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22. Sonntag im Jahreskreis I
1. Lesung: Sir 3, 17-18.
20. 28-29 |
In der Pfarre, wo ich in meiner Schul- und Studienzeit auf der Orgel spielte, da gab es einen Ordensbruder, Bruder Alois, der wirklich ein lebendiges Beispiel von Bescheidenheit war.
Über alles und jede Kleinigkeit konnte er sich wirklich von ganzem Herzen freuen. In seiner Dankbarkeit pflegte er über ein kleines Geschenk zu sagen: "Mein Gott, das bin ich ja gar nicht wert!" - Und war es nur ein Apfel, den man ihm brachte, er strahlte über das ganze Gesicht und betrachtete ihn wie einen kostbaren Edelstein. - Ich glaube, er hätte sich sogar über einen Wurm im Apfel gefreut ...
Auf sein Totenbildchen schrieb man zur Erinnerung den Leitsatz des Verstorbenen. Ein jeder, der Bruder Alois kannte, hatte ihn oftmals und immer wieder sagen gehört: "Ich bin der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt!"
Bruder Alois war ein lebendiges Beispiel dafür: Bescheidenheit ist kein Opfer, Bescheidenheit macht glücklich!
Wie glücklich ist der Mensch, wenn er in seiner Bescheidenheit alles hat und sich erfreuen kann an jeder Kleinigkeit! - Ist doch wirklich das kleinste Gänseblümchen genau betrachtet viel schöner als der herrlichste blühende Rosenstrauch, für den man keinen Blick hat ...
Oft bedrückt uns eine große Sorge, die uns blind macht für die vielen schönen Kleinigkeiten.
Was nun die Demut und Bescheidenheit vor Gott betrifft, so kann ich ihnen eine ganz kleine Weisheitsgeschichte erzählen, es sind nur zwei Sätze:
"Ein Gelehrter kam zu einem Rabbi und sagte: `Jetzt habe ich so viel in Büchern gelesen und studiert, aber Gott ist mir noch nie begegnet!´ Der Rabbi antwortete. `Dann hast du dich noch nicht genug gebückt!´"
Man muss klein werden, um die Größe Gottes zu erkennen. - In seiner Schwäche erkennt der Mensch, wie stark Gott ist; gerade in der Sünde die Barmherzigkeit ...
Dieser Glaube gründet in der Frohen Botschaft und in der Erfahrung, die in ihr zum Ausdruck kommt: "Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden."
Diese Wahrheit zieht sich wie eine "innere Logik" durch die ganze Heilige Schrift:
"Wer gibt, gewinnt", "wird das Hundertfache dafür
empfangen".
"Die Letzten werden die Ersten sein und die Ersten die Letzten."
"Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um
meinetwillen verliert, wird es gewinnen."
Letztlich ist dies das Geheimnis des Kreuzes: "Wenn das Weizenkorn ... in die Erde fällt und stirbt, ... bringt es reiche Frucht."
Im Philipperhymnus heißt es: Jesus Christus "war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich ...; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht".
Die "innere Logik" des Evangeliums wird uns zugesagt in den Seligpreisungen der Bergpredigt - "Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden." - und in ganz wunderbarer Weise wird sie im Magnifikat der Gottesmutter ausgedrückt: Gott "stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen."
Diese Erfahrung der Gottesmutter soll die Lebenserfahrung eines jeden Christen sein.
Zuletzt ein geistliches Wort zum Nachdenken: "Wenn wir am Ende sind, dann fängt Gott an."
Dieser Gedanke ist eine große Hilfe in einer ganz schweren Zeit. - Es entspricht durchaus auch der Gesinnung des heiligen Apostel Paulus:
"Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir." - Ich selbst bin gestorben, damit Christus in mir leben kann.
Aber ein bisschen stimmt es nicht ganz! - Christus kommt nicht erst nur am Ende! Gott ist nicht eine "Endstation", er ist "Anfang und Ende", "Alpha und Omega".
Nicht erst am Ende ist Gott für uns da, schon unser Leben hat mit Gott begonnen. Gott wird sich offenbaren am Ende der Tage, er ist aber auch schon da an jedem Tag, zu jeder Stunde, in jedem kleinsten Augenblick des Lebens, auch jetzt, wenn er zu uns kommt in der Erniedrigung der Eucharistie, der Hingabe Jesu, die uns aber aufrichtet und erhöht.
Amen.
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