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5. Fastensonntag
1. Lesung: Jer 31, 31-34 |
"In einem großen Garten wuchs ein Bambusbaum. Der Herr des Gartens hatte seine Freude an ihm. Von Jahr zu Jahr wurde er kräftiger und schöner. Eines Tages aber blieb er vor ihm stehen und sagte: Lieber Bambus, ich brauche dich! Der Baum antwortete: Herr, ich bin bereit, gebrauche mich, wie du willst. Die Stimme des Herrn wurde ernst: Um dich zu gebrauchen, muss ich dich beschneiden! Der Baum erzitterte: Mich beschneiden? Deinen schönsten Baum im Garten? Nein bitte, das nicht, bitte nicht! Verwende mich doch zu deiner Freude, Herr, aber beschneiden ...! Der Herr sagte noch ernster: Wenn ich dich nicht beschneide, kann ich dich nicht gebrauchen.
Im Garten wurde es ganz still. Der Wind hielt den Atem an. Langsam beugte der Bambus seinen herrlichen Kopf und sagte leise: Herr, wenn du mich anders nicht gebrauchen kannst, dann beschneide mich! Doch der Herr fuhr fort: Mein geliebter Bambus, ich werde dir auch deine Blätter und Äste abschneiden! Ach, Herr, davor bewahre mich. Zerstöre meine Schönheit, aber lass mir bitte Blätter und Äste! Wenn ich sie dir nicht abschneide, kann ich dich nicht gebrauchen!
Die Sonne versteckte ihr Gesicht. Ein Schmetterling flog ängstlich davon. Bis ins Mark getroffen, flüsterte der Bambus: Herr, schlag sie ab!
Mein geliebter Bambus, ich muss dir noch mehr antun. Ich muss dich mitten durchschneiden und dein Herz herausnehmen. Wenn ich das nicht tue, kann ich dich nicht gebrauchen! Da neigte sich der Bambus bis zur Erde: Herr, beschneide und teile!
So schnitt der Herr des Gartens den Bambus, hieb seine Äste ab, streifte seine Blätter fort, teilte ihn in zwei Teile und schnitt sein Herz heraus. Dann trug er ihn mitten durch die trockenen Felder in die Nähe einer Quelle. Dort verband er mit dem Bambusstamm die Quelle mit der Wasserrinne im Feld. Und das klare, glitzernde Wasser schoss durch den zerteilten Körper des Bambus in den Kanal und floss auf die dürren Felder, um eine reiche Ernte möglich zu machen. - So wurde der herrliche Bambus erst zum großen Segen, als er gebrochen und zerschlagen war."
Auch Jesus hat für die Botschaft vom kommenden Gottesreich viele Vergleiche aus der Natur verwendet. Er sieht vor sich den Tod als Verherrlichung und bringt das Beispiel vom Weizenkorn. Es soll damit verstehbar werden, dass Vergänglichkeit einen Sinn hat, dass Sterben Voraussetzung ist für ein Neuwerden, Tod für das Leben, Geben für Liebe.
Wird Ostern in unsere sterbliche Welt tatsächlich ein Stück von Auferstehung bringen? - Werden wir auf das Jenseits "vertröstet", oder soll sich jetzt schon Auferstehung ereignen?
- Der Vergleich mit dem Weizenkorn hat nicht erst am Ende des Lebens Gültigkeit, wir werden ermutigt, tagtäglich Erfahrung zu machen, die mit diesem Vergleich gemeint ist.
In unserem Lebens gibt es jetzt schon die Anzeichen von Auferstehung. - Auch in einem Leben, das als Kreuzweg empfunden wird, soll Auferstehung erahnbar und beglückend erfahrbar werden.
Wenn wir den Kreuzweg von Jesus genauer betrachten, so erkennen wir: Da gibt es tatsächlich Augenblicke, die sehr wohl auch Glück bedeuten, Stationen, wo sich in Begegnung Liebe ereignet, nicht nur gebende, auch empfangende:
"Jesus begegnet seiner Mutter",
"Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen",
"Veronika reicht Jesus das Schweißtuch",
"Jesus begegnet den weinenden Frauen".
Und so, wie es beim Kreuzweg Jesu Stationen gibt, die den dunklen Weg erhellen, die in der Finsternis des Leides ein Licht von Auferstehung bedeuten, so soll es auch in unserem Leben sein.
Nicht erst im Tod, schon jetzt soll sich das Bild vom Weizenkorn verwirklichen: Im füreinander Da sein.
In all unseren Begegnungen und in all der Liebe, die wir im Leben erfahren, soll erlebbar und spürbar werden, was Paulus uns zuruft: "Ihr seid mit Christus auferweckt".
Amen.
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