der Kirche zu gewinnen. Ja es wird ein immer neu- es und
immer größeres Staunen über die Wirklichkeit der Kirche.
Ich nenne drei Beispiele: Was für wunderbare
Menschen bringt die Kirche doch hervor. Wenn ich durch die Erzbischöfliche Bibliothek,
die so genannte "Bibliotheca Antic"a, durchgehe, die Kardinal Klesl errichten
lassen hat, da gibt es eine große Buchreihe, die so genannten Acta Sanctorum, und ich
versuche, mir auf ein Pult den jeweiligen Band hinzulegen für den Monat, in dem wir
gerade sind und für den Tag, der gerade beginnt. Es ist nicht zu fassen, wie viel Heilige
es pro Tag gibt. In unserem liturgischen Kalender stehen maximal zwei, drei, oft wird gar
keiner eigens erwähnt, in der Tagesliturgie. Aber in den Acta Sanctorum, in den heiligen
Akten, die, glaube ich, im ganzen 50 Bände umfassen, die von fleißigen Jesuiten der
Barockzeit zusammengestellt wurden gibt es für jeden Tag lange Kolonnen von Namen, die
meisten völlig unbekannt, die irgendwann im Altertum, im Mittelalter, in der Neuzeit
gelebt haben. Wie wunderbar ist es, diese große Schar großer, herrlicher Menschen zu
erleben, uns an sie zu erinnern und daran zu denken, dass diese Schar ja die Kirche
ausmacht. Das ist die lebendige Wirklichkeit der Kirche. So verschieden, aus allen
Alterstufen, aus allen Ländern der Erde, aus allen Berufen, aus allen Ständen die
große unermessliche Zahl von Menschen, von denen wir sagen, in ihnen wird das Antlitz
der Kirche sichtbar. Wenn wir im Juni die Seligsprechung von Menschen erleben werden,
die in unserem Jahrhundert gelebt haben, dann wird uns das wieder neu vor Augen
geführt, wie herrliche Menschen es gibt in der Kirche. Übrigens nicht nur die
ausdrücklich heilig gesprochenen, es gibt zahllose und wahrscheinlich noch viel mehr
unbekannte Heilige und sie leben mitten unter uns. Die, die Jesus die Kleinen nennt und
für die er den Vater preist.
Ein zweites: die Schönheit der Kirche wird sichtbar
in der Schönheit, die sie hervorgebracht hat. Kardinal Ratzinger hat einmal gesagt:
"Es ist doch eigenartig, Franziskus sucht die Armut, gibt alles her, will arm und
nackt dem armen Christus nachfolgen und in seiner Spur entstehen die schönsten Werke des
italienischen Mittelalters und der Renaissance". Jene Werke, die jetzt zum Teil in
Assisi durch das Erdbeben be- schädigt wurden. Wo der Glaube hinkommt, hinterlässt er
eine Spur von Schönheit. Ist das nicht eines der deutlichsten Zeichen für das
Geheimnis der Kirche, dass sie dort, wo sie lebt, Schönes hervorbringt? Werke der Kunst,
der großen Kunst, aber auch des ganz schlichten Schönen im Alltag. Wie viele herrliche
Kunstwerke durch alle Jahrhunderte sind im Gefolge im Raum, im Lebensraum der Kirche
entstanden, in der Malerei, in der Bildenden Kunst, in der Musik, und das bis heute. Man
kann geradezu sagen, in der Geschichte der letzten 2000 Jahre ist die Kirche die große
Matrix, fast möchte man sagen, der Mutterschoß der Schönheit, die "Mutter der
schönen Liebe", heißt es im Alten Testament.
Und ein drittes Beispiel: in der Spur der Kirche
eine nicht endende Phantasie der Liebe, der Nächstenliebe. Anton Maria Schwarz, der
Gründer der Karlasantiner, ein Beispiel unter zahllosen anderen: wie viel Phantasie,
wie viel Gespür, Wahrnehmung für das, was die Zeit braucht, die Not der Lehrlinge
damals in Wien, wie er sich ihrer annimmt, Institutionen schafft, um sie aufzufangen,
ihnen Heimat zu geben, sie auszubilden, ihnen einen Weg ins Leben zu ermöglichen, sie zu
bewahren vor den Gefahren. Schwester Restituta, die von der Trafikantin zur
Krankenschwester wird und die eine Virtuosin der Nächstenliebe ist. Wie viele solche
Virtuosen der Nächstenliebe hat die Kirche hervorgebracht? Und das zu jeder Zeit, in
immer neuen Formen zeigt sich die Lebendigkeit der Kirche in der Phantasie der
Nächstenliebe. Wer beginnt, das Antlitz der Kirche zu sehen, wird auch sie mehr und mehr
lieben. Nicht blind und blauäugig, sondern sehr klarsichtig. Freilich, wie kann man das
anderen vermitteln, wie kann man anderen bewusst machen, zeigen, dass die Kirche nicht das
ist, was ihnen als Bild der Kirche, als so genanntes "Image" der Kirche begegnet.
Erklären kann man das nicht, man kann einem Blinden nicht die Farbe erklären und man
kann jemanden, der das nicht erfahren hat es auch nicht erklären, wie schön die Kirche
ist, und doch, sichtbar muss es werden. Es bedarf so- wohl der äußeren, wie auch der
inneren Hilfe.
Wenn nicht die Gnade dazu kommt, wenn nicht Christus
uns die Augen öffnet, sehen wir es nicht, aber wir brauchen auch äußere Vorbilder. Es
muss auch sichtbar werden. Ich möchte in den folgenden Katechesen ein wenig über diese
Gestalt der Kirche nachdenken, sie ansehen, wie sie sich uns zeigt, in den vier großen
Kennzeichen der Kirche, wie wir sie im Glaubensbekenntnis nennen, dass die Kirche eine
ist. Wie sieht man die Einheit der Kirche, trotz all ihrer Zerspaltenheit und Zerklüftetheit,
dass sie heilig ist, die heilige Kirche, dass sie katholisch ist, universal,
weltweit, allumfassend und das sie apostolisch ist. Und zum Schluss in der letzten
Katechese, dann sind wir schon ganz nahe beim Papstbesuch, möchte ich über den
Petrusdienst sprechen. Warum hat Petrus in der Kirche so eine besondere Rolle, wer ist
das, der Papst, nicht so sehr von seiner persönlichen Biographie her, sondern warum hat
Jesus das für seine Kirche gewollt?
Soviel für heute, für den Anfang, ich wünsche
Euch einen gesegneten Advent und ein gesegnetes Weihnachtsfest und ich lade Euch ein,
dass wir schon jetzt beginnen uns vorzubereiten auf dieses so große und wichtige Ereignis
für unser Land, wenn der Papst im Juni uns besuchen wird.
Gelobt sei Jesus Christus!
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