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6. Sonntag im Jahreskreis
1. Lesung: Jer 17, 5-8 |
Es gibt einen psychologischen Test, bei dem man aufgefordert wird, einen Baum zu zeichnen, und je nachdem, wie dieser Baum dann aussieht, werden Rückschlüsse gezogen auf die Persönlichkeit des Darstellers.
Der Stamm zeigt die Eigenpersönlichkeit, das selbstbewusste Ich einer Persönlichkeit, die Ausbildung der Krone und die Verzweigung der Äste zeigen die Beziehung der Persönlichkeit zu den Mitmenschen und zur Umwelt, besonders ausgeprägte Wurzeln deuten auf eine besonders tiefe und verinnerlichte Persönlichkeit hin.
Ein Psychologe ist mit dieser Erkenntnis berühmt geworden, dabei ist es nichts Neues, den Menschen mit einem Baum zu vergleichen. Schon vor tausenden Jahren wurde in der Heiligen Schrift niedergeschrieben, dass der Mensch "ist wie ein Baum" oder "wie ein kahler Strauch", je nachdem, wo er steht. Und auch Jesus sagt einmal: "Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum!"
Wenn Jesus das sagt: "Seht euch den Feigenbaum und die anderen Bäume an", so meint er allerdings nicht die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen als vielmehr das Reich Gottes: Ihr "sollt ... erkennen, ... dass das Reich Gottes nahe ist."
So möchte ich - angeregt durch den Bildvergleich "Baum" - eine Verbindung sehen und herstellen zwischen der eigenen Persönlichkeit eines jeden und dem Reich Gottes. - Da muss es ja eine Verbindung geben, ist doch jeder Mensch - jede Persönlichkeit - dazu berufen, in das Gottesreich - in eine höhere Wirklichkeit - hineinzuwachsen, jedes Menschenleben auf ein höheres Ziel hin angelegt und jeder durch die Taufe schon "Bürger" dieses Reiches. - Auch verkündet das heutige Evangelium "das Reich Gottes" in den Seligpreisungen, und die neutestamentliche Lesung das endgültige und vollendete Gottesreich in der Herrlichkeit des Vaters durch die Auferstehung der Toten.
Der Mensch soll also sein "ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte." - Ein wunderbares Bild für die Persönlichkeit eines Menschen, der feststeht im Glauben, den nichts erschüttern kann, weil er feststeht in Christus! Auch in den Zeiten der Finsternis sieht er ein Licht, in Zeiten der Trauer einen Trost, in der Krise besteht er und verliert nicht den Mut. "Unablässig bringt er seine Früchte", tut er Gutes, ist er noch dazu für andere Hilfe und Trost.
Der Mensch ist aber doch auch anders als ein Baum. Er kann ja selbst seinen Standort bestimmen. Ist er auch von seinen Eltern sozusagen "eingesetzt", oder "fällt auch der Apfel nicht weit vom Stamm", so ist doch jeder selbst dafür verantwortlich, wo er im Leben steht, nach welchen Grundsätzen und Wertvorstellungen er sein Leben gestaltet, mit wem er Umgang pflegt, wo er sich orientiert, und wie er sich entscheidet. Jeder bestimmt letztlich selbst, was ihm wertvoll ist und welchen Sinn er in seinem Leben erkennt.
Die Eltern, Lehrer, Seelsorger und wahre Freunde haben die Funktion eines Wegweisers zur eigenen Persönlichkeit. Es gilt nun zu erkennen - nicht nur für den Gehenden, sondern besonders auch für die Wegweiser -, dass Jesus Christus der Weg ist, dass das Feststehen im Glauben erst die wirkliche Persönlichkeit eines Menschen ausmacht.
Die Seligpreisungen sind Grundsätze nach denen wir leben, die uns festigen im Vertrauen, dass Gott alles zum Guten führt, und die uns im Glauben stärken durch den zugesagten Trost.
Als Kirche sollen wir ein Garten sein, wo gerne Bäume wachsen, wo Menschen in ihrer Freiheit Standort suchen und heranreifen zu großen Persönlichkeiten, wo Heranwachsende einen guten fruchtbaren Boden vorfinden, der guten Halt gibt und die wirklich wichtigen Nährstoffe enthält. Natürlich soll in diesem Garten die Sonne scheinen, auch wenn es manchmal regnet ...
Der Garten - die Kirche - wird für viele ein ansprechender Standort sein, wenn wir die Werte der Seligpreisungen auch verwirklichen, dass wir uns annehmen um Arme, dass wir Not von anderen sehen, Trauernde trösten, fröhlich sind, niemanden aus der Gemeinschaft ausschließen, niemanden beschimpfen und wirklich eine frohe Gemeinschaft sind, eben all das verwirklichen, was in den Seligpreisungen angesprochen ist.
So bricht das Reich Gottes an, und bauen wir mit an einer Kirche, in der Persönlichkeiten heranreifen, die sich im Leben bewähren und im Glauben gefestigt sind.
Amen.
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