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33. Sonntag im Jahreskreis
1. Lesung: Spr 31, 10-13.
19-20. 30-31 |
Zum "Gleichnis vom anvertrauten Geld" hat mich die folgende Geschichte sehr beeindruckt:
"Es war einmal ein Wunderknabe, der im zartesten Alter schon die ganze Welt erkannte. Unter der Tür des Elternhauses wusste er über alles Bescheid, und von weither kamen die Menschen, um ihn sprechen zu hören und um seinen Rat zu holen. Er war zum Glück auch ein glänzender Redner und ließ den schwierigsten Fragen die größten Worte angedeihen, und manchmal auch die längsten. Man wusste nicht, woher er sie hatte, wie es bei dem Wunderknaben so ist. Sie lagen ihm einfach im Mund. Sein Ruf ging in die Welt hinaus, und bald wollte man überall von seinem Wissen profitieren.
So machte er sich auf die Wanderschaft und nahm sich vor, die ganze Welt, über die er immer gesprochen hatte, nun auch zu berühren. Doch kaum eine Stunde von zu Hause kam er an einen Scheideweg, der ihn zwang, zwischen drei Möglichkeiten zu wählen, denn nicht einmal ein Wunderknabe kann zugleich in verschiedene Richtungen gehen. Er ging geradeaus weiter und musste dabei links ein Tal und rechts ein Tal ungesehen liegen lassen. Schon war seine Welt zusammengeschrumpft. Auch bei der nächsten Gabelung büßte er Möglichkeiten ein und bei der dritten und bei der vierten. Jeder Weg, den er einschlug, jede Wahl, die er traf, trieben ihn in eine engere Spur. Und wenn er auf den Dorfplätzen sprach, wurden die Sätze immer kürzer. Die Rede floss ihm nicht mehr wie einst, als er ins Freie getreten war. Sie war belastet von Unsicherheit über das unbegangene Land, das er schon endgültig hinter sich wusste.
So ging er und wurde älter dabei, war schon längst kein Wunderkind mehr, hatte tausend Wege verpasst und Möglichkeiten auslassen müssen. Er machte immer weniger Worte, und kaum jemand kam noch, ihn anzuhören. Er setzte sich auf einen Meilenstein und sprach nun nur noch zu sich selbst: Ich habe immer nur verloren: An Boden, an Wissen, an Träumen. Ich bin mein Leben lang kleiner geworden. Jeder Schritt hat mich von etwas weggeführt. Ich wäre besser zu Hause geblieben, wo ich noch alles wusste und hatte, dann hätte ich nie entscheiden müssen, und Möglichkeiten wären noch da.
Müde, wie er war, ging er dennoch den Weg zu Ende, den er einmal begonnen hatte, es blieb ja nur noch ein kurzes Stück. Abzweigungen gab es jetzt keine mehr, nur eine Richtung war noch übrig und von allem Wissen und Reden nur ein einziges letztes Wort, für das der Atem noch reichte. Er sagte das Wort, das niemand hörte, und schaute sich um und merkte erstaunt, dass er auf einem Gipfel stand. Der Boden, den er verloren hatte, lag in Terrassen unter ihm. Er überblickte die ganze Welt, auch die verpassten Täler, und es zeigte sich also, dass er im Kleiner und Kürzer werden ein Leben lang aufwärts gegangen war."
Jeder Mensch hat Talente bekommen, Fähigkeiten, die er ins Leben einbringen soll. - Oft fragen wir: Haben wir die Fähigkeiten wirklich alle genützt? - Da ist uns diese Geschichte sehr hilfreich und ein Trost. Auch wenn wir im Leben nicht alles vollständig ausbauen konnten, es hat sicher alles seinen Sinn gehabt und wird letzten Endes in Gott einmünden.
Schwerer als der Rückblick auf das Leben ist es wohl für die jungen Menschen, den richtigen Weg in die Zukunft zu finden: Welchen Weg soll ich gehen? Welche Fähigkeiten habe ich? Wofür soll ich mich entscheiden? Welchen Beruf ergreifen? - Was ist der Wille Gottes? Wo werde ich gebraucht? Wofür möchte ich leben?
Mit den Fähigkeiten hat Gott uns Entscheidungsmöglichkeiten mitgegeben. Wir selbst können und müssen entscheiden, welche Fähigkeiten wir in unser Leben einbringen, welche wir ausbauen durch Studium und Erlernen eines Berufes. Äußere Vorgegebenheiten, wie zum Beispiel die Situation auf dem Arbeitsmarkt, werden solche Entscheidungen beeinflussen und mitbestimmend sein im Finden der Berufung.
Das Evangelium gibt keine konkrete Anweisung, wie man welches Talent einsetzen soll, welchen Beruf es zu ergreifen gilt. - Es sagt ganz grundsätzlich: Mach etwas aus deinem Leben!
Man muss nicht alle Fähigkeiten besitzen, nicht alles können, nicht alles erreichen. Ist das Vermögen auch nur gering, hat man vielleicht wirklich nur ein einziges Talent, so kommt es doch auf dieses eine an, soll man wenigstens auf dieses eine bauen.
Niemand kann in die Zukunft schauen. Erst im Rückblick erkennen wir, dass Gott uns den Weg durch das Leben geführt hat. Er war es, der in seiner Weisheit und Vorsehung für uns die Weichen gestellt hat, von ihm war doch alles auf ein bestimmtes Ziel hingeordnet.
In dem bekannten Lied: "Herr, ich bin dein Eigentum", singen wir oft:
"Väterlich führst du mich
auf des Lebens Wegen
meinem Ziel entgegen."
Amen.
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