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Katechesen
1997
1. Jahresreihe - 2. Katechese, 20.04.97
Weg zum Weltjugendtreffen |
Weg zum Weltjugendtreffen
Ich begrüße Euch alle herzlich zu dieser 2. Katechese auf dem
Weg zum Weltjugendtreffen, ein Wegstück, das wir gemeinsam gehen, und das
heute unter dem Titel steht: "Kirche - Haus Gottes, Haus der Menschen".
Es ist nahe liegend, warum ich diesen Titel gewählt habe, wir
beginnen heute mit der Domfestwoche, und der Dom ist ja schlechthin bei uns in
der Diözese das Haus Gottes unter den Menschen, das Haus der Menschen vor
Gott. Aber auch, weil die erste Katechese mit dem Wort der Jünger begonnen
hat: "Meister, wo wohnst du?" und dann von der Begegnung mit Jesus gehandelt
hat, ist es gut, heute darüber zu sprechen, wo wir Jesus begegnen. Wo ist der
Ort, wo er wohnt?
Ich möchte mit einer persönlichen Erinnerung beginnen, ohne
allzu autobiographisch zu sein. In meinem eigenen Glaubensweg, wenn ich
versuche, darüber nachzudenken, muss ich sagen, die Begegnung mit Christus und
die Begegnung mit der Kirche sind ganz, ganz untrennbar. Das ist nicht für
alle so, ich habe es so erfahren. Ich habe sehr stark erfahren, dass die
Kirche ein Zuhause ist. Das war sicher zuerst das Gotteshaus, die Pfarrkirche,
die Erfahrung einer geheimnisvollen, wirklichen Gegenwart, der Gegenwart des
Herrn, die Erfahrung seines Anrufs - Ihr versteht auch daher, warum ich darauf
dränge, dass die Kirchen offen sein sollen. Es ist das eine einzigartige
Möglichkeit, auch außerhalb der Eucharistiefeier dem Herrn zu begegnen und
seiner Gegenwart im Altarssakrament. Das war aber dann untrennbar auch die
Begegnung mit der Kirche als Gemeinschaft, das Ministrieren, die Katholische
Jugend, die Jungschar, die Begegnung auch mit Priestern, mit meinem
Heimatpfarrer, meinem Religionslehrer, und dann später, als ich ins Kloster
eingetreten war, die Erfahrung des Ordens als Lebensgemeinschaft, als Kirche,
und zugleich als Ort der Begegnung mit Christus. Diese Erfahrung (ist) weiter
geworden und weiter, und ich muss sagen, ich empfinde das als Geschenk, nicht
als eigenes Verdienst, ich habe die Kirche immer als eine große Bereicherung,
als ein großes Geschenk erfahren, und als einen Ort großer Weite. Als ich dann
Theologie studiert habe und durch den Orden, durch das Kloster vieles kennen
gelernt habe, war es die Erfahrung, dass die Kirche der Ort einer großen
geistigen Weite des Denkens ist. Die Begegnung mit den großen Kirchenlehrern,
Kirchenvätern, mit Augustinus, mit den griechischen Kirchenvätern, mit dem hl.
Thomas von Aquin, aber auch die lebendige Begegnung mit einigen ganz großen
Theologen unserer Zeit, mit P. Yves Congar, dessen Krankenpfleger ich einige
Zeit sein durfte, mit Hans Urs von Balthasar, sicher einer der größten
geistigen Schöpfer unseres Jahrhunderts. Aber die Kirche hat sich mir auch
gezeigt als ein Ort großer Künstler, in der Malerei, in der Dichtung, in der
Musik, von der ich nicht so viel verstehe, aber die ich liebe - und so ist mir
die Kirche früh schon erschienen als ein Ort einer großen Fruchtbarkeit, einer
großen Lebendigkeit. Und dann waren es vor allem die großen Menschen, denen
man in der Kirche begegnet - heute Lebenden oder auch in der Ge- schichte der
Kirche, die ja auch Gegenwart bleibt. Ich denke hier an die vielen Kleinen,
denen man als Priester begegnen kann, Unbekannten, aber vor Gott im
Verborgenen Großen des Reiches Gottes, wunderbare Menschen, aber auch
bekannten Menschen, von denen der Glaube so sprechend ausgeht. Ich denke ich
darf hier ruhig einige Namen nennen: die Begegnung mit Maria Loley, die
Begegnung mit Jelena Brajša, die Begegnung mit Benedict Groeschel und vielen
anderen, in denen das Christentum so leuchtend sichtbar wird. Aber auch die
großen Zeugen der Vergangenheit, die Heiligen. Was hat diese Kirche für
wunderbare Menschen hervorgebracht. Das muss doch etwas sein, was mit der
Kirche selber zu tun hat, die sind doch nicht groß, weil sie so zu sagen trotz
der Kirche groß geworden sind: Jeanne d'Arc, Thérèse de Lisieux, Bernadette -
die unermessliche Schar der Heiligen: Damian de Veuster, oder der heilige
Bruder Konrad von Parzham, dessen Fest wir morgen feiern, der zusammen mit
einem der größten Denker der Menschheitsgeschichte, mit dem hl. Anselm von
Canterbury morgen von der Kirche verehrt wird. Die Kirche ist mir erschienen
und erscheint mir mehr und mehr als ein Ort einer unglaublichen geistigen
Weite, ein Lebensraum, in dem man tief und frei atmen kann. Weit und Licht
durchflutet wie der Dom im Morgenlicht, und doch ein Ort der Geborgenheit, wie
es auch der Dom ist. Und doch muss ich erleben, und Ihr erlebt es sicher auch
(ich denke an die vielen Briefe von Ausgetretenen, die ich in den letzten
Monaten beantwortet habe): Da kommt immer wieder eine schwere, eine massive
Kritik an der Kirche, dass sie völlig daneben ist, völlig an der Zeit
vorbeigeht, am Leben der Menschen. Und wir hören: im 19. Jahrhundert hat die
Kirche die Arbeiter verloren, heute verliert sie die Frauen. Die Jugend hat
sie schon verloren, so wird uns gesagt. Mehr noch: es wird gesagt, und immer
wieder ist es zu hören: Die Kirche ist das letzte totalitäre Regime in diesem
Jahrhundert. Ihre Geschichte ist eine lange Blutspur, eine Spur von Tränen und
Blut. Und es werden genannt: die Kreuzzüge, die Inquisition, die
Judenverfolgungen, die Hexenverbrennungen, die Religionskriege. Es gibt ein
Buch, das trägt den Titel "Die Kriminalgeschichte des Christentums". Viele
Menschen lesen dieses Buch. "Die Evangelien sind Lügenge- schichten", auch das
findet man in Buchtiteln. Der Vatikan ist eine dubiose, um nicht zu sagen,
mafiose Gesellschaft, so der angebliche Mord an Papst Johannes Paul I. Sind
das zwei völlig verschiedene Wirklichkeiten? Leben wir in zwei verschiedenen
Wirklichkeiten? So wie viele Menschen die Kirchen erleben, so wie ich sie
erlebe, sind das zwei ganz getrennte Wirklichkeiten? Wer täuscht sich da?
Mache ich mir Illusionen? Täuschen sich die an- deren? Oder täuschen sich
beide Seiten? Vielleicht übertreiben sie? Vielleicht übertreibe ich, wenn ich
die Kirche als einen wunderbaren, weiten Raum empfinde? Vielleicht übertreiben
die, die von der "Kriminalgeschichte des Christentums" sprechen? Vielleicht
ist die Kirche gar nicht so großartig, aber auch gar nicht so bösartig,
sondern nur mittelmäßig, menschlich, und ein bissl banal. Und ist nicht oft
die Erfahrung von Kirche eben die einer großen Mittelmäßigkeit?
Wie antworten wir den zahlreichen Kritikern, die heute an der Kirche kein
gutes Haar lassen, vielleicht enttäuscht sind, negative Erfahrungen gemacht
haben?
Ich möchte versuchen, ein wenig auf diese Fragen einzugehen. Zuerst einmal
wäre es unerlässlich, dass wir die Kirche besser kennen, in ihrer
Wirklichkeit, in ihrer Geschichte, in ihrer Gegen- wart. Und dass wir
Schlagworte grundsätzlich nicht unkritisch über- nehmen, auch wenn sie immer
wiederholt werden. Ich nenne eines, gerade in diesem Dom muss man es nennen:
Das dumme, fürchterlich dumme Schlagwort vom "finsteren Mittelalter". Wenn man
diesen Dom anschaut, wenn man ihn ein wenig erahnt, dann kann man nicht vom
"finsteren Mittelalter" einfach so schlagwort- artig reden. Hätten wir heute
die Kraft, die geistige, die schöpferische Kraft, einen solchen Dom zu bauen?
Und haben wir in diesem Jahrhundert, das wie keines sich durch Massenmorde
aus- gezeichnet hat, vom Genozid an den Armeniern angefangen im Jahr 1915 über
den Genozid der Schoah an den Juden bis hin zu den Abermillionen Opfern des
Gulag und den zahllosen Opfern im Mutterschoß getöteter Kinder - haben wir in
diesem Jahrhundert Anlass, vom "finsteren Mittelalter" zu reden? Die
Geschichte der Kirche des Mittelalters wie des Altertums wie der Neuzeit ist
eine große und großartige Geschichte, und nichts von dem, was ich vorhin über
die großen Denker und Künstler und die großartigen Menschen, die es in der
Kirche gibt, gesagt habe, muss zurückgenommen werden: es gibt sie. Und zwar
nicht nur als Randphänomene, die es halt zufällig auch gibt in der Kirche,
sondern das ist das Herz der Kirche, das ist die Lebendigkeit der Kirche, ein
Ort großer, größter denkerischer, künstlerischer, menschlicher Kreativität.
Und wir dürfen voll Bewunderung auf diese Geschichte schauen und auch auf die
Gegenwart der Kirche. Wo gibt es welt- weit eine solche Fülle an Gaben, an
Begabungen, an Großherzigkeit, an Hingabe in allen Bereichen, in allen
menschlichen Dimensionen?
Doch stimmt es natürlich auch, dass die Geschichte der Kirche eine blutige
Spur ist, eine sündige Geschichte. Das beginnt damit, dass ganz zu Beginn alle
Apostel Jesus verlassen haben, als es ernst wurde. In Jerusalem drohte die
Kirche gleich zu Beginn zu zerbrechen, weil man sich stritt zwischen den
griechisch und den hebräisch Sprechenden. Sprachenkonflikte,
Nationalitätenkonflikte, Rivalitäten, Gruppeninteressen gab es von Anfang an.
In Korinth gab es Parteiungen, so sehr, dass Paulus Sorge hatte, dass seine
Gemeinde auseinander bricht. Paulus musste den Korinthern sagen, wie damals
der Inzest vorgefallen ist, dass es unter ihnen Dinge gibt, die selbst unter
den Heiden nicht vorkommen. Freilich, bei all diesen üblichen Schlagworten -
Inquisition, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen - ist immer wieder zu fragen, und
ich bitte Sie, das zu tun - was wissen wir eigentlich darüber? Was weiß der,
der dieses Schlagwort gebraucht, wirklich von der Inquisition? Oder von den
Kreuzzügen? Wer weiß schon, dass die Inquisition am Anfang ein Fortschritt
war? In einer willkürlichen Rechtspraxis, in der es keine "Inquisition",
nämlich keine Untersuchungen gab, hat die Kirche eine ordentliche Prozedur
eingeführt, eine saubere Gerichtspraxis. Nicht umsonst haben die Menschen
Zuflucht gesucht beim kirchlichen Gericht, weil's dort menschlicher zugegangen
ist als beim weltlichen Gericht. Was nicht heißt, dass die Inquisition nicht
schwere Verirrungen gekannt hat, dass sie degeneriert ist, und dass dort
Schlimmes geschehen ist.
Was wissen wir von der Kreuzzugsbewegung? Was für ein gewaltiger geistiger
Aufbruch das auch war? Eine religiöse Bewegung, freilich bald auch mit großen
Fehlverhalten degeneriert ist, die Schlimmes hervorgebracht hat, aber durchaus
auch Großes, und vor allem sollten wir in unserem Jahrhundert behutsam sein im
Urteil, im vorschnellen Urteil über Menschen früherer Zeit. Es geht nicht
darum, Fehlverhalten zu rechtfertigen, aber es geht auch darum, dass wir nicht
unbeschaut, unbesehen Vorurteile einfach übernehmen. Lasst Euch nicht gleich
umwerfen von den üblichen Litaneien an Kritiken an der Kirche. Prüfen,
ansehen, die wirklichen Fehler als Fehler benennen, aber nicht einfach
oberflächlichen Schlagworten aufsitzen.
Nun aber müssen wir doch etwas tiefer gehen. Dann sehen wir, dass die Kirche
ihre Größe nicht aus sich selber hat, nicht aus eigener Kraft, sondern dass
sie groß ist durch ständige Bewegung. Die Kirche ist ja nicht etwas Starres,
Unbewegliches, sie ist in ständiger Bewegung. Die Kirche ist eigentlich ein
ständiger Verwandlungsprozess. Sie ist ein ständiger Prozess der Umkehr oder,
wie Jesus sagt, der Bekehrung. Wenn wir hier im Dom einmal den Blick erheben
auf die zweite Etage oder die erste Etage - wie man es nehmen will - dann
sehen wir eine ganze Galerie von Figuren, die an den Pfeilern angebracht sind,
ganz bewusst in dieser Höhe - nicht, damit man sie nicht sehen kann, sondern
da- mit sie uns daran erinnern, dass die Kirche nicht nur die irdische,
pilgernde Kirche ist, sondern auch schon die Kirche des Himmels - das sind
die, die uns vorangegangen sind, sind die Heiligen, in großer Zahl hier im Dom
auf halber Höhe rundum an den Pfeilern angebracht. Sie waren ja nicht von
selbst dort oben, einmal waren sie hier unten. Einmal sind sie hier unterwegs
gewesen, so zu sagen im Kirchenschiff, wie wir jetzt. Wie sind sie da hinauf
gekommen? Nun, sicher durch die Steinmetze, die sie da hinauf gehoben haben.
Aber der Weg dorthin war ein Weg der Verwandlung, und dieser Weg der
Verwandlung ist der eigentliche Weg der Kirche. Durch diese Verwandlung wurden
Menschen wie wir zu solchen da oben, zu Heiligen. Die Kirche ist nicht einfach
fertig, wie der Dom nicht fertig ist. Ständig wird an ihm gearbeitet, seit 850
Jahren - inzwischen wissen wir, dass es sogar noch länger ist, seit den
Ausgrabungen beim Riesentor wissen wir, dass es vor dem Dom, der 850 Jahre alt
ist, noch zwei Kirchen gegeben hat. Die Kirche ist nicht einfach fertig, sie
wird ständig bearbeitet, ständig ist sie in Wandlung, so wie dieser Dom vom
romanischen zum gotischen, zum barockisierten, zum wieder aufgebauten geworden
ist. Und wenn wir die Dombauhütte beobachten: Sie sind ständig an der Arbeit.
Er wandelt sich ständig. Und so ist der Dom ein Bild dafür, dass wir alle in
einem Umwandlungsprozess sind, von sündigen Menschen zu heiligen Menschen. Die
Kirche ist im Wer- den, sie wandelt sich. Und dieser Wandlungsprozess macht
eigentlich erst die Kirche aus, das heißt, wir sind nur in dem Maß Kirche, in
dem wir selber verwandelt werden, in dem an uns eine Arbeit geschieht. Wer
einmal in der Dombauhütte zugeschaut hat, wie die Steinmetze einen Steinblock
hernehmen, ihn bearbeiten, zuerst grob, dann immer feiner, bis am Schluss alle
Fialen, alle Details des Steins herausgearbeitet sind, der hat ein sehr
schönes Bild, was die Kirche ist und was an uns geschieht, damit wir Kirche
werden, dass der große Dombaumeister, dass der Herr uns in Arbeit nimmt, an
uns arbeitet. Wir sind nicht fertige Heilige, wir werden es durch die
Umwandlung, die an uns geschieht. Als Jesus die ersten Jünger rief, waren sie
noch weit davon entfernt, die heiligen Apostel zu sein, die am Riesentor neben
Christus, um Christus versammelt sind. Jesus hat mit ihnen einen langen Weg zu
gehen gehabt, einen mühsamen Weg der Wandlung, der Verwandlung. Jesus musste
sie bearbeiten. Er musste sie in die Schule nehmen, und allmählich hat er ihr
Leben gewandelt. Sie haben zugestimmt, dass diese Wandlung an ihnen geschieht.
Jetzt sind sie vollendet, jetzt sind sie wirklich Kirche. Wir sind noch nicht
wirklich Kirche. Das Wort "Kirche sind wir alle" stimmt nur dann, wenn man
dazusagt "Kirche im Werden sind wir hoffentlich alle", das heißt, wir sind
Kirche in dem Maß, in dem der Herr uns bearbeitet, in dem wir uns von ihm
bearbeiten lassen. Ich weiß nicht, wie weit Euer Katechismuswissen reicht (das
ist eine un- höfliche Frage, ich setze voraus, dass es sehr gut ist): Es gibt
drei Dimensionen der Kirche: die pilgernde Kirche, das sind wir, unterwegs auf
dieser Erde, unterwegs zum Weltjugendtreffen, eine Wallfahrt, eine
Pilgerfahrt, ein Bild für unser Leben. Es gibt die triumphierende Kirche, die
Kirche des Himmels, und es gibt, wenn man hier hinuntersteigt in die Gruft,
die Erinnerung daran, dass es die leidende oder die in der Läuterung sich
befindende Kirche gibt, also jene, die noch nicht vollendet sind in ihrer
Läuterung, die aber schon aus diesem Leben geschieden sind. Aber es ist nur
eine Kirche, diese drei Stände oder Zustände der Kirche. Als pilgernde Kirche
sind wir als Sünder in dieser Kirche. Wir bringen unsere Fehler mit in diese
Kirche herein, und deshalb ist das Bild der Kirche eben das, was wir bieten,
mit unserem Streit, unserer Uneinigkeit, unseren Fehlern, aber auch mit dem,
was wir an Zustimmung zum Werk des Herrn bringen, was Er an uns tun kann, und
in dem Maß, wie wir zustimmen, dass der Herr an uns arbeitet, in dem Maß, wie
wir neue Menschen werden, wird auch die Kirche ein neues Antlitz zeigen. Die
Heilige Schrift nennt die Kirche "das Zelt Gottes unter den Menschen", ein
Zelt ist noch nicht das end- gültige Haus. Dieser Dom ist noch nicht das
endgültige Haus Gottes. Er ist 850 Jahre alt, er wird nicht ewig stehen.
Einmal wird dieser Dom nicht mehr sein. Dann wird das Zelt Gottes unter den
Menschen auch nicht mehr sein. Aber das Haus Gottes, die ewige Kirche, wird
dann vollendet sein. In der pilgernden Kirche gibt es alles Erdenkliche, Gute,
Böse, das wussten die Menschen des "finsteren Mittelalters", des angeblich so
finsteren Mittelalters, und darum haben sie im Dom an vielen Stellen
signalisiert, dass das christliche Leben ein Kampf ist. Da gibt es Kröten und
Schlangen, wilde Tiere, Ungetüme, Dämonen - alles das findet man im Dom, am
Riesentor, bei den Wasserspeiern, auf der Pilgramkanzel hinten, und damit
sagen sie uns: Der Weg der pilgernden Kirche ist ein Kampf, ein Kampf mit dem
Bösen (sächlich und männlich - das Böse und der Böse), mit der Wirklichkeit
des Bösen in uns und um uns. Der christliche Weg ist ein Kampf, daran erinnert
uns das Hochaltarbild, Stephanus ist gesteinigt worden, er stirbt für den
Glauben. Ohne Kampf keine Kirche, ohne Kampf keine Verwandlung, und wenn es
großartige Menschen in der Kirche gibt, dann deshalb, weil sie eine Wandlung
durchgemacht haben.
Damit wir Kirche werden, bedarf es der Verwandlung. Wir sind nicht einfach
Kirche, wir werden zur Kirche. Kirche aus lebendigen Steinen werden wir, wenn
der Kampf des christlichen Lebens von uns wirklich aufgenommen wird, wenn wir
bereit sind, diesen Kampf zu kämpfen, wie Paulus am Ende seines Lebens sagt:
"Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Glauben bewahrt."
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