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30. Sonntag im Jahreskreis
1. Lesung: Ex 22, 20-26 |
Das Hauptgebot der Liebe ist ein Doppelgebot. Alles andere erübrigt sich, wenn man nur bestrebt ist, zu lieben: Gott und den Nächsten.
Dieses Doppelgebot ist aber - wenn wir genau hingehört haben - eigentlich ein dreifaches Gebot! Meistens übersieht man diesen letzten Beisatz: "wie dich selbst", und dabei ist der so wichtig!
Die Liebe zu sich selbst wird nicht verdammt, sie soll Richtschnur sein für das Maß der Liebe, die ich auch anderen zukommen lasse. Wer unbedingt ein Egoist sein möchte, der soll auch im gleichen Maß um das Wohl des anderen bedacht sein. Wer das Leben genießen möchte, der soll sich darum sorgen, dass es auch anderen gut geht ...
Die Liebe zu sich selbst meint nicht nur Egoismus, sondern grundsätzlich das Ja zu sich selbst, das Annehmen seiner selbst, das Glücklichsein über das, was man ist; das Ja zu meiner Berufung, das Ja zum Leben, das Gott mir gegeben hat.
Nur der Mensch, der sich selbst ertragen kann, ist auch von anderen ertragbar; nur der Mensch, der sich selbst liebt, kann auch andere lieben.
Sich selbst zu lieben haben wir alle gelernt von unseren Eltern, die uns diese Urerfahrung des Geliebt seins geschenkt haben: Du bist geliebt und angenommen. Damit haben uns die Eltern fürs ganze Leben mitgegeben die Urerfahrung dessen, was es heißt, von Gott geliebt zu werden.
Das sich selbst Annehmen und das Wissen darum, dass ich mein Dasein einer Liebe verdanke, machen mich erst dazu fähig, ein liebender Mensch zu sein. - Liebe ist Geschenk, Liebe ist Antwort.
Wie wir nun konkret mit der Selbstliebe umgehen sollen, dazu möchte ich Ihnen einen Brief vorlesen, den der hl. Bernhard von Clairvaux einmal geschrieben hat:
"Wenn Du Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da loben? Darin lobe ich Dich nicht. Ich glaube, niemand wird Dich loben, der das Wort Salomons kennt: Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit.
Wenn Du ganz und gar für alle da sein willst nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist, lobe ich Deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst Du aber voll und echt Mensch sein, wenn Du Dich selbst verloren hast ... Denn was würde es Dir sonst nützen, wenn Du - nach dem Wort des Herrn - alle gewinnen, aber als einzigen Dich selbst verlieren würdest? Wenn alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig Du selbst nichts von Dir haben? Wie lange bist Du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt? Wie lange noch schenkst Du allen anderen Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selber?
Bist Du dir etwa selbst ein Fremder? Bist du nicht jedem fremd, wenn Du Dir selber fremd bist? Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wie kann der gut sein? Denke also daran: Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer, ich sage nicht tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen."
Amen.
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